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Mietobergrenze bei Abriss auf Abruf

Charlottenburg-Wilmersdorf hat Durchsetzung der Zweckentfremdungsregel ausgesetzt

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf macht seinem Image als Abriss-Eldorado leider erneut alle Ehre«, kritisiert Niklas Schenker. Es geht dem Mietenexperten der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus um die Umsetzung eines Teils des Berliner Zweckentfremdungsverbotsgesetzes, bei der der Bezirk aus der Reihe tanzt – nämlich um die Verpflichtung zur Schaffung von Ersatzwohnraum »zu angemessenen Bedingungen« und »grundsätzlich in räumlicher Nähe zu dem zweckentfremdeten Wohnraum oder zumindest in demselben Bezirk«, wenn Bestands-Mietwohnungen abgerissen werden, wie es im Gesetz heißt.

»Die Forderung/Durchsetzung zur Eintragung ins Grundbuch oder die Widerspruchsbearbeitung zu diesem Punkt ist wegen eines Musterprozesses ausgesetzt«, antwortet Charlottenburg-Wilmersdorf auf eine noch nicht veröffentlichte Anfrage des Linke-Politikers zur Anwendung der Regelung durch die Bezirke und die Stadtentwicklungsverwaltung.

Seit Jahren hängt dieser Teil des Gesetzes juristisch in der Schwebe. In der dazugehörigen Verordnung wurde die Angemessenheit zunächst mit einer Nettokaltmiete von 7,92 Euro pro Quadratmeter konkretisiert; Ende März hat die Stadtentwicklungsverwaltung den Wert aufgrund der allgemeinen Lohn- und Preisentwicklung auf 9,17 Euro erhöht.
»Die Mietobergrenze für Ersatzwohnraum im Zweckentfremdungsverbot ist wichtig, um die renditegetriebene Wohnraumvernichtung möglichst unattraktiv zu machen«, sagt Schenker zu »nd«.

Doch die Gerichtsfestigkeit muss sich noch erweisen. Die 6. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts verpflichtete 2019 in einem Urteil (Az VG 6 K 452.18) den Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, den Abriss eines Hauses zu genehmigen, ohne auf die Mietobergrenze zu bestehen. Inzwischen ist das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg angekommen, doch wann ein Urteil zu erwarten ist, weiß auch die Stadtentwicklungsverwaltung nicht. Dem Senat lägen »keine Terminankündigungen« vor, heißt es in der Antwort auf die Schriftliche Anfrage von Schenker.

Trotz der juristischen Unsicherheit wenden die Bezirke das Gesetz weiterhin an. »Eine Nichtanwendung der Mietobergrenze würde dem Vorrang des Gesetzes widersprechen. Denn die Regelung wurde vom Oberverwaltungsgericht noch nicht rechtskräftig für ungültig erklärt«, teilt beispielsweise Mitte in der Antwort mit. Selbst Steglitz-Zehlendorf, wo die Zuständigen offenbar nicht an den Bestand der Regelung glauben, schreibt: »Die Bezirke selbst haben keine eigene Verwerfungskompetenz dieser mutmaßlich rechtswidrigen Vorschrift.« Sie wird also angewendet. Zuletzt im Dezember 2021 hatte die Stadtentwicklungsverwaltung die Bezirke in einem Rundschreiben darauf hingewiesen, dass die Regelung weiter anzuwenden ist.

»Ich erwarte, dass die Mietobergrenze für Ersatzwohnraum bis zu einer finalen Gerichtsentscheidung weiter angewandt wird. Auch in Charlottenburg-Wilmersdorf«, sagt Niklas Schenker. Durch seine eigenwillige Aussetzung der gesetzlichen Vorgaben heize der zuständige Stadtrat Arne Herz (CDU) das Abrissgeschehen weiter an. Zumal erst kürzlich eine Anfrage ergeben hatte, »dass der Bezirk bisher nicht in einem einzigen Fall mietpreisgebundenen Ersatzwohnraum bei Abriss von Wohnungen realisiert hat« – trotz Hunderter Abrisse in den letzten Jahren.

»Angesichts von Wohnungsmangel und Klimanotstand brauchen wir bei Abrissen einen generellen Kurswechsel. Wir setzen uns als Linke für einen Abrissstopp für Berlin ein«, erklärt Schenker.

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