»Die Leugnung liegt auf der Hand«

Dresden: Bündnis erstattet Anzeige wegen »Bombenholocaust«-Transparent auf rechter Demonstration

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Als sich Neonazis im Februar 2021 am Hauptbahnhof von Dresden zu einem Aufzug anlässlich der Zerstörung der Stadt kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs sammelten, mussten sie ein Transparent mit dem Begriff »Bombenholocaust« wieder einrollen. Es dürfe »aus Gründen der Gefahrenabwehr« nicht gezeigt werden, erklärte damals die Polizei. Ein Jahr später, am 13. Februar 2022, liefen Anhänger der Partei »Die Rechte« erneut mit dem Banner durch Dresden – und die Polizei ließ sie gewähren. Nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft erklärte sie auf Twitter, man sehe »keine strafrechtliche Relevanz«. Der Vorfall sorgte für Empörung – und mündete jetzt in einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Dresden.

Erstattet haben diese das Bündnis gegen Antisemitismus in Ostsachsen und die Dresdner Anwältin Kati Lang, Mitherausgeberin des »Recht gegen rechts«-Reports. Die Initiatoren der Anzeige sind überzeugt, dass der Begriff den Straftatbestand der Volksverhetzung erfülle. Man wisse zudem, »welche emotionale Kränkung die Betroffenen der Shoa erfahren«, wenn Neonazis mit dem Begriff versuchten, den industriellen Völkermord an den europäischen Juden zu verharmlosen »und damit Täter-Opfer-Umkehr betreiben«, sagte Maren Düsberg, Sprecherin des Bündnisses.

Die Demonstration der Neonazis anlässlich des 13. Februar 1945, die zeitweise mit rund 8000 Teilnehmern das europaweit größte Ereignis der Szene war, bevor Blockaden von Antifaschisten den Zuspruch stark schrumpfen ließen, dient im Kern der Relativierung der NS-Kriegsverbrechen. Dafür wird zum einen mit exorbitant übertriebenen Opferzahlen für die alliierten Angriffe hantiert. Auf dem Transparent stand neben der Parole »Ihr nennt es Befreiung, wir nennen es Massenmord« die Zahl von 250 000 Opfern in Dresden, die zehnmal so hoch ist wie die von einer Historikerkommission festgestellte Opferzahl.

Zum anderen wird auch der Angriff auf Dresden als »Holocaust« bezeichnet und damit zum Völkermord an den Juden in Beziehung gesetzt. Juristin Kati Lang betont, es liege in diesem Kontext »auf der Hand«, dass mit dem Begriff eine »Verharmlosung, Relativierung und sogar Leugnung« des Holocaust betrieben werde. Die »Wortschöpfung« der Neonazis berühre die Würde der Opfer in einem »für die Gesellschaft unerträglichen Maß«.

Der Begriff sorgt seit Jahren für heftige politische Debatten und beschäftigte auch bereits die Justiz. Im Januar 2005 löste die kurz zuvor in den sächsischen Landtag eingezogene NPD einen Eklat im Parlament aus, als ihr Abgeordneter Jürgen Gansel vom »Bombenholocaust in Dresden« sprach, einen Zusammenhang der Luftangriffe auf die Stadt mit dem Machtantritt der Nazis oder dem Beginn des Zweiten Weltkriegs bestritt und den »politischen Kampf gegen die Schuldknechtschaft des deutschen Volkes« beschwor. NPD-Bundeschef Udo Voigt sprang den sächsischen Parteifreunden tags darauf bei und erklärte, der Begriff Holocaust treffe »auf die Vernichtung der Juden wie auch der Deutschen« zu. Eine daraufhin erstattete Anzeige blieb indes ohne Erfolg. Die Staatsanwaltschaft Hamburg leitete kein Verfahren ein. Ein Sprecher betonte, man habe den strafrechtlichen Aspekt geprüft, nicht den moralischen.

Das Ostsächsische Bündnis ist der Überzeugung, dass heute anders entschieden würde. »Die Rechtsprechung ist keine starre Linie«, sagte Lang. Sie verwies auf die Debatte über Davidsterne mit der Aufschrift »Ungeimpft«, die Gegner der Coronamaßnahmen verwenden. Auch um diese gab es Debatten unter Juristen; mehrere Bundesländer haben entschieden, dagegen juristisch vorzugehen. Das sollte auch für den Begriff »Bombenholocaust« gelten. Man wolle, erklärt das Bündnis, die Staatsanwaltschaft Dresden »zum Handeln bewegen«.

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