Weder deutsche Aufrüstung noch Putin

Die Friedensbewegung kündigt Ostermärsche in rund 120 Städten an. Sie fordert einen Waffenstillstand in Osteuropa und das Ende der Hochrüstung

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Krieg gegen die Ukraine, die von Kanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigte massive Aufrüstung der Bundeswehr sowie der Klimaschutz sind die zentralen Themen der diesjährigen Ostermärsche. Bis zum Ostermontag gibt es in Deutschland rund 120 Aktionen. Das in Bonn ansässige Netzwerk Friedenskooperative listet im Internet Demonstrationen und Kundgebungen, Mahnwachen und Friedensgebete auf. In vielen Städten, so in Stuttgart, Osnabrück und Frankfurt am Main, will die Friedensbewegung überdies mit Fahrradkorsos für ihre Anliegen werben.

Mit Ostermärschen in Erfurt und Freiburg im Breisgau sowie einer Mahnwache in Schweinfurt starten die ersten Osteraktionen bereits am Donnerstag. Viele Aufrufe kritisieren den Überfall der russischen Truppen auf das Nachbarland und die mutmaßlich von ihnen begangenen Kriegsverbrechen. Gefordert werden ein sofortiger Waffenstillstand und langfristig Frieden für die Menschen in der Ukraine.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Massive Kritik üben die Ostermarschierer gleichzeitig an den deutschen Aufrüstungsplänen. »Die Entscheidung, den Verteidigungshaushalt dauerhaft auf über zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes anzuheben und zusätzlich ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für Aufrüstung einzurichten, ist ein sicherheitspolitischer Schnellschuss, der noch nicht einmal in der Regierungskoalition abgesprochen war«, erklärt dazu das Netzwerk Friedenskooperative. Insbesondere die Anschaffung neuer Atombomber vom Typ F-35 lehnt die Friedensbewegung ab.

Wie in den vergangenen Jahren führen mehrere Ostermärsche direkt zu militärischen Standorten. In Jagel im Norden Schleswig-Holsteins wollen die Demonstranten am Karfreitag zum dortigen »Tornado- und Drohnenstandort« ziehen. Vor dem Fliegerhorst, von dem die Kampfflugzeuge aufsteigen, ist später auch die Abschlusskundgebung geplant.
»Eskalationsspirale durchbrechen – Atom- und Hochrüstung stoppen – Klima schützen«, heißt es in mehreren Ostermarschaufrufen. Auch der traditionelle Ostermarsch Rhein-Ruhr, der am 16. April in Duisburg startet und am 18. April in Dortmund endet, steht unter diesem Motto.

Dass die militärische und die sogenannte »zivile« Nutzung der Atomenergie zwei Seiten derselben nuklearen Medaille sind, stellen mehrere Initiativen aus der Anti-AKW- und Friedensbewegung in Nordrhein-Westfalen heraus. Für Karfreitag rufen sie zu Kundgebungen vor der Urananreicherungsanlage Gronau und vor der Ultrazentrifugenfirma ETC in Jülich auf.

In den Brennstäben mehrerer ukrainischer Atomkraftwerke, die teilweise von russischen Truppen besetzt waren, befindet sich in Gronau angereichertes Uran. Die Urananreicherung sei ein »Schlüssel zur Atombombe«, heißt es hier im Aufruf. Deutschland sichere sich mit dem Betrieb der Gronauer Fabrik und von ETC in Jülich den »Status einer stillen Atommacht«.

Die Kampagne »Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt« erinnert zu Ostern an den 65. Jahrestag des »Göttinger Manifests«. Am 12. April 1957 hatten sich 18 Atomwissenschaftler gegen die geplante atomare Bewaffnung der Bundeswehr ausgesprochen. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) hatte zuvor die taktischen Atomwaffen als »besondere normale Waffen« verharmlost.

Die Göttinger Wissenschaftler, unter ihnen Werner Heisenberg, Otto Hahn und Carl Friedrich Freiherr von Weizsäcker, widersprachen ausdrücklich und forderten die Bundesrepublik zum Atomwaffenverzicht auf. In der Erklärung hieß es: »Taktische Atomwaffen haben die zerstörende Wirkung normaler Atombomben. (…) Für ein kleines Land wie die Bundesrepublik glauben wir, dass es sich heute noch am besten schützt und den Weltfrieden noch am ehesten fördert, wenn es ausdrücklich und freiwillig auf den Besitz von Atomwaffen jeder Art verzichtet. Jedenfalls wäre keiner der Unterzeichnenden bereit, sich an der Herstellung, der Erprobung oder dem Einsatz von Atomwaffen in irgendeiner Weise zu beteiligen.«

Das »Göttinger Manifest« fand große – auch internationale – Beachtung und war einer der Auslöser für die bundesweite »Kampf dem Atomtod«-Kampagne, die als Vorgängerin der Ostermarschbewegung gesehen werden kann. Im Frühjahr 1958 kam es zu Massenkundgebungen mit insgesamt etwa 1,5 Millionen Teilnehmenden. Aus Sicht der Kampagne »Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt« ist das »Göttinger Manifest« angesichts des Ukraine-Krieges »heute so akut wie lange nicht mehr«. Die Atombomben aus Büchel, die im Ernstfall von der Bundeswehr eingesetzt werden sollen, müssten bedingungslos abgezogen, die nukleare Teilhabe in der Nato aufgekündigt, die geplante Anschaffung der F-35 verhindert werden.

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