Durchwachsene Bilanz

Zur Verwirklichung seiner Vorhaben benötigt Frankreichs Präsident Macron eine zweite Amtszeit

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf Anhieb konnte Emmanuel Macron vor fünf Jahren als junger und unkonventioneller Außenseiter über die Köpfe aller rechten wie linken Politiker und ihrer Parteien hinweg das Präsidentenamt erringen. Das zeigte, wie reif Frankreich für einen tiefgreifenden Wandel war und wie gelegen vielen Wählern seine Reformabsichten kamen. Am Ende seiner ersten Amtszeit wird deutlich, wie wenig er davon umsetzen konnte und wie dringend er daher eine zweite Amtszeit braucht.

Am erfolgreichsten war Macron sicher in der internationalen Politik, etwa mit seinen Verständigungsversuchen gegenüber Wladimir Putin, beim Kampf gegen den islamistischen Terror in der Sahel-Zone oder im Bemühen um Fortschritte in der Europäischen Union, wenngleich es auch hier nicht an Rückschlägen gefehlt hat.

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In der politisch breit gefächerten Wählerschaft, die 2017 für Macron stimmte, wurden dann aber vor allem links eingestellte Franzosen durch seine Politik enttäuscht, während viele Rechtswähler angenehm überrascht waren. Eine panikartige Flucht vermögender Familien vor der erwarteten Steuerpolitik wie 1981 nach der Wahl des ersten sozialdemokratischen Präsidenten François Mitterrand blieb diesmal aus.

In Rekordzeit hat Macron per Gesetz die »Reichensteuer« ISF abgeschafft und durch eine wesentlich mildere Immobiliensteuer ersetzt. Andererseits kürzte er als eine der ersten Maßnahmen das Wohngeld, auf das in Frankreich nur die allerärmsten Familien Anspruch haben, um monatlich pauschal fünf Euro. Damit zeichnete sich bereits früh ein Kurs ab, der Macron sehr bald in der linken Opposition und unter deren Anhängern den Ruf einbringen sollte, ein »Präsident der Reichen« zu sein.

In den ersten eineinhalb Jahren seiner Amtszeit brachte Frankreichs Staatschef Wirtschafts- und Finanzreformen auf den Weg, die vor allem Zugeständnisse an die Wirtschaft waren und das Ziel verfolgten, die Konjunktur anzukurbeln und Frankreich für ausländische Investoren attraktiv zu machen. Gleichzeitig sollten so Arbeitsplätze geschaffen werden, was für mehr Steuereinnahmen und Sozialabgaben sorgen sollte. Durch das von Macron propagierte Prinzip des »ruissellement« (Rinnen) sollten die materiellen Verbesserungen stufenweise von oben nach unten weitergeleitet werden und sich verteilen, so dass sich die soziale Lage aller Schichten verbessert.

In der Praxis ergab sich ein noch schärferes Missverhältnis bei der Verteilung der Reichtümer. Beispielsweise erhöhten sich im ersten Jahr der Anfang 2018 verabschiedeten Steuerreform die Dividenden der Großunternehmen um neun Milliarden auf insgesamt 23 Milliarden Euro – ein Wachstum um 64 Prozent gegenüber dem Vorjahr – und im Jahr 2019 noch einmal um eine Milliarde Euro. Dem stand für die Masse der Bürger wenig gegenüber. Spürbar für alle Haushalte war nur die Abschaffung der Kommunalsteuer. Die Dauer des Vaterschaftsurlaubs wurde verdoppelt und die durch die Krankenkassen getragene künstliche Befruchtung auf alle Frauen erweitert.

Durch einen überstürzt und unkommentiert eingeführten Umweltaufschlag auf die Benzinpreise wurde im Herbst 2018 die Protestbewegung der Gelben Westen ausgelöst, die Macron und die Regierung etwa ein Jahr lang beschäftigte und zu Rückziehern zwang. Sie konnten nur als Erfolg verbuchen, dass sich 2019 trotz wochenlanger Streiks und großer Protestdemonstrationen dank ihrer Parlamentsmehrheit die Bahnreform durchsetzten ließ. Diese brachte die Öffnung der Staatsbahn für die Konkurrenz und die Abschaffung des besonderen Status der Eisenbahner und der damit verbundenen sozialen Vergünstigungen, die diese sich vor Jahrzehnten erkämpft hatten.

Zu den wenigen abgeschlossenen Reformen gehört auch die der Arbeitslosenversicherung, wo die Bedingungen zu Lasten der Betroffenen wesentlich verschärft wurden. Dagegen scheiterte die Rentenreform am starken Widerstand in der Bevölkerung, der in großen Demonstrationen zum Ausdruck kam. Dabei sind auch Gewerkschaften und die linken Oppositionsparteien überzeugt, dass eine Reform nötig ist, um angesichts der gestiegenen Lebenserwartung die Renten nach dem Solidarprinzip auch weiterhin finanzieren zu können. Auf Widerstand stieß vor allem der Regierungsstil, Reformen ohne Konsultation und Abstimmung von oben herab zu dekretieren.

Die Anfang 2020 einsetzende Corona-Pandemie erlaubte es der Regierung, das Reizthema Rentenreform erst einmal zurückzustellen, aber Macrons Programm für die bevorstehende Präsidentschaftswahl zeigt, dass es nicht aufgegeben wurde, sondern mit neuem Ansatz durchgesetzt werden soll.

Mit der vergleichsweise guten Bewältigung der Corona-Pandemie und ihrer Folgen konnten Macron und seine Regierung wieder Punkte sammeln. Die Entscheidung, dabei nicht mit Geld zu sparen und Unternehmen aller Größenordnungen vom Konzern bis zum Einzelhändler zu unterstützen und so massiv Existenzen und Arbeitsplätze zu bewahren, hat sich bewährt.

Dagegen muss sich Macron von nationalen Umweltverbänden und internationalen Organisationen sagen lassen, dass Frankreich beim Klimaschutz weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, die durch den Pariser Klimagipfel 2015 geweckt wurden. Daran können auch einzelne Entscheidungen wie der Verzicht auf den Flughafenneubau in Notre-Dame-des-Landes bei Nantes nicht viel ändern.

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