• Berlin
  • Wohnungsbaugenossenschaften und Enteignung

Genossenschafter fordern Sozialisierung

Initiative Genossenschaft von unten will die Demokratisierung des Wohnungssektors vorantreiben

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Wir wollen die Mitglieder dafür begeistern, mitzumachen«, sagt Helga Conrad von der Initiative Genossenschaft von unten am Samstag. Sie sagt das bei der Eröffnungsrede des Alternativen Genossenschaftskongresses, der von der Initiative mit Unterstützung der linksparteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung im Münzenbergsaal des nd-Gebäudes in Berlin-Friedrichshain abgehalten wird.

Wohnungsbaugenossenschaften könnten einen Beitrag gegen Mietpreistreiberei und Mangel an bezahlbarem Wohnraum leisten, heißt es in der Einladung zum Kongress. »Viele Vorstände in Berlin sprechen sich aber offen gegen Maßnahmen wie einen Mietendeckel aus und agitieren gegen den Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen«, heißt es weiter. Vier große Genossenschaften hatten sogar vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Berliner Mietendeckel Klage eingereicht. Gekippt worden ist er im April 2021 schließlich aber wegen eines Normenkontrollantrags der Bundestagsfraktionen von CDU und FDP.

Auch gegen den Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen wurde von Genossenschaftsvorständen massiv Stimmung gemacht, der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Mario Czaja sprang auf den Zug auf. Es wurde der Eindruck erweckt, dass auch Genossenschaften vergesellschaftet werden könnten. »Die Enteignung der Genossenschaften war für uns nie eine Idee. Für uns klang das, was wir machen wollten, wie eine Weiterführung des Genossenschaftsgedankens«, sagt Stephan Junker von der Initiative. »Der Kampf, der uns verbindet, ist der um die Demokratisierung des Wohnens«, sagt er zu den Kongressteilnehmern.

»Es ist die richtige Zeit, über Genossenschaften, Mieten und Demokratie zu sprechen«, sagt die direkt gewählte Lichtenberger Linke-Bundestagsabgeordnete Gesine Lötzsch in einem Grußwort. »Der Wohnungsmarkt fliegt uns im Augenblick vor allem in Großstädten, aber nicht nur dort, um die Ohren«, so Lötzsch weiter. Sie fordert einen bundesweiten Mietendeckel für die Großstädte und ein Sondervermögen sozialer Wohnungsbau. Die 100 Milliarden Euro, die nun die Bundeswehr bekommen soll, wären in ihren Augen dort besser angelegt. »Die Hinhaltetaktik bei der Umsetzung des Volksentscheids Deutsche Wohnen & Co enteignen halte ich für nicht akzeptabel«, erklärt Lötzsch in Richtung des Berliner Senats.

»Wir sehen eine Entmachtung der Mitglieder und intransparente Entscheidungen der Vorstände«, sagt Hilde Schrader von der 2019 gegründeten Initiative Die Genossenschafter*innen. »Ihr arbeitet beharrlich an der normativen Veränderung. Wir sind eher in der Vernetzung«, beschreibt sie die unterschiedlichen Tätigkeitsfelder. Als Hindernis, um mehr Veränderungsdruck bei Genossenschaften aufzubauen, nennt sie die relative Zufriedenheit der Mitglieder im Vergleich mit dem restlichen Wohnungsmarkt.

Die Kongressteilnehmer fassen eine Reihe von Beschlüssen. »Wir wenden uns gegen jede Art von Mietpreistreiberei«, heißt es beispielsweise. Viele Genossenschaften haben Mietenkonzepte, die eine kontinuierliche Anpassung an Mietspiegelwerte spätestens bei Wiedervermietung vorsehen. Das wird von Genossenschaft von unten entschieden abgelehnt. Ginge es nach der Initiative, könnten die Mitglieder über Mietenkonzepte entscheiden.

»Wir fordern, Angebote der Wohnungsgenossenschaften für Geringverdiener und die Zugänge zu genossenschaftlichem Wohnraum so zu gestalten, dass sie der Vielfalt der Bewohner*innen unserer Stadt gerecht werden«, lautet ein weiterer Beschluss. Oft bleiben Transferleistungsempfänger nämlich außen vor. Das Land Berlin und Genossenschaften »werden aufgefordert, mehr und preiswerte Wohnungen zu bauen«. Mit einer Reihe von Maßnahmen müsse auch die genossenschaftliche Demokratie »wiederhergestellt und erweitert werden«. Nicht zuletzt tritt man für die »unverzügliche Umsetzung des Volksbegehrens Deutsche Wohnen & Co enteignen« ein.

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