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Ein Leuchtturm aus Holz
Hohe Baukosten gefährden ökologische Pläne bei Tegel-Nachnutzung
Wie steht es um Schumacher-Quartier und Urban Tech Republic (UTR), die Vorhaben für Wohnen, Arbeiten und Wissenschaft auf den Flächen des ehemaligen Flughafens Tegel? Dieser Frage widmet sich am Montag der Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses in einer Anhörung. Mit bis zu 9000 Wohnungen, 20 000 Arbeitsplätzen und 2500 Studierenden ist die Nachnutzung des Airports nicht nur für Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) »eines der großen Zukunftsprojekte Berlins«.
Auf insgesamt 18 Bebauungspläne ist das Areal aufgeteilt worden, zwei davon im Wissenschafts- und Gewerbepark UTR sind bereits seit Dezember 2021 rechtskräftig, darunter jener für das ikonische sechseckige Hauptterminal des ehemaligen Flughafens, in den die Hochschule für Technik von ihrem derzeitigen Weddinger Standort ziehen soll. Vier weitere B-Pläne stehen kurz vor der Veröffentlichung und Beteiligungsphase, darunter auch zwei für das Schumacher-Quartier, auf dem rund 5000 Wohnungen entstehen sollen. Einerseits für dessen ersten Wohnbauabschnitt, andererseits für den dortigen Bildungscampus mit Kindertagesstätte, Grundschule, Sekundarschule und Jugendfreizeiteinrichtung.
»Kostengünstig, klimagerecht und schnell« solle dort gebaut werden, erklärt Gudrun Sack, Geschäftsführerin der Tegel Projekt GmbH. Das soll in Holzmodulbauweise geschehen. Betriebe im 300-Kilometer-Umkreis um Berlin seien dafür kartiert worden. Das Ziel: Sie sollen sich als Firmenverbund auf dem UTR-Gelände ansiedeln, um dort die großen Tafeln zu montieren, aus denen dann die geplanten vier- bis sechsgeschossigen Holz-Wohnhäuser zusammengesetzt werden. Die Ausschreibung dafür laufe bereits, in den Jahren 2023 und 2024 sei Zeit, das Werk zu errichten, »um 2025 pünktlich an den Start zu gehen«, so Sack. Dann soll der Wohnungsbau beginnen. Weil es nachwachse und CO2 speichere, sei Holz »klimapositiv«, erläutert Sack.
Nicht nur die Betriebe, auch der Rohstoff sollen aus der Region kommen, von den landeseigenen Berliner Forsten. »Wir holen die Kiefer raus und werden mit Laubbäumen nachforsten. Der Wald wird resilienter«, sagt Gudrun Sack.
Die Forsten seien »sehr froh, wenn wir ihnen das Holz abnehmen«, so die Geschäftsführerin der Tegel Projekt GmbH weiter. Außerdem sei man so »unabhängig vom internationalen Holzmarkt«. 25 000 bis 30 000 Kubikmeter Holz jährlich würden ein Jahrzehnt lang benötigt. Die weitgehend automatisierte Fertigung im Tegeler Werk sei auch angesichts des Fachkräftemangels in der Branche eine Hilfe, sagt Sack. Die Kriterien für die Vergabeverfahren der Grundstücke seien so angepasst worden, dass auch wirklich mit Holz gebaut wird. »Bisher ist in Vergabeverfahren der Holzbau immer rausgeflogen, weil er zu teuer war«, so Sack.
»Das große Desaster im Klimawandel ist das Bauen«, unterstreicht Eike Roswag-Klinge die Wichtigkeit des wiederentdeckten Baustoffs. 40 Prozent der Klimagase entstammen dem Gebäudesektor, 92 Prozent der mineralischen Rohstoffe würden dafür verbraucht. Der Abbruch von Bestandsbauten sei für 55 Prozent des Abfallaufkommens verantwortlich, sagt der Architekturprofessor, der seit fünf Jahren an der Technischen Universität Berlin das Natural Building Lab aufbaut. Zu Deutsch: Labor für natürliches Bauen. »Holz ist nicht die einzige Lösung, aber ein guter Einstieg«, so Roswag-Klinge.
In die allgemeine Euphorie nicht einstimmen möchte Jörg Franzen, Chef der landeseigenen Gesobau. »Nach jetzigem Stand, muss ich Ihnen sagen, könnte wirtschaftlich keine einzige Wohnung gebaut werden«, sagt Franzen. Er berichtet von explodierenden Baukosten, die ohne Grundstückskosten stramm auf 3500 bis 4000 Euro pro Quadratmeter zusteuern. Im Jahr 2015 lagen sie noch bei etwa 2000 Euro pro Quadratmeter. Die ökologischen Anforderungen im Schumacher-Quartier - neben dem Holzbau ist das auch das Schwammstadtkonzept, bei dem Regenwasser nicht in die Kanalisation abgeleitet wird - schlagen laut Franzen mit weiteren 900 Euro Mehrkosten pro Quadratmeter zu Buche.
Als »Möglichkeit für eine wirtschaftliche Querfinanzierung auch bei den Städtischen« schlägt Franzen vor, dass 20 bis 30 Prozent der Wohnungen als Eigentum verkauft werden. Eine Idee, die auch Senator Geisel unterstützt, ohne einen Prozentanteil zu nennen. Er sieht vor allem den Bund in der Pflicht, durch höhere Subventionierung bezahlbaren Neubau zu ermöglichen.
»Wir können uns als Linke auf keinen Fall vorstellen, dass Landeseigene anfangen sollen, Eigentumswohnungen zu bauen. Das ist Quatsch«, stellt Niklas Schenker, Mietenexperte der Linksfraktion, klar.
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