Finanzhilfe lässt auf sich warten

Sri Lanka setzt in schlimmster Krise seit der Unabhängigkeit auf den IWF. Die Situation im Inselstaat wird immer schwieriger

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.

Diverse Grundnahrungsmittel, Milch und Milchpulver, Medikamente, Treibstoff - es gibt so gut wie nichts, was in Sri Lanka inzwischen nicht zur Mangelware oder für die meisten nahezu unbezahlbar geworden ist. Entsprechend groß ist die Verzweiflung, die die Menschen in immer größeren Scharen zu spontanen Protestaktionen auf die Straßen treibt.

Als bei einer regierungskritischen Ansammlung in der Kleinstadt Rambukkana rund 100 Kilometer östlich von Colombo am Dienstag eine wichtige Verbindungsstrecke zwischen der Hauptstadt und dem zentral gelegenen Kandy blockiert wurde, kam es zum ersten Todesfall, als Polizisten mit scharfer Munition in die Menge schossen. 16 Protestierende sowie acht Sicherheitskräfte sollen bei der Eskalation der Auseinandersetzungen verletzt worden sein. Längst wird nicht mehr nur in Colombo, besonders vor der Residenz von Staatspräsident Gotabaya Rajapaksa demonstriert, dessen Rücktritt vehement gefordert wird. Landesweit häufen sich die Proteste, von der Polizei mühsam im Zaum gehalten, auf beiden Seiten liegen die Nerven blank.

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Der Staat hatte vor wenigen Tagen mitgeteilt, seinen internationalen Zahlungsverpflichtungen vorerst nicht mehr nachkommen zu können. Sri Lanka hat 51 Milliarden Dollar an Auslandsschulden, verfügt aber angesichts der stark gestiegenen Importpreise für Energie und Lebensmittel kaum noch über ausländische Devisen. Zu Wochenbeginn war Sri Lankas neuer Finanzminister Ali Sabry nach Washington gereist, um beim Internationalen Währungsfonds (IWF) einen Kredit aus dessen Nothilfeprogramm zu beantragen. Obgleich der südasiatische Inselstaat mit rund 22 Millionen Einwohner*innen nicht alle Formalien erfülle, prüfe der IWF das Ansinnen, wurde einen Tag nach dem Treffen mit Direktorin Kristalina Georgieva bekannt gegeben. Auch Indien hatte sich für den kleinen Nachbarn im Süden mit Fürsprache ins Zeug gelegt.

Die Hoffnung in Colombo, dass Sabry zumindest eine prinzipielle Zusage bei anschließender Prüfung von Details erhalten werde, zerplatzte allerdings wie eine Seifenblase. Der IWF forderte die Regierung auf, zunächst die Auslandsschulden umzustrukturieren, bevor ein Hilfsprogramm des Fonds abgeschlossen werden könne. Das Land müsse Schritte unternehmen, um die Tragfähigkeit seiner Schulden wiederherzustellen.

Eine Entscheidung wird also noch viele Tage auf sich warten lassen - in denen die Situation im Land unhaltbar wird.

Gerade Indien steht bereit, in Zusammenarbeit mit dem IWF und anderen Partnern ein umfassenderes Nothilfepaket zu schnüren. Die Rede ist von rund drei Milliarden US-Dollar Gesamtumfang, wovon wenigstens gut ein Drittel von den internationalen Finanzinstitutionen erhofft wird.

Gemessen an den Problemen Sri Lankas, mutet selbst diese Summe gering an. Eigentlich wären allein dieses Jahr insgesamt 6,9 Milliarden Dollar für den Schuldendienst fällig; eine kleinere Teilsumme davon war im ersten Quartal noch bezahlt worden, bevor die Devisenreserven endgültig zur Neige gingen. Mittlerweile haben Regierungsvertreter sogar die im Ausland arbeitenden Landsleute aufgefordert, einen größeren Teil ihrer Einnahmen in Banken daheim anzulegen.

Das hilft aber ebenso wenig, die Lücken zu füllen, wie Treibstofflieferungen aus Indien in den zurückliegenden Wochen. An den wenigen Tankstellen, an denen es noch Benzin und Diesel gibt, werden die Schlangen immer länger; die Abnahmemenge ist pro Autofahrer auf maximal 19,5 Liter rationiert, noch weniger für Mopeds oder Autorikschas. Der größte Anbieter hat diese Woche die Preise um 65 Prozent erhöht. Mehrere Menschen kamen bereits bei Streitigkeiten in den dicht gedrängten Warteschlangen an Tankstellen ums Leben.

In gleicher Weise hat sich die Lage in den Krankenhäusern zugespitzt. Die meisten Operationen wurden schon Ende März eingestellt. Inzwischen sind in den meisten Kliniken die Medikamentenbestände nahezu auf null gefallen, hieß es zuletzt bei Alarmrufen von Ärzt*innen und Pflegekräften, die selbst bei akuten Notfällen kaum mehr Material zur Hand haben.

Präsident Rajapaksa scheint weiter gewillt, die Krise auszusitzen. Er hatte nach den ersten größeren Protesten Ende März das gesamte Kabinett ausgewechselt. Lediglich sein älterer Bruder Mahinda, früher selbst Präsident, blieb als Premierminister im Amt. Dass im Zuge der Umsortierung und Verkleinerung der Regierung auch mehrere seiner Familienmitglieder ihre Posten räumen mussten, konnte die Wut über den politisch dominierenden Clan nicht wirklich mildern. Koalitionspartner und etliche eigene Abgeordnete haben sich von den Rajapaksas abgewandt. Die Opposition wiederum weigert sich, in eine Regierung der Nationalen Einheit einzutreten, die der Präsident angeregt hatte - selbstverständlich unter seiner Führung.

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