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Monsterplanungen wider Willen

Der Bund legt sich auf den umstrittenen Weiterbau der Stadtautobahn A100 bis zur Storkower Straße fest

  • Patrick Volknant
  • Lesedauer: 4 Min.

Berlins Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) ist sauer. »Was das Bundesministerium hier plant, wirkt wie aus der Zeit gefallen«, sagt Jarasch zu den am Dienstag bekannt gewordenen Autobahn-Ambitionen des Bundesverkehrsministeriums in der Hauptstadt. Die Bundesregierung will demnach den umstrittenen Ausbau der A100 vom Treptower Park bis zur Storkower Straße nun doch weiterführen. Die Autobahn GmbH des Bundes soll laut einem Bericht der »Berliner Morgenpost« jetzt Planungsleistungen für diesen Abschnitt ausgeschrieben haben. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, Daniela Kluckert (FDP), äußert sich dort dazu auch euphorisch in einem Interview.

Für den rot-grün-roten Senat kommt das Vorpreschen aus dem Haus von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) einem Affront gleich. Denn im Koalitionsvertrag vom Dezember war festgelegt worden, den Ausbau des entsprechenden 17. Bauabschnittes der A100 in der laufenden Legislaturperiode nicht weiter zu verfolgen. Verhindern kann das die Fortführung des Projektes allerdings nicht. Die letztliche Entscheidungsgewalt über den Autobahnbau liegt bei der Bundesregierung. »Wir haben gerade alle Hände voll zu tun, den ÖPNV auszubauen und attraktiver zu machen«, sagt Senatorin Jarasch. »Und jetzt soll als Priorität eine Autobahn durch die Stadt geschlagen werden?«

Auch Werner Graf, Fraktionschef der Grünen im Abgeordnetenhaus, zeigt sich entsetzt: »Wie groß kann der Autobahn-Fetischismus eigentlich sein?« Graf spricht von einer »kompletten Fehlleistung«. »Herr Wissing sollte nicht den Scheuer geben und Verträge vorzeitig unterschreiben, denn wir werden alles geben, um den Ausbau der A100 zu verhindern«, so Graf in Anspielung auf das Mautdesaster von Wissings Amtsvorgänger Andreas Scheuer (CSU).

Die Berliner Linksfraktion fordert ebenfalls einen Stopp des Ausbaus und überhaupt eine Streichung des Projekts aus dem Bundesfernstraßengesetz. »Die Autobahn löst keine Verkehrsprobleme, sie schafft erst welche, da sie - wie jedes große Straßenbauprojekt - mehr Kraftverkehr erzeugen würde, als sie aufnehmen kann«, heißt es von der Linken. Den Steuerzahlenden sei der Weiterbau schlichtweg nicht zu vermitteln. Die Bundes-FDP breche durch ihren Vorstoß mit dem Koalitionsvertrag der Ampel, der eine erneute Evaluation des Projektes vorsehe: »Aus unserer Sicht ist es rechtlich fragwürdig, dass der Bund gegen den Willen und ohne Beteiligung eines Bundeslandes über dessen Grund und Boden verfügen darf.«

Auch der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Stephan Machulik, zeigt sich irritiert. »Ich habe heute mit Überraschung feststellen müssen, dass die Bundesregierung offenbar andere Pläne verfolgt als die Berliner Koalition«, sagt Machulik zu »nd«. Von der Realisierung des 17. Bauabschnitts habe er selbst erst aus der Presse erfahren. »Die Kommunikation mit der Bundesebene ist in der jetzigen Situation nicht gut abgestimmt«, sagt Machulik. »Unsere Koalitionspartner gucken jetzt ein bisschen komisch.« Er stehe nach wie vor zur ablehnenden Haltung von Rot-Grün-Rot in dieser Frage.

Gegnerinnen und Gegner des 17. Bauabschnittes warnen seit Langem vor zusätzlichem Lärm und giftigen Abgasen in Friedrichshain-Kreuzberg, Lichtenberg und schließlich Pankow. Die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Clara Hermann (Grüne), sagt dann auch zu den Plänen, sie könne »nur den Kopf schütteln«. Mehr entsiegelte und grüne Flächen seien eigentlich das Gebot der Stunde.

Der bauliche Aufwand des 17. Abschnitts ist enorm. So soll etwa ein doppelstöckiger Tunnel unterhalb des Ostkreuzes, der Neuen Bahnhofstraße und der Gürtelstraße verlaufen. Mehrere Gebäude müssten einem weiteren Ausbau der A100 dabei zum Opfer fallen.

Unterstützung finden die Ausbaupläne dagegen bei den Unternehmensverbänden Berlin-Brandenburg. »Dieses Projekt ist für den Wirtschaftsverkehr in Berlin von herausragender Bedeutung«, sagt Hauptgeschäftsführer Christian Amsinck. Mit dem 17. Bauabschnitt würde der östliche Teil Berlins besser angebunden, die Innenstadt wäre vom Durchgangsverkehr entlastet.

Auch die Landes-CDU, schon immer ein Fan des Weiterbaus, ist hellauf begeistert. So sei der Flughafen BER dank des Ausbaus leichter zu erreichen, sagt Oliver Friederici, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. »Es gibt damit viele Vorteile für die Menschen unserer Stadt.« Und: »Berlin ist nun mal Großstadt, nicht Bullerbü.« Wenig verwunderlich auch die Begeisterung bei den Parteifreunden von Verkehrsminister Wissing. »Die A100 ist eine echte Lebensader für Berlin«, heißt es von der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus auf Twitter.

Derzeit ist indes noch nicht einmal der 3,2 Kilometer lange 16. Abschnitt von Neukölln nach Treptow fertig. Das Land Berlin rechnet mit einem Abschluss der Arbeiten bis Ende 2024. Bereits im vergangenen Jahr stiegen die prognostizierten Kosten auf rund 700 Millionen Euro. Es handelt sich damit - auf den Kilometer gerechnet - um die teuerste Autobahnstrecke Deutschlands.

Offiziell ausgeschrieben war auch der weitere Ausbau der A100 bis zum Redaktionsschluss dieser Seite noch nicht. Die Autobahn GmbH bestätigte aber auf nd-Nachfrage, dass die Planungsmittel vom Bundesverkehrsministerium freigegeben wurden.

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