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Kein Licht am Ende des Tunnels
Bei der Berliner U-Bahn gibt es zahlreiche Baustellen im Bestandsnetz. Ausgebaut werden soll trotzdem - zumindest ein bisschen
Eigentlich gibt es wenig Gründe, bei unterirdischen U-Bahn-Fahrten aus dem Fenster zu schauen. Das Auge erwartet dort ja in der Regel auch nichts außer Dunkelheit, weshalb sich längere U-Bahn-Strecken bisweilen auch als reichlich öde erweisen können. Entgegen der ersten Vermutung dürfte der fehlende Ausblick während der Fahrt durch die Tunnel der Stadt dabei aber durchaus zum Wohlbefinden beitragen. So bekommt man als Fahrgast wenigstens nicht mit, dass es dort an so einigen Stellen bröckelt. In Berlins Untergrund sind schließlich gleich mehrere Tunnel sanierungsbedürftig. Manche sprechen vom »Sanierungsstau«. Und mitunter helfen selbst Reparaturen nicht mehr.
Gebaut wird gegenwärtig unter anderem auf der Strecke der U6. Ende Januar war aufgefallen, dass im Bereich des U-Bahnhofs Ullsteinstraße ein Teil der Verkleidung der Decke ins Gleis gefallen war. Der Bahnhof liegt im sogenannten Hohlkasten der Stubenrauchbrücke über dem Teltowkanal. Über ihm verläuft die Fahrbahn des Tempelhofer Damms. Baulich habe man es hier laut BVG mit einem komplexen »Unikat im Berliner U-Bahn-Netz« zu tun.
Oberirdisch muss der Asphalt geöffnet werden, um die Bahnhofsdecke reparieren zu können. Damit hat die Sanierung bei der U-Bahn auch Auswirkungen auf andere Verkehrsteilnehmer. Aufgrund der unterirdischen Baufälligkeit wurden sogleich oberirdisch Fahrspuren gesperrt. Seit Kurzem stehen auch die ersten Poller für den Radweg auf dem Tempelhofer Damm. Vollständig eingerichtet werden kann der aber erst, wenn die Arbeiten am Tunnel abgeschlossen sind - was für den Spätsommer angepeilt wird. Im Ökosystem des Berliner Verkehrs hängt das eine eben am anderen.
Seit 120 Jahren ist die Berliner U-Bahn Teil dieses Systems. Auf 155 Streckenkilometer ist ihr Netz in dieser Zeit angewachsen. »Die alte Dame U-Bahn muss natürlich gepflegt werden«, sagt Jens Wieseke vom Berliner Fahrgastverband IGEB. Ein Bahnhof bräuchte alle 30 bis 40 Jahre eine Grundsanierung. Auch sind noch nicht alle Bahnhöfe barrierefrei umgebaut. Und nicht nur am U-Bahnhof Schönleinstraße, der als schauderhaftester Bahnhof der Hauptstadt gehandelt wird, gelte es, baulich die Aufenthaltsqualität für die Fahrgäste zu verbessern, so Jens Wieseke.
Probleme gibt es aber eben nicht nur dort, wo Fahrgäste sie selbst sehen können. Der Waisentunnel nahe der Jannowitzbrücke in Mitte ist beispielsweise nur für Betriebsfahrten vorgesehen. Er ist die Verbindung der U5 zum restlichen Netz der U-Bahn. Besser gesagt: Er war die Verbindung. Seit 2017 wird der Waisentunnel wegen Baufälligkeit nicht mehr befahren. Vergangenes Jahr hieß es dann: Eine Sanierung ist nicht möglich, der Tunnelteil unter der Spree könne nur neu gebaut werden.
»Es ist betriebstechnisch wichtig, dass die U5 wieder mit dem übrigen U-Bahn-Netz verbunden wird«, sagt der Verkehrsexperte der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Kristian Ronneburg. Denn durch die Sperrung des Tunnels wurde auch die Betriebswerkstatt der BVG in Friedrichsfelde vom restlichen Netz getrennt. Dadurch findet der Austausch von Wagen zwischen der U5 und anderen U-Bahn-Linien nicht mehr über das Gleis, sondern über die Straße mittels Tieflader statt. Der BVG zufolge geht so einem Straßentransport eine Vorbereitungszeit von vier Wochen voraus.
In ihrer Antwort auf eine Parlamentarische Anfrage Ronneburgs aus dem Januar geben sich BVG und Berliner Senat skeptisch, was die aufgeworfenen Alternativen zu einem Neubau des Waisentunnels betrifft. Ronneburg ist mit den Antworten nicht zufrieden. Es bräuchte konkrete Angaben zum Aufwand, den Kosten und Zeitplänen der unterschiedlichen Varianten. Falls es am Ende keine realistischen Alternativen geben sollte, müsse aber der Neubau des Waisentunnels so bald wie möglich angegangen werden, sagt Ronneburg. »Auch wenn er kostspielig ist.«
Bleibt man auf dieser Linie, so ergibt sich noch eine andere Baustelle. Die U5 ist die langsamste der sogenannten Großprofillinien. Während auf den Linien U6 bis U9 bis zu 70 Stundenkilometer möglich sind, darf auf der Linie der U5 nur Tempo 60 gefahren werden. Grund ist die alte Signaltechnik. Neue ist zwar ausgeschrieben. Die Inbetriebnahme hat der Senat aber für spätestens 2030 angesetzt. Es wird also noch einige Zeit dauern. Das ist mehr als misslich, denn eine höhere Fahrgeschwindigkeit würde die Reisezeit vom Hauptbahnhof nach Hönow um zehn Prozent verkürzen - was auch bedeutet, dass es für das gleiche Fahrtangebot dann einen Zug weniger bräuchte. Es geht hier somit nicht nur um einen gesteigerten Fahrtkomfort, sondern auch um Geld.
Tunnel, Wagen und Signaltechnik - selbst um das bestehende Netz instand zu halten und zu modernisieren, braucht es viel Geld. »Es gibt einen erheblichen Sanierungsstau«, sagt Kristian Ronneburg. In den Westbezirken würde sich dieser seinen Angaben zufolge auf 1,55 Milliarden Euro belaufen, weil nach der Wiedervereinigung vor allem in das Netz im Osten investiert wurde. Doch auch in die U-Bahn im Osten müssten in den kommenden 15 Jahren 190 Millionen Euro investiert werden. Das wären nicht nur Schönheitskorrekturen, in einigen Fällen sei sogar die Betriebssicherheit von Anlagen gefährdet. Grundsätzlich gilt, so Ronneburg: »Je länger die Sanierung des Netzes dauern wird, desto maroder wird es auch.«
Für Jens Wieseke vom Fahrgastverband IGEB ist deshalb klar: »Wer vom Ausbau träumt, sollte auch sagen, wie er die U-Bahn instand hält.« Sorgen bereiten ihm gerade auch die allgemeinen Steigerungen bei den Baukosten. Gleichwohl weiß auch Wieseke, dass sich der durchschnittliche Fahrgast weitaus weniger für Instandhaltungsmaßnahmen interessiert, als er mitunter von Ausbau-Plänen angetan ist.
Mit diesem Wissen ist er nicht allein. Im Berliner Wahlkampf hatte nicht zuletzt die jetzt Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) mit dem U-Bahn-Ausbau geworben. Und dies, obwohl der Fachausschuss Mobilität der Berliner SPD noch in der vergangenen Legislaturperiode warnte, dass sich aufgrund des Instandhaltungsrückstaus im Bestandsnetz »U-Bahn-Ausbaufantasien« verbieten würden.
Um Fantasien und die nüchterne Realität beim U-Bahn-Ausbau ging es am Mittwoch auch im Mobilitätsausschuss des Abgeordnetenhauses - mit dem bei diesem Thema üblichen Gepolter. Die CDU zählte auf, für welche Linien sie Verlängerungspotenzial sieht (natürlich für alle) und kritisierte, dass im Haushaltsentwurf zu wenig Geld für die Planungen des U-Bahn-Ausbaus veranschlagt sei. »Wo ist die Vision des Senats? Selbst manche Provinzstädte sind mutiger, was den Ausbau angeht«, wetterte CDU-Ausschussmitglied Christopher Förster.
Der Senat - zumindest in Gestalt von Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) - sah das Thema eher pragmatisch als visionär. Man müsse einen Schritt nach dem anderen gehen, sagte Jarasch. Nur durch mehr Planung werde nicht gleich mehr umgesetzt. Eine Zielmarke hat sie sich aber gesetzt: »Wir werden in dieser Legislaturperiode noch anfangen, eine U-Bahn zu bauen.«
Gemeint ist die Verlängerung der U3 vom bisherigen Ende Krumme Lanke bis zum S-Bahnhof Mexikoplatz. Nicht einmal ein Kilometer Strecke müsste gebaut werden. Die Verlängerung würde auch deutlich weniger kosten als so manche »Vision«. In diese Kategorie fällt etwa die Verlängerung der U7 zum Hauptstadtflughafen BER.
Während der Bedarf einer U-Bahn zum BER dabei wiederholt bezweifelt wurde, hat der sonst bei Ausbau-Plänen kritische Sprecher des Berliner Fahrgastverbands bei der U3 »keinerlei Bedenken«. Denn mit der Verlängerung würde sich die Lücke zwischen der U-Bahn-Linie und der S1 schließen. Das wäre längst überfällig und würde auch Busse einsparen, sagt Jens Wieseke. Gleichwohl hält er den Zeithorizont für »sehr ambitioniert«. Auch Linke-Politiker Kristian Ronneburg meint, ein Baubeginn in dieser Legislaturperiode sei »sehr sportlich«. Denn erst braucht es eine Nutzen-Kosten-Untersuchung, um auch die Bundesförderung erhalten zu können, und dann natürlich ein Planfeststellungsverfahren.
Ganz gleich, ob Mobilitätssenatorin Jarasch ihre eigene Frist reißt oder nicht, eines ist schon jetzt klar: Früher oder später werden auch auf der neuen Strecke der U3 bis zum Mexikoplatz Bauarbeiter für Instandhaltungsmaßnahmen anrücken müssen.
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