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  • Frankreich / Präsidentschaftswahlen

Macron fürchtet rechte Konkurrenz

Vorsprung für Frankreichs Präsidenten wird geringer

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 4 Min.
Präsident und Kandidat Emmanuel Macron spricht bei seiner ersten Wahlkampfveranstaltung in Nanterre bei Paris.
Präsident und Kandidat Emmanuel Macron spricht bei seiner ersten Wahlkampfveranstaltung in Nanterre bei Paris.

Selten gab es im Vorfeld einer französischen Präsidentschaftswahl so viele Unwägbarkeiten und Wendungen wie bei der, deren erster Wahlgang am kommenden Sonntag stattfindet. Von den insgesamt zwölf Kandidaten haben die elf, die die linke, rechte oder rechtsextreme Opposition repräsentieren, ihren Wahlkampf schon vor Monaten begonnen, während Amtsinhaber Emmanuel Macron mit seiner Erklärung, kandidieren zu wollen, fast bis zum Endtermin am 7. März gewartet hat.

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Doch in der Zwischenzeit hatte der russische Präsident Wladimir Putin den Krieg gegen die Ukraine begonnen, und statt im Inland Wahlkampf zu führen, versuchte Macron, auf internationaler Ebene zu vermitteln und die Schäden zu begrenzen. Dieses Engagement zahlte sich auch innenpolitisch aus: Bei Umfragen Mitte März erklärten drei von zehn Franzosen, ihm gleich im ersten Wahlgang ihre Stimme geben zu wollen. Die bestplatzierte Oppositionspolitikerin Marine Le Pen vom rechtsextremen Rassemblement National rangierte mit zwölf Prozentpunkten Abstand hinter ihm.

Doch in den folgenden drei Wochen schrumpfte Macrons Vorsprung um acht Prozentpunkte, während Marine Le Pen aufholte, so dass der Abstand bei der letzten Umfrage am 5. April nur noch 4,6 Punkte betrug. Nun rächte sich, dass Macron wohl von seinem Sieg so überzeugt war, dass er bis auf ein Wahlvideo fürs Fernsehen und ein einziges Meeting am vergangenen Samstag in Paris keinen Wahlkampf betrieb. Seine elf Gegenspieler hat besonders geärgert, dass Macron zu keiner Debatte mit ihnen bereit war. In seinem einzigen Meeting eine Woche vor dem ersten Wahlgang versuchte Macron nicht nur, die viel kritisierte Bilanz seiner Amtszeit zu verteidigen, sondern ging auch ungewöhnlich selbstkritisch auf Unzulänglichkeiten und Ungerechtigkeiten ein. Damit reagierte er, wie zu hören war, auf Hinweise aus seinem engen Umfeld von Freunden und Beratern, wonach das drei Wochen zuvor veröffentlichte Wahlprogramm rechtslastig sei und durch Gesten nach links relativiert werden müsse. Er machte aber auch keinen Hehl daraus, dass er an seinem Kurs der Reformen festhalten werde, allen voran an der Rentenreform.

Macrons Verluste bei den Umfragen resultieren wohl vor allem daraus, dass der Krieg in der Ukraine in der Endphase des Wahlkampfs in den Hintergrund geraten und vorübergehend durch aktuelle innenpolitische Themen verdrängt wurde. Breiten Raum nimmt der durch eine Untersuchungskommission des Senats aufgedeckte Skandal um Beratungsunternehmen ein. Diese werden demnach seit Jahren durch Regierungsbehörden mit Studien und Projekten beauftragt, die eigentlich zum Ressort der öffentlichen Institutionen gehören; allein im vergangenen Jahr kostete das eine Milliarde Euro aus Steuermitteln. Die rechte Opposition, die im Senat die Mehrheit stellt und den Untersuchungsbericht politisch instrumentalisiert, wirft Macron mit demonstrativer Empörung vor, privaten Unternehmen »Milliarden zuzuschanzen« und sie »mitregieren« zu lassen, während linke Politiker vor einer fortschreitenden Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen warnen.

Demgegenüber sind Themen wie innere Sicherheit und Einwanderung, die noch vor Monaten Schwerpunkte waren, in der Liste der wichtigsten Probleme der Franzosen weiter nach unten gerückt. Das erklärt sicher auch, warum der ultrarechte Kandidat Eric Zemmour, der hemmungslos gegen Ausländer und vor allem Muslime hetzt und die Gefahr des Untergangs der französischen Zivilisation an die Wand malt, weniger als befürchtet zum Zuge kommt. Er rangiert in den Umfragen mit etwa acht Prozent auf einer Stufe mit Valérie Pécresse, der Kandidatin der rechten Republikaner, die Opfer der anhaltenden Krise ihrer Partei ist.

Noch trüber sieht es auf dem linken Flügel des politischen Spektrums aus, mit der anderen ehemaligen Regierungspartei, den Sozialisten. Ihre Kandidatin, die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo, rangiert mit nur zwei Prozent Wählerzuspruch fast am Ende der Kandidatenliste.

Jean-Luc Mélenchon von der Bewegung La France insoumise hat einen beachtlich dynamischen Wahlkampf geführt, doch mit bisher 15 Prozent wird er wohl wieder auf dem undankbaren dritten Platz landen und damit erneut knapp das Ziel verfehlen, sich für das Duell im zweiten Wahlgang am 24. April zu qualifizieren.

Die Masse der Franzosen überzeugend anzusprechen, ist der rechtsradikalen Kandidatin Marine Le Pen besser gelungen. Sie hat sich populistisch ganz auf das dringendste Problem der Franzosen eingestellt: die schwindende Kaufkraft der Löhne durch Spekulation und Inflation sowie durch kriegsbedingt steigende Energie- und Nahrungsmittelpreise. Für den Fall ihrer Wahl zur Präsidentin hat sie in gewohnt demagogischer Manier schnelle Abhilfe versprochen.

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