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Schädlich für Gehirn und Geist

Wer stundenlang Nachrichten über Krieg und Krisen konsumiert, tut seiner Gesundheit keinen Gefallen, meint Diane Hielscher

  • Diane Hielscher
  • Lesedauer: 4 Min.

Bilder von Leichen in den Straßen von Butscha in der Ukraine, weinende Mütter mit Kleinkindern in den Armen, Stürme, Überschwemmungen, Lockdown, Waldbrände, Dürren, Hunger, brennende Atommeiler - die Realität der Gegenwart ist grausam. Manche Menschen werden deswegen zynisch oder bekommen Magenschmerzen vor Angst, andere schlafen schlecht. Wir leiden unter Hoffnungslosigkeit, Sorgen und Panik oder versuchen, uns von all dem abzuschotten. All das ist das Gegenteil von Achtsamkeit.

Denn anders als viele denken, bedeutet Achtsamkeit nicht, sich im Zimmer einzuschließen, zu meditieren und sich von der Welt abzuschotten. Achtsamkeit ist nicht egozentrisch, egoistisch und weltfremd, sondern genau das Gegenteil: Es bedeutet, sich im gegenwärtigen Moment seiner Gefühle bewusst zu sein, sie wahrzunehmen, nicht zu bewerten und dadurch Leiden zu vermindern. Zumindest langfristig. Kurzfristig ist dieser Vorgang erst mal anstrengender, als sich abends vor lauter Frust zwei Flaschen Wein reinzustellen oder shoppen zu gehen.

Diane Hielscher

Diane Hielscher moderiert zusammen mit Main Huong Nguyen den Podcast "Achtsam" bei Deutschlandfunk Nova.

Am 2. Mai kommt ihr Buch "Liebe neu denken - dem Geheimnis glücklicher Beziehungen auf der Spur" raus, in dem es darum geht, wie wir mit dem Wissen aus Neurologie, Philosophie, Psychologie und ganz viel Spaß die Beziehung(en) gestalten, die uns wirklich gut tun.

Achtsamkeit ist übrigens auch kein heißer Trend oder etwas für Influencer auf Instagram. Achtsamkeit heißt lediglich, nicht Opfer der Umstände zu sein, sich weder von den eigenen Gefühlen noch anderen Menschen oder Ereignissen herumschubsen zu lassen. Und das ist keine Realitätsflucht, sondern eine mutige Art, sich der Realität zu stellen.

Jeder Mensch, der schon mal meditiert hat weiß, wie anstrengend das ist. Da kommen Ängste hoch, Gedanken, Sorgen, Minderwertigkeitsgefühle, Wut, Langeweile oder Verzweiflung. Der Trick ist, es geschehen zu lassen. Jedes Gefühl, jede Angst, alles hat einen Anfang und ein Ende. So banal das klingt, so komplex ist es. Denn der Normalfall ist, sich mit seinen Gefühlen zu identifizieren: »Ich habe Angst vor dem Krieg, ich BIN voll Angst!« Und daher kommen dann der schlechte Schlaf, die Verspannungen, die Rückenschmerzen.

Wenn wir achtsam mit unseren Gefühlen umgehen und uns nicht mit ihnen gemein machen, können wir sagen: »Ich fühle im Moment Angst.« Aus dieser Sicht wissen wir: »… und irgendwann wird diese Angst auch wieder schwächer werden und irgendwann ganz verschwinden.« Es ist absolut menschlich, dass die Sorgen und die negativen Gedanken da sind und nichts, wofür wir uns verurteilen müssen. Wir sind Menschen, wir haben Gefühle. Aber: Wenn wir wissen, dass diese Gefühle auch wieder gehen und wir nicht unsere Gefühle SIND, können wir sie wieder los lassen und selbstbestimmt leben.

Das mag alles sehr abstrakt klingen für Menschen, die sich noch nie damit beschäftigt haben, aber zahlreiche Studien zeigen, dass all das durch Meditation besser möglich ist - weil sie zum Schrumpfen unserer Amygdala beiträgt. Die Amygdala ist Teil unseres limbischen Systems im Gehirn und für die Verarbeitung von Gefühlen, vor allem für Angst, zuständig. Wir können also durch Meditation die Form unseres Gehirns physisch beeinflussen und damit die Angst verringern.

Außerdem liegt es an uns, mit welchem Input wir unser Gehirn täglich wie lange füttern: Doom scrolling zum Beispiel, also unbewusstes Scrollen durch Social Media, macht krank. Man braucht auch kein Psychologiestudium, um zu wissen, dass es schädlich für Gehirn und Geist ist, sich stundenlang mit Horrornachrichten, Apokalypse, Tod und Horror zu füttern. Trotzdem tun wir es und glauben, auf diese Weise Anteil an der Welt zu nehmen. Stattdessen könnten wir unseren Medienkonsum bewusster gestalten, damit wir weder depressiv noch uninformiert sind. Ich sage nicht, dass wir uns nicht informieren sollen, im Gegenteil! Wir alle sind Teil dieser Gesellschaft und dieser Welt - wir sollten sie aktiv gestalten. Aber wenn wir Panikattacken bekommen, weil wir wieder stundenlang Horrornachrichten konsumiert haben, ist das Energieproblem auch nicht gelöst, den Menschen in der Ukraine nicht geholfen und immer noch zu viel Plastik im Meer.

Nur wenn wir selbst die Verantwortung für unsere Gefühle, unsere geistige Gesundheit, unser Denken und unser Handeln übernehmen, können wir nicht nur selbst besser mit Krisen umgehen, sondern die Welt, in der wir leben, auch aktiv und in vollem Bewusstsein gestalten. Ohne Bandscheibenvorfälle, Panikattacken, Ess- oder Schlafstörungen.

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