- Politik
- Ukraine-Krieg
Mehr als 300 Leichen in Butscha
Aus dem Kiewer Vorort kommen immer mehr verstörende Details über den Massenmord
Die Zahl der in Butscha mutmaßlich von russischen Soldaten getöteten Zivilisten steigt. Nach dem Abzug von Moskaus Truppen aus dem Kiewer Vorort seien fast 340 Leichen geborgen worden, berichtet das ukrainische Medienportal »Nowoje Wremja« am Montagmorgen unter Berufung auf einen lokalen Bestattungsdienst. Tags zuvor lag die Zahl der Getöteten in der Stadt noch bei 280. Insgesamt wurden in den rückeroberten Orten um Kiew 410 Leichname gezählt, meldete die ukrainische Staatsanwaltschaft am Sonntag.
Ukrainische Medien rechnen mit dem Fund weiterer Toter: Dem Bestattungsdienst in Butscha seien mindestens 20 weitere Fundplätze von Leichen im Stadtgebiet bekannt, schreibt »Nowoje Wremja«. Viele Menschen seien provisorisch in Gemüsegärten und Hinterhöfen begraben worden. Es gebe keine endgültige Liste der Getöteten. Die Angaben sind nicht unabhängig überprüfbar.
Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann
Augenzeugen berichten über die gezielte Tötung ukrainischer Zivilisten in Butscha. In einem Interview des russischsprachigen polnischen Staatssenders Belsat schildert ein Anwohner der Stadt die Erschießung von acht Ukrainern. Russische Soldaten hätten zuvor überprüft, welcher der Einwohner in der Zeit zwischen 2014 und 2018 auf Seiten der ukrainischen Armee im Donbass gekämpft habe. Die russischen Soldaten hätten auch nach Tattoos gesucht - offenbar auf der Suche nach Anzeichen für eine Nazi-Zugehörigkeit der Männer. Die Tötungen seien durch Kopf- und Herzschüsse erfolgt.
Eine weitere Hinrichtung in Butscha beschreibt ein am Sonntag veröffentlichter Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, der sich auf Schilderungen von Augenzeugen stützt. Demnach sollen russische Soldaten Anfang März fünf Ukrainer in Butscha festgenommen, in die Knie gezwungen und einem von ihnen in den Hinterkopf geschossen haben. Das Schicksal der anderen Männer ist unbekannt. In einem Bericht der britischen BBC berichten andere Einwohner, russische Soldaten hätten bei ihrem Rückzug aus Butscha willkürlich auf ukrainische Zivilisten geschossen, die ihnen zufällig in den Weg kamen.
»So wird der russische Staat ab jetzt wahrgenommen werden«, kommentierte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videoansprache das Blutbad in Butscha. »Eure Kultur und eure Menschlichkeit sind zusammen mit den Ukrainern und Ukrainerinnen gestorben.« Das russische Verteidigungsministerium wies die Berichte aus Butscha am Sonntag als »Inszenierung« und »Provokation« zurück.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.