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Putins Pate
Der ukrainische Geheimdienst nimmt Wiktor Medwedtschuk fest
Er trägt Handschellen, die Haare fallen ihm strähnig und zersaust in die Stirn, sein Blick geht ausdruckslos an der Kamera vorbei: Die beiden Fotos, welche der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU am Dienstagabend veröffentlichte, zeigen Wiktor Medwedtschuk als gedemütigten Menschen. Und doch empfanden viele Ukrainer beim Anblick des festgenommen 67-Jährigen tiefe Genugtuung. Eine Welle sarkastischer und hämischer Fotomontagen schwappte durch die sozialen Netzwerke, ukrainische Nachrichtenseiten veröffentlichten Artikel mit den kreativsten Memes.
Der Grund für die Schadenfreude: Der Oligarch gilt als Putins engster Verbündeter in der Ukraine. Medwedtschuk leitete die prorussische Partei Oppositionsplattform, kontrollierte russischsprachige Fernsehsender und vertrat stets die Kremllinie. 2014 wurde der in Moskau und Kiew bestens vernetzte Politiker auf Vorschlag von Bundeskanzlerin Angela Merkel in die ukrainische Delegation bei den Vermittlungsgesprächen der Trilateralen Kontaktgruppe in Minsk berufen. Ein Schritt, der nicht jedem gefiel: Medwedtschuk ist auch persönlich eng mit dem russischen Präsidenten verbunden – Putin ist Patenonkel einer von Medwedtschuks Töchtern.
Der dubiose Ruf des 1954 in Sibirien geborenen Juristen hängt auch mit seiner Rolle als Pflichtverteidiger in Prozessen gegen Bürgerrechtler zu Sowjetzeiten zusammen. Dabei fiel Medwedtschuk vor allem durch fehlendes Engagement auf. Sein Klient habe eine Strafe verdient, erklärte er etwa im Verfahren gegen den regimekritischen Dichter Wasyl Stus. Der Poet starb 1985 unter ungeklärten Umständen im berüchtigten Straflager Perm-36.
Im Mai 2021 wurde Medwedtschuk unter dem Vorwurf des Hochverrats unter Hausarrest gestellt, aus welchem er zu Beginn des Ukraine-Krieges verschwand. Wolodymyr Selenskyj schlug nun vor, den Aufgegriffenen gegen Ukrainer in russischer Kriegsgefangenschaft auszutauschen.
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