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Ukrainer privat beherbergen
Linke fordert 200 Euro staatliche Unterstützung pro Person und Monat
Um die Bereitschaft der Brandenburger, ukrainische Kriegsflüchtlinge aufzunehmen, zu erhalten, muss nach Ansicht der oppositionellen Linksfraktion von der Landesregierung ein Paket von 200 Millionen Euro geschnürt werden. Die Hälfte der Mittel sollte in ein Programm zur baulichen Sicherstellung der Unterbringung eingesetzt werden, sagte die Landtagsabgeordnete Andrea Johlige am Dienstag. Mit einer ähnlich hohen Summe sollten die Kommunen in dem Streben unterstützt werden, Flüchtlinge unterzubringen, zu versorgen und mit ihrer Integration zu beginnen.
Johlige verwies auf einen Landkreis, dessen Ausgaben allein für den öffentlichen Personennahverkehr durch die aktuell hohen Treibstoffkosten um 1,3 Millionen Euro angestiegen seien. Den Kommunen würde Geld auch deshalb fehlen, weil Flüchtlinge übergangsweise in kulturellen Einrichtungen unterkommen müssten. Dort könne das normale Geschäft nicht mehr stattfinden, was Einnahmeverluste bedeute. Tafeln, die Lebensmittel zu geringen Preisen an Bedürftige verteilen, erhalten der Abgeordneten zufolge aufgrund gestiegener Mehlpreise immer weniger Unterstützung. Auch deshalb bräuchte es einen rustikalen »Schutzschirm«, den das Land spannen müsse.
Johlige zeigte sich unzufrieden mit den Reaktionen der Landesregierung auf die Tatsache, dass derzeit 16 000 ukrainische Flüchtlinge nach Brandenburg gekommen seien und man mit bis zu 40 000 rechnen müsse. Vor diesem Hintergrund sei viel zu unkonkret, was dazu von der Regierung zu erfahren sei. Die Abgeordnete legte einen dreiseitigen Fragenkatalog an die Landesregierung vor, in dem es unter anderem um die Frage geht, in welchem Maße Menschen finanziell zu unterstützen seien, die Ukrainer privat bei sich wohnen lassen. Der Abgeordneten zufolge wären 200 Euro pro Person und Monat eine Summe, die zumindest die Mehrkosten decken würden. Es müsse einen »Anreiz für Privatquartiere« geben.
Da die Privatquartiere jedoch nicht ausreichen werden, steht für Johlige fest: »Wir werden um Notunterkünfte nicht herumkommen.« Man könnte Häuser in Modulbauweise so errichten, dass sie später für das altersgerechte Wohnen nutzbar seien.
»Wir werden die Kommunen mit dem Problem nicht im Stich lassen«, versprach SPD-Fraktionschef Daniel Keller. Er kündigte für die kommenden Tage Beschlüsse an. Allein Potsdam benötige 300 bis 400 Wohnungen, um die absehbare Zahl an Flüchtlingen unterzubringen. Das sei eine »große Herausforderung«. Dass der großflächige Abriss von Wohnungen nach der Wende mit Blick auf die heutige Wohnungsnot ein Fehler gewesen sei, wollte Keller nicht bestätigen. Den Abriss müsse man vor dem Hintergrund der damaligen Situation bewerten. Sehr viele Plattenbauten standen leer und auch heute noch gebe es in Brandenburg Regionen mit einem Wohnraumüberschuss. Als Beispiele nannte Daniel Keller Forst und Templin.
Es bestehe kein Zweifel, dass die Kommunen für die Erfüllung der zusätzlichen Aufgaben Unterstützung benötigen, sagte Grünen-Fraktionschefin Petra Budke. Hohe Kosten entstünden bei Unterkunft und Verpflegung der Flüchtlinge. In der Koalition seien »Beratungen geplant«. Noch bestehe für die minderjährigen Ukrainer keine unmittelbare Schulpflicht, so Budke. Sie dürfen aber zur Schule gehen. Nach Angaben von Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) sind bisher 138 ukrainische Kinder und Jugendliche an Schulen in Brandenburg aufgenommen worden. Ukrainische Lehrkräfte werden noch gesucht. 20 hat man bisher schon.
Das Potsdamer Sozialministerium veröffentlichte am Dienstag im Internet wichtige Hinweise für Bürger, die ukrainische Flüchtlinge bei sich aufnehmen. Dabei beantwortete das Ministerium häufig gestellte Fragen wie die, ob man als Mieter dafür das Einverständnis des Vermieters benötige. Die Antwort: In der Regel ja, aber es gebe zwei Ausnahmen. Familienangehörige dürfen ohne Erlaubnis des Vermieters einziehen und man darf Besucher ohne Genehmigung vorübergehend beherbergen. Sechs bis acht Wochen seien dafür die übliche Frist. Dann müsste man beim Vermieter eine Erlaubnis einholen, um keine Kündigung zu riskieren.
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