Atomkraftgegner wittern Spiel auf Zeit

In Niedersachsen geht der Ausbau des Schachtes Konrad munter weiter. Das Ministerium prüft und prüft

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 4 Min.

Knapp ein Jahr ist es her, dass Umweltverbände und Bürgerinitiativen beim niedersächsischen Umweltministerium beantragten, die Baugenehmigung für das umstrittene Atommüllendlager Schacht Konrad in Salzgitter aufzuheben. Dieser im Behördendeutsch so genannte Planfeststellungsbeschluss war vor 20 Jahren ergangen. Die Antragsteller*innen begründeten ihre Initiative damit, dass der Bau von Schacht Konrad aufgrund veralteter Planungen und längst nicht mehr nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erfolge. Und dass seit Beginn des Baus 60 Änderungsgenehmigungen ohne Öffentlichkeitsbeteiligung erteilt wurden.

Schacht Konrad ist ein früheres Eisenerzbergwerk. Die nach dem früheren deutsch-nationalen Reichstagsabgeordneten und Aufsichtsratsvorsitzenden der Salzgitter AG, Konrad Ende, benannte Grube war nur zwölf Jahre in Betrieb, bevor sie 1976 wieder geschlossen wurde. Der Erzabbau lohnte sich nicht mehr. In den Folgejahren ließ der Bund die Schachtanlage auf ihre Eignung als Endlager für schwach- und mittelradioaktiven Atommüll untersuchen, 1982 startete das Genehmigungsverfahren. Mehr als 70 Behörden und Naturschutzverbände wurden um Stellungnahmen gebeten, rund 290 000 Bürger*innen erhoben Einwände. Der Erörterungstermin endete im März 1993 nach sieben Monaten und 75 Verhandlungstagen, im Mai 2002 erteilte das Land die Genehmigung. Klagen von Kommunen, Kirchen und Privatpersonen scheiterten. Seit 2007 lässt der Bund das Bergwerk umrüsten.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Als er den Antrag der Atomkraftgegner*innen entgegennahm, sagte Landesumweltminister Olaf Lies (SPD) eine sorgfältige Prüfung des Begehrens zu. In den folgenden Monaten versicherte das Ministerium immer wieder, dass der Antrag auf Rücknahme des Planfeststellungsbeschlusses sorgfältig geprüft werde - und dass diese Prüfung einige Zeit dauern könne. Gründlichkeit gehe eben vor Schnelligkeit. Während die Ministeriumsfachleute also prüfen und prüfen, geht der Ausbau des Schachtes zur Atommüllkippe durch die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) munter weiter.

So würden »nicht revidierbare Fakten geschaffen«, bemängelt die Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad, unter deren Dach Bürgerinitiativen, Kommunen, Gewerkschaften und das Landvolk zusammenarbeiten. Zudem verschlingt der Ausbau viel Geld: Bis zur von der BGE für 2027 anvisierten Inbetriebnahme seien weitere Investitionen von derzeit knapp zwei Milliarden Euro geplant, also in jedem Jahr mehrere Hundert Millionen, rechnen Atomkraftgegner*innen vor. Die gesamten Baukosten sind von ursprünglich kalkulierten 900 Millionen auf derzeit knapp 4,5 Milliarden Euro gestiegen.

»Hier wird offenkundig auf Zeit gespielt«, ist sich die Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad sicher: »Wenn dann das Atommülllager 2027 plötzlich fertiggestellt wäre - wer glaubt dann noch ernsthaft, dass es dann gleich wieder zugeschüttet würde? So kann sich die gründliche Prüfung als grobes Foulspiel erweisen, um ein 50 Jahre altes, völlig überholtes Lagerkonzept überhaupt noch durchziehen zu können.«

Die Arbeitsgemeinschaft fordert deshalb nun einen sofortigen Baustopp: »Alles andere zementiert den Eindruck, dass die gründliche Prüfung nur dem Zweck dient, unumkehrbare Fakten zu schaffen«, so Edgar Vögel, einer der Sprecher des Dachverbandes der örtlichen Konrad-Kritiker. Aus Sicht von Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) gebietet allein die Verpflichtung zu sparsamer Haushaltsführung einen Baustopp für Schacht Konrad.

Und Mattias Wilhelm von der IG Metall in Salzgitter sagt, es ergebe überhaupt keinen Sinn, jetzt Milliarden in den Schacht zu verbauen, ohne zu wissen, ob das Endlagerprojekt sicher ist. Die Mittel für die Entsorgung der radioaktiven Abfälle seien begrenzt. Derzeit werde der Umbau von Schacht Konrad vom öffentlich-rechtlichen Entsorgungsfonds finanziert, in den die Atomkraftwerksbetreiber Geld einbezahlt hätten: »Wenn das Geld alle ist, müssen wir als Steuerzahlerinnen und Steuerzahler alle weiteren Kosten tragen. Deshalb darf nicht einfach munter weitergebaut und letztlich unser aller Geld in Konrad verbrannt werden.«

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Die in der Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen Gruppen und Organisationen wollen es indes nicht bei verbalem Protest belassen. Für den 22. Mai, den 20. Jahrestag des Planfeststellungsbeschlusses, haben sie einen Sternmarsch und eine Sternfahrt aus der Region mit anschließender Umzingelung des Schachtgeländes angekündigt. Die Strecke um das eingezäunte Areal misst genau 1242 Meter.

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