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Langsam gen Gleichstellung

Selbstbestimmung für Frauen ist zentrales Thema des Hatun-Sürücü-Preises, den die Berliner Grünen verleihen

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 4 Min.
Mädchen und Frauen für Tätigkeiten zu qualifizieren, die lange als »Männerberufe« galten, ist der Grünen-Fraktion ein Anliegen.
Mädchen und Frauen für Tätigkeiten zu qualifizieren, die lange als »Männerberufe« galten, ist der Grünen-Fraktion ein Anliegen.

An diesem Freitag verleiht die Berliner Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum zehnten Mal den Hatun-Sürücü-Preis. Er geht an Projekte, die sich für Selbstbestimmung für Frauen und Mädchen einsetzen. Es sei eine besondere Veranstaltung in diesem Jahr, denn zum Jubiläum hat sich die Fraktion eine Veränderung des Konzepts überlegt, sagt Bahar Haghanipour, Sprecherin für Frauenpolitik und Gleichstellung der Fraktion und Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses.

»Wir wollen das Leben von Hatun Sürücü ehren, denn sie war eine sehr mutige junge Frau, die ihr Leben selbstständig gegangen ist«, sagt Haghanipour. Sürücü hatte ihren Hauptschulabschluss nachgeholt und stand in ihrer Ausbildung zur Elektroinstallateurin kurz vor der Gesell*innenprüfung, als sie 2005 von ihrem Bruder ermordet wurde. Anknüpfend daran wird der Preis zu ihren Ehren in diesem Jahr in Verbindung mit dem Girls Day verliehen, denn auch dabei gehe es um die Ermutigung von Mädchen und jungen Frauen, sich bisher noch von Männern dominierten Berufen zuzuwenden, sagt die frauenpolitische Sprecherin der Fraktion. »Wir vergeben den Preis deshalb als Girls Empowerment Preis«, sagt sie.

Das Thema sei nach wie vor sehr aktuell. »Wir kommen der Gleichberechtigung nur in sehr kleinen Schritten näher. Die Zahlen von Mädchen und Frauen im MINT-Bereich sind ernüchternd«, so Haghanipour. Die Abkürzung MINT umfasst Fächer und Berufe in den Bereichen Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, also Felder, die als typisch männlich besetzt gelten. »Das ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Mädchen merken sehr früh, was typisch weibliche Bilder sind und dass das nicht der MINT-Bereich ist«, so Haghanipour.

In den vergangenen Jahren wurde der Preis zum Todestag von Hatun Sürücü verliehen. Ab jetzt werde dieser Tag Anlass sein, den Preis auszuschreiben und Bewerbungen anzunehmen, sagt Haghanipour. »Der Mord an Sürücü war ein Femizid, die Tötung einer Frau aufgrund ihres Geschlechts.« Diese tödliche Form patriarchaler Gewalt sei gerade innerhalb von Familien- und Beziehungsgeflechten häufig. »In Deutschland versucht jeden Tag ein Mann, seine Frau oder Ex-Partnerin umzubringen. Jeden dritten Tag gelingt es«, so Haghanipour.

Um gegen diese Gewalt vorzugehen, haben die Berliner Regierungsparteien im Koalitionsvertrag festgehalten, die Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen und Mädchen vor patriarchaler Gewalt Schritt für Schritt umzusetzen. »Das ist ein riesiger Maßnahmenkatalog. Das werden wir nicht alles in dieser Wahlperiode schaffen, aber wir werden mehrere Schritte gegangen sein«, erklärt die Grünenpolitikerin.

Schon in den Verhandlungen zum aktuellen Haushaltsplan musste darum gekämpft werden, dass feministische Projekte und Einrichtungen im selben Maße wie in den letzten zwei Jahren finanziert werden, so die frauenpolitische Sprecherin. Langfristig müssten diese Projekte verstetigt werden, findet sie. Allerdings gebe es hier trotz Istanbul-Kovention keine rechtliche Grundlage.

Die Projekte, die im Berliner Frauennetzwerk organisiert sind, fordern schon seit Jahren eine konstante finanzielle Absicherung statt der Jahr für Jahr aufs Neue zu erkämpfenden Projektfördermittel. So ist es nur ein kleiner Erfolg, dass ihnen die kaum ausreichenden Mittel im neuen Haushalt nicht noch gekürzt werden. »Es wird alles teurer aktuell, nicht nur Mieten und Energie, auch die Sachkosten. Das ist für viele Projekte eine extrem bedrohliche Situation«, sagt Bernhild Mennenga, Projektleiterin des feministischen Bildungs- und Beratungszentrums »Raupe und Schmetterling«.

Außerdem sei im neuen Haushalt keiner der zusätzlichen Bedarfe berücksichtigt, die die Projekte immer wieder anmelden. »Die Personalausstattung im Beratungs- und Bildungsbereich entspricht nicht dem unglaublich hohen Bedarf. Wir kommen nicht hinterher, wir müssten mehr Mitarbeiter*innen einstellen und finanzieren können«, so Mennenga. Sie ist froh, dass es Preise wie den Hatun-Sürücü-Preis gibt, weil es Öffentlichkeit für die Arbeit der Projekte schaffe und die Sieger*innen die Würdigung verdienten. »Ich freue mich riesig für diejenigen, die die Preise gewinnen. Bei solchen Preisen erscheinen feministische Themen dann auch mal in der ›FAZ‹ oder in der ›Süddeutschen‹, was für alle sozialen Projekte total wichtig ist.«

Bei der Preisverleihung an diesem Freitag gehe es auch darum, gerade Projekte zu würdigen, die noch nicht so bekannt seien, sagt Bahar Haghanipour. Die drei Sieger*innen gewinnen ein Preisgeld in Höhe von 1500, 900 und 600 Euro; die Preisverleihung findet um 18 Uhr im Festsaal im Abgeordnetenhaus statt und ist für die Öffentlichkeit im Livestream der Grünen-Fraktion mitzuverfolgen.

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