Strahlendes Abfall-Jubiläum

Vor 55 Jahren wurde der erste Atommüll im ehemaligen Salzbergwerk Asse eingelagert

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit einer Mahnwache in der Innenstadt von Wolfenbüttel wollen Umweltschützer am 4. April an die 55-jährige Geschichte des Atommülllagers Asse II erinnern. Zu der Kundgebung haben sie auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eingeladen, wie die Wolfenbütteler Atom-Ausstieg-Gruppe (WAAG) mitteilte. In das ehemalige Salzbergwerk Asse II nahe der Ortschaft Remlingen (Kreis Wolfenbüttel) waren am 4. April 1967 erstmals Fässer mit radioaktiven Abfällen gebracht worden. Und das, obwohl die Nachbarschächte Asse I und Asse III schon zuvor voll Wasser gelaufen und aufgegeben worden waren.

»Es besteht keinerlei Anlass zu Befürchtungen«, beruhigte dessen ungeachtet die »Wolfenbütteler Zeitung« an jenem 4. April 1967 ihre Leserschaft. Das Blatt zitierte zudem einen »Experten«, den für die Einlagerung zuständigen Ingenieur Egon Albrecht: »Wenn auch nur ein Funke von Wagnis oder Gefahr mit unserem Vorhaben für die Menschen dieser Landschaft verbunden wäre, würde ich ihm niemals meine Hand, meine Arbeit geboten haben«, sagte er.

Von 1967 bis 1978 wurden insgesamt rund 126 000 Behälter mit Atom- und Chemiemüll - darunter auch Plutonium und rund 500 Kilogramm hoch giftiges Arsen - in das Bergwerk Asse II eingelagert. Teilweise kippten große Radlader die Fässer einfach über die unterirdischen Abhänge. Zunächst gelang es, den eingelagerten Atommüll aus dem öffentlichen Bewusstsein herauszuhalten. Die Rede war hauptsächlich von »radioaktiven Abfällen aus Medizin und Forschung«. Doch in Wirklichkeit kamen mehr als 90 Prozent des radioaktiven Inventars aus der Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) des Atomforschungszentrums Karlsruhe, die von Atomkraftwerken mit gebrauchten Brennelementen beliefert wurde. Weniger als zwei Prozent der radioaktiven Stoffe in der Asse II stammen aus dem medizinischen Bereich.

Schnell zeigte sich, dass auch die Asse II seit Jahrzehnten instabil ist. Wasser dringt ein, täglich sind es zwischen 12 000 und 13 000 Liter. Es kommt auch in Kontakt mit dem Atommüll und muss oberirdisch entsorgt werden. Weil die ganze Grube instabil ist und vollzulaufen droht, sollen die Abfälle nach Möglichkeit geborgen und an die Oberfläche geholt werden; ob - und gegebenenfalls wann - das gelingt, ist offen. Der Betreiber, die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), hat bislang nur einen groben Zeitplan vorgelegt.

Die Einladung an Steinmeier biete sich an, weil der Bundespräsident am 5. April, also einen Tag später, ohnehin in Wolfenbüttel weile und am 450-jährigen Jubiläum der Herzog-August-Bibliothek teilnehmen wolle, sagt WAAG-Sprecherin Eleonore Bischoff. Die WAAG freue sich daher, »wenn Sie - und vielleicht auch Ihre Frau - einfach einen Tag früher anreisen würden«.

»Die Schachtanlage Asse II und die darin lagernden ca. 126 000 Fässer mit radioaktivem und chemotoxischen Müll sind zwar unser Ballast, aber nicht unser Müll«, betont Bischoff. »Beides ist Eigentum des Bundes - und Eigentum verpflichtet.«

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