»Das sind keine geduldigen Lohnabhängigen«

Ein Gespräch mit dem Soziologen Klaus Dörre über Machtressourcen von Gewerkschaften und wie sie sie nutzen

  • Eva Roth, Ines Wallrodt
  • Lesedauer: 13 Min.

Herr Dörre, wir wollen erbaulich anfangen: Was war in jüngster Zeit der wichtigste Erfolg der deutschen Gewerkschaften?

Spontan fällt mir die Rentenreform ein, die festlegt, dass das Rentenniveau vorerst bei 48 Prozent bleibt. Und dann natürlich der gesetzliche Mindestlohn, der im Oktober auf zwölf Euro erhöht werden soll. Das kann man als unzureichend kritisieren, es sind aber Reformen zugunsten der Beschäftigten, beim Mindestlohn gerade derjenigen, die am wenigsten in der Tasche haben. Generell lässt sich sagen, dass die Gewerkschaften in jüngster Zeit beim political bargaining besonders erfolgreich waren, also beim Verhandeln mit dem Staat und der Regierung.

Interview

Klaus Dörre studierte in Marburg und ist seit 2005 Professor für Arbeits-, Industrie- und Wirtschaftssoziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Aus Dörres Arbeitsbereich gingen Forschungsarbeiten hervor, die unter der Bezeichnung »Jenaer Machtressourcenansatz« bekannt geworden sind.

Im März 2022 gehörte Dörre zu den Initiatoren des Aufrufs »Nein zum Krieg«.

Wie kommt das?

Vor der Finanzkrise hatten die Gewerkschaften einen miserablen Ruf. Ich erinnere mich an eine Karikatur in der Frankfurter Rundschau: Ein Kind sitzt weinend im Sandkasten und die Eltern fragen, was passiert sei. Das Kind sagt: Der hat Gewerkschafter zu mir gesagt! So war die Stimmung. Das hat sich seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 gravierend geändert. Seither haben sich die Gewerkschaften als Krisenmanager bewährt und beispielsweise durchgesetzt, dass Kurzarbeitergeld über einen langen Zeitraum gezahlt werden kann. In der Pandemie hat sich das fortgesetzt. Heute ist klar, dass die sozial-ökologische Transformation ohne die Gewerkschaften nicht funktionieren wird, allein auf Unternehmensverbände zu setzen, reicht nicht. Kurzum: Wirtschaft und Gesellschaft befinden sich quasi permanent in der Krise und die Politik weiß, dass ohne die Gewerkschaften der Laden auseinanderfliegt. Das stärkt sie auf der politischen Ebene.

In vielen Betrieben schwindet dagegen ihr Einfluss. Mehr als die Hälfte der Beschäftigten arbeitet in einem Unternehmen, das nicht an einen Branchentarifvertrag gebunden ist.

Die Organisationsmacht der Gewerkschaften ist geringer geworden, das zeigt sich auch daran, dass nur noch rund 16 Prozent der Beschäftigten Gewerkschaftsmitglieder sind. Wir haben es zunehmend mit zwei Welten von Arbeitsbeziehungen zu tun: In der einen Welt gelten noch Tarifverträge, es gibt Gewerkschaften und Mitbestimmung. In manchen Bereichen sind Beschäftigte auch aufgrund ihrer gefragten Qualifikation und eines Arbeitskräftemangels so stark, dass sie ganz ohne Gewerkschaften gute Arbeitsbedingungen aushandeln können. In der anderen Welt gibt es all das nicht. Das ist einer der Gründe für den Erfolg der radikalen Rechten.

Zum Beispiel in Frankreich, wo die Rechtsextreme Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahl über 40 Prozent der Stimmen erhalten hat?

Genau. Viele Beschäftigte nehmen Gewerkschaften gar nicht mehr wahr. Sie haben nie die Erfahrung gemacht, dass Solidarität unter Lohnabhängigen zu einem besseren Leben mit einem guten Job führt. Inzwischen glauben viele, mit der radikalen Rechten immerhin einen lautstarken Akteur zu haben, der die eigenen Anliegen als nationale, französische Interessen wieder in den Ring bringt. Auch in der Russischen Föderation haben sich übrigens wie in anderen postsowjetischen Gesellschaften keine starken, unabhängigen Gewerkschaften herausgebildet, der größte Dachverband ist putintreu. Auch dort fungiert der Nationalismus als Pille, die in einer materiell miserablen Lage Stärke verspricht.

In Deutschland sind die Gewerkschaften im Osten immer noch schwächer als im Westen. Die über Jahrzehnte sehr hohe Arbeitslosigkeit hat dazu beigetragen. Inzwischen ist die Beschäftigung gestiegen, Tesla hat kürzlich eine Autofabrik im brandenburgischen Grünheide eröffnet. Und Intel plant in Magdeburg ein großes Werk. Inwiefern wird das im Osten die Verhandlungsmacht der Beschäftigten und Gewerkschaften vergrößern?

Die Gewerkschaften müssen da erst mal reinkommen. Tesla wird für sein Werk in Grünheide vermutlich auch Arbeitskräfte aus Polen rekrutieren. Der Konzern könnte Arbeitssuchende wie etwa Geflüchtete aus der Ukraine einstellen, die zunächst einmal froh sein dürften, überhaupt einen Job zu haben. Insofern ist denkbar, dass viele Arbeitsmigranten und Arbeitssuchende nur schwer dafür zu gewinnen sind, sich gewerkschaftlich zu engagieren und beispielsweise dafür zu kämpfen, dass Tesla nach Tarif zahlt. Von Tesla-Chef Elon Musk weiß man, dass er von Mitbestimmung und Gewerkschaften nichts hält. All das macht es für die IG Metall schwierig. Aber davon hängt natürlich die Gewerkschaftsmacht ab: dass es gelingt, die Beschäftigten in Bereichen zu organisieren, die neu aufgebaut werden, etwa im Zuge der Transformation in Richtung E-Mobilität.

Wenn Tesla nicht nach Tarif bezahlt, werden andere Autokonzerne dann Druck machen und sagen: Wir müssen jetzt die Tarifstandards senken, um wettbewerbsfähig zu bleiben?

So kann es kommen. Es war jedenfalls bezeichnend, dass die Politik enorm viel getan hat, damit Tesla in Brandenburg das Werk errichtet - ohne im Gegenzug vehement zu fordern, dass Arbeitnehmerrechte eingehalten werden. Und dazu gehört nun mal das Recht, Tarifverhandlungen zu führen und das Verbot, Gewerkschaftsarbeit zu behindern. Fakt ist jedenfalls, dass die deutsche Autoindustrie die Konkurrenz durch Elektroauto-Hersteller wie Tesla völlig unterschätzt hat. Das führt, wie uns Experten berichten, in den »alten« Autokonzernen bereits zu Konflikten innerhalb der Belegschaft.

Wo?

Bei VW in Wolfsburg beispielsweise gibt es, so sagt man uns, erstmals im relevanten Maß unterschiedliche Betriebsratslisten. Eine oppositionelle IG-Metall-Liste wird von einem ehemaligen IG-Metall-Bevollmächtigen angeführt. Die sagen, ob berechtigt oder nicht, dass VW Wolfsburg im Zuge der Transformation unter die Räder kommt, weil das Management geschlafen und den Wandel zu lange aufgeschoben hat durch eine verfehlte Geschäftspolitik nach 2009. Und der Betriebsrat nicht genug tut, um in Wolfsburg Beschäftigung zu sichern, etwa durch innovative Modellpolitik. Ich weiß nicht, ob das schon ein Beleg dafür ist, dass die Gewerkschaftsmacht bei VW bröckelt. Es zeigt aber doch die Verunsicherung in einer Branche, die sich inmitten eines tiefgreifenden Umbruchs befindet. ›Da bleibt kein Stein auf dem anderen›, sagen uns Branchenexperten.

Noch einmal zurück nach Ostdeutschland: Hier ist die Arbeitslosigkeit zuletzt deutlich gesunken. Gleichzeitig findet ein gewaltiger industrieller Umbau statt: Tesla kommt, in der Lausitz werden Braunkohlekraftwerke verschwinden. Was bedeutet das für Gewerkschaften?

Für die Bergleute in der Lausitz gibt es die Einschätzung, dass die Menschen alle eine neue Arbeit finden werden. Sie werden nicht arbeitslos, sie fürchten aber um ihren Status und fragen sich: Kriegen wir eine Arbeit mit einem Ansehen und einem Gehalt, das dem entspricht, was wir hatten? Selbst Unternehmen in der Thüringer Auto- und Zulieferindustrie sagen, unser Hauptproblem ist, Leute zu finden. Das wiederum könnte dazu führen, dass die Unternehmensseite Angebote machen muss, für die man gewerkschaftlich gar nicht viel tun muss. Dann scheint aus Beschäftigtensicht die Gewerkschaftsmacht nicht so relevant. Zum Beispiel gehen jetzt Leute von Opel Eisenach in die CATL-Fabrik, weil die besseren Lohn, bessere Arbeitsbedingungen und eine größere Zukunftssicherheit des Unternehmens verspricht. Es könnte also der Effekt eintreten, dass auf Unternehmensseite die Konkurrenz um die Arbeitskräfte größer wird und Beschäftigte ohne Gewerkschaften gute Arbeitsbedingungen erhalten.

Gleichzeitig gibt es in ganz Deutschland Millionen Menschen, die prekär beschäftigt sind, unsichere Jobs haben und wenig Geld erhalten. Etwa jeder fünfte Erwerbstätige arbeitete hierzulande für einen Niedriglohn. Das ist die andere Arbeitswelt, von der Sie gesprochen haben. Viel Arbeit für Gewerkschaften.

Das kann man wohl sagen.

Arbeitskämpfe gelten dabei als das wichtigste Druckmittel, das Gewerkschaften und Beschäftigte gegenüber Unternehmen haben, um bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Ist das heute noch so?

Streiks sind ein enorm wichtiges Kampfmittel, um die Interessen von Lohnabhängigen durchzusetzen. Die Bedingungen für Arbeitskämpfe haben sich aber gravierend geändert. Erstens gibt es die Organisationsschwäche der Gewerkschaften. Zweitens betrachten immer mehr Manager die Sozialpartnerschaft nicht mehr als nützliche Produktivkraft für ihr Unternehmen. Sie sehen Gewerkschaften als Auslaufmodell, denen man kaum oder keine Zugeständnisse machen muss. Je geringer die Organisationsmacht ist, desto größer ist die Neigung auf der anderen Seite, der Utopie des Kapitals zu folgen: frei entscheiden zu können, ohne durch Betriebsräte und Gewerkschaften beeinträchtigt zu werden. Drittens gibt es in der Industrie ein wachsendes Machtgefälle: Endhersteller in der Autoindustrie üben massiven Preisdruck auf Zulieferer aus. Wenn ein Zulieferer muckt, fliegt er raus aus der Wertschöpfungskette. Deshalb können Gewerkschaften bei Endherstellern oft höhere Löhne durchsetzen als bei den geknebelten Zulieferbetrieben. Viertens ist es für Gewerkschaften schwieriger geworden, mit Arbeitskämpfen ökonomischen Druck auf Unternehmen auszuüben: Wenn Amazon-Beschäftigte in Bad Hersfeld streiken, kann der Konzern sagen: Dann machen das eben die polnischen Standorte. Im wachsenden Dienstleistungssektor treffen Streiks, etwa von Erzieherinnen oder Lokführern, zuallererst Eltern oder Fahrgäste.

Wenn man Ihnen so zuhört, könnte man resignieren und sagen: Wieso kämpfen, das hat doch sowieso keinen Sinn.

Wenn man erfolgreich sein will, schadet es nichts, die Lage nüchtern zu betrachten und daraus seine Strategie zu entwickeln. Das tun Gewerkschafter und Beschäftigte. Tatsache ist, dass es, sieht man vom Streikjahr 2015 ab, große Arbeitskämpfe mit starker Signalwirkung eher selten gibt. Der Streik der IG Metall für die 35-Stunden-Woche in den 1980er Jahren hatte enorme Effekte auf andere Branchen und auch auf andere Länder. So etwas ist heute schwer machbar. Es gibt aber nicht weniger Streiks, sondern immer mehr kleine Konflikte in Betrieben, in einzelnen Regionen, die gar nicht an die Öffentlichkeit gelangen.

Und was heißt das alles für die Macht der Gewerkschaften?

Wenn es schwieriger ist, wirtschaftlichen Druck auf Unternehmen zu machen, dann werden politische Unterstützung und Bündnisse wichtiger. Bei Arbeitskämpfen von Erzieherinnen hilft es, wenn die Gewerkschaft versucht, Eltern als Bündnispartner zu gewinnen. Bei Amazon streiken Beschäftigte seit 2013 für einen Einzelhandels-Tarifvertrag. Hier wäre mehr politische Unterstützung nützlich. Verdi hat inzwischen darauf reagiert, dass der Konzern die Beschäftigten international gegeneinander ausspielt und kooperiert jetzt mit polnischen Basisgewerkschaften, bei denen manche wohl vorher gesagt hätten: Hände weg, die sind uns zu unkalkulierbar. Eine für mich besonders erfreuliche Kooperation gab es im öffentlichen Nahverkehr, als Verdi in der letzten Tarifrunde mit Fridays for Future gemeinsame Aktionen gemacht hat: Die Beschäftigten wollen anständig entlohnt werden. Um das Klima zu schützen, sollten gleichzeitig mehr Menschen Bus und Bahn fahren - und zwar günstig. Damit preiswerte Tickets nicht auf Kosten der Busfahrerinnen gehen, muss die Politik mehr Geld für den ÖPNV bereitstellen. Darum war es strategisch ein Riesenfortschritt, dass Verdi und Fridays for Future gemeinsam Druck auf die Politik gemacht haben. Das ist doch ein tolles Bündnis für die sozial-ökologische Transformation.

Gesellschaftliche Unterstützung und Bündnisse sind schwierig, wenn viele kleine Streiks - wie Sie sagen - von der Öffentlichkeit gar nicht bemerkt werden.

Das verweist auf einen weiteren strategischen Ansatz, der unter den neuen Bedingungen erfolgversprechend ist: Gewerkschaften müssen wieder stärker eine soziale Bewegung sein, die Menschen mobilisiert, gerade in den Betrieben. Die NGG sagt beispielsweise: Wir werden in einem Betrieb nur dann aktiv, wenn wir ein bestimmtes Quorum an Mitgliedern haben. Sonst sind wir nicht durchsetzungsfähig. Das setzt eine enorme strategische Kompetenz voraus. Die Menschen müssen motiviert werden, aktiv zu werden, oft müssen sie mit Arbeitgeberwiderstand und Repressionen rechnen. Umso wichtiger sind Erfolge, die in Tarifverträgen fixiert werden, ebenso wie Mitgliederzuwächse durch Streiks. Andernfalls kann man das nicht verstetigen. Anders gesagt: Arbeitskämpfe haben heute auch die Funktion, Mitglieder zu gewinnen. Das ist nicht ungebührlich, sondern notwendig für den Erfolg.

Finden Sie Gewerkschaften zu zahm, sind sie zu oft nicht bereit, solche Konflikte einzugehen?

Es wäre vermessen zu sagen: Ihr müsst euch jetzt einfach mehr bewegen und mehr in den Konflikt gehen, dann wird alles besser. Organisierung von Belegschaften als Bedingung für gewerkschaftliche Aktivität im Betrieb ist ein Ansatz, der seit einiger Zeit beispielsweise von Verdi und der NGG erfolgreich praktiziert wird - und sehr anspruchsvoll ist. Wir haben in unserer Forschung beispielsweise auch gesehen, dass gerade junge Leute zwar relativ leicht dafür zu gewinnen sind, sich in Gewerkschaften zu organisieren. Sie wollen dann aber auch schnell Ergebnisse sehen. Wenn sie die nicht sehen, gehen sie halt wieder raus. Die Leute wollen ein besseres Leben hier und heute, das sind keine geduldigen Lohnabhängigen. Dass Beschäftigte für ihre Arbeitsplätze und das Unternehmen kämpfen und froh sind, wenn sie überhaupt einen Job haben, das ist weg. Nicht völlig, aber unter jungen Leuten sicher keine typische Einstellung mehr.

Nichtsdestotrotz sagen Sie: Gewerkschaften sollten mehr soziale Bewegungen und bereit sein, Konflikte einzugehen. Gleichzeitig haben Sie zu Anfang gesagt: Große Erfolge haben sie in Verhandlungen mit der Regierung errungen. Wie passt das zusammen?

Das ist ein Spannungsverhältnis, klar. Wenn man vom Ergebnis her schaut, ist es nicht immer so, dass die Konfliktstrategie die besten Ergebnisse erzielt. Auch wenn ich die IG BCE dafür kritisiere, dass sie den Kohleausstieg möglichst lange hinauszögern wollte - sie hat es geschafft, Millionen für die Lausitz zu erstreiten. So gesehen war das Verhandeln mit der Politik erfolgreich. Auf der anderen Seite muss man enorm kämpfen, wenn man in neuen Branchen und Betrieben Fuß fassen will, siehe Amazon. Das kriegt man über die Aushandlungen auf der politischen Ebene nicht hin. Ein führender Industrieller hat mal gesagt: Wenn man Gewerkschaften aufbaut, braucht man Katholiken oder Kommunisten. Leute mit Überzeugung, die motiviert sind und an die gute Sache glauben. Sonst hält man solche harten, langen Kämpfe nicht durch.

Bei der sozial-ökologischen Transformation setzen IG Metall und IG BCE stark auf Kooperation mit Unternehmerverbänden und Politik.

Also für mich haben Allianzen wie die zwischen Verdi und Fridays for Future Priorität, zumal ich daran selbst ein bisschen beteiligt war. Dieser Ansatz beinhaltet Konflikt und Kooperation: Konflikt, möglicherweise Streiks, in Tarifrunden. Und Verhandlungen mit staatlichen Institutionen, um den ÖPNV besser zu finanzieren. Unabhängig von dieser Strategiedebatte gab es enorme Fortschritte: Noch vor einigen Jahren hat die IG Metall bei den Klimazielen auf Zeit gespielt. Das ist vorbei. Die Gewerkschaft hat inzwischen klar erklärt, dass für sie die Klimaziele des Pariser Abkommens gelten. Das ist jetzt die Richtschnur für ihr Handeln. Gut so.

Bleibt die Frage, wie Gewerkschaften wieder stärker werden können.

Politische Unterstützung, etwa durch Stärkung der Tarifbindung, hilft natürlich. Der entscheidende Punkt ist aber, aktive Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter zu gewinnen, die überzeugt sind, dass es um mehr geht als ein bisschen Sozialtechnik. Sondern dass es darum geht, die Gesellschaft zu demokratisieren in der Arbeitswelt, dass es um ein gutes Leben geht. Dass Gewerkschaften also eine gesellschaftliche Reformkraft sind. Bei einer Veranstaltung wurden Klimaaktivist*innen gefragt, was sie motiviert. Da haben die nur mit der Schulter gezuckt und gesagt: Ist doch klar, wir wollen den Klimawandel aufhalten. So einfach lässt sich die Frage nach den Motiven für gewerkschaftliche Organisierung oft nicht beantworten.

Das ist ein alter Streit: Sollen sich Gewerkschaften auf die betriebliche Arbeit konzentrieren oder politischer werden?

Es ist richtig zu sagen: Wir müssen stark sein in den Betrieben, dort entscheidet sich unsere Organisationsmacht. Darüber hinaus braucht es gesellschaftliche Visionen, Ideen, für die sich zu streiten lohnt. Ich finde es richtig, dass beispielsweise an der Spitze von Verdi darüber nachgedacht wird, wie eine zukunftstaugliche Gesellschaft aussieht. Das nennt man nicht Sozialismus, sondern Gemeinwohlwirtschaft. Soll mir recht sein.

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