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  • Berlin
  • Habersaathstraße in Berlin

Unterbringung als Profitmotiv

Der Versuch in der Habersaathstraße, Obdachlose und Flüchtlinge gegeneinander auszuspielen, misslingt

  • Moritz Aschemeyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die 50, seit Januar im Wohnblock an der Habersaathstraße 40-48 wohnenden ehemaligen Obdachlosen können weiter dort wohnen. Bei Gesprächen zwischen Bezirksamt, dem Trägerverein »Neue Chance« sowie der Unterstützerinitiative »Leerstand-Hab-ich-Saath« am Freitag soll der Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) erklärt haben, die Eigentümerfirma Arcadia Estates werde keine Räumung des Gebäudes forcieren. Später bestätigte er gegenüber dem RBB, dass es zu keiner Schlüsselübergabe kommen werde. Diese hatte die Eigentümerin für Samstag gefordert.

Seitens des Bezirksamts Mitte hieß es darüber hinaus, man werde sich für einen Verbleib der neuen Bewohner*innen bis zum Abriss des Gebäudes einsetzen.

Austausch der Bewohner*innen

In einem Schreiben vom vergangenen Mittwoch, das dem »nd« vorliegt, hatte die Hausverwaltung die dort Untergebrachten zum Auszug bis Montag aufgefordert und sich bei der Unterstützerinitiative »Leerstand-Hab-Ich-Saath«. für die »temporäre Obdachlosenhilfe in der Winterzeit« bedankt. Die übliche Kältehilfeperiode gehe bis Ende April, dementsprechend wolle man die Unterbringung der Obdachlosen zu dieser Frist und entsprechend bestehender Vereinbarungen mit dem Bezirksamt beenden. Dieses habe zudem eine Abrissgenehmigung für April angekündigt, so der Eigentümer gegenüber »nd«. Nun wolle man die Wohnungen für die Unterbringung von ukrainischen Kriegsflüchtlingen nutzen. Initiativgeber hierfür sei der ukrainischstämmige Betreiber eines Hotels im Gebäudekomplex gewesen.

Geflüchtete bringen mehr Geld

Diese Aufforderung zum Auszug kam für die Bewohner*innen, welche sich die Unterbringung in dem größtenteils leerstehenden Gebäude durch eine Besetzung im vergangenen Dezember erkämpft hatten, überraschend. »Für uns stellt das einen impulsiven Versuch dar, zwei marginalisierte Gruppen gegeneinander auszuspielen und unliebsame Bewohner loszuwerden« sagt Valentina Hauser von »Leerstand-Hab-ich-Saath« zu »nd«. Die Initative habe Instandhaltungsarbeiten durchgeführt, so Hauser. »Diesen Einsatz von den neuen Bewohner*innen und vielen anderen Aktiven nun als gemeinsamen Erfolg zu verkaufen ist mehr als dreist«. Auch vermutet die Initiative hinter dem Vorstoß ein Profitmotiv. Derzeit zahlt der Bezirk die Betriebskosten und bringt dafür 3,50 Euro pro Quadratmeter und Monat auf. Mit einer Unterbringung von Geflüchteten ließen sich deutlich höhere Beträge erzielen, Tagessätze von bis zu 25 Euro pro Person sind hier durchaus üblich.

Vereinbarungen sind unklar

Das Schreiben wirft zudem Fragen bezüglich der zwischen Bezirk und Eigentümer getroffenen Vereinbarungen auf. Die Initiative beruft sich auf Zusagen des Bezirksamtes, die Unterbringung bis zum Abriss zu ermöglichen. Zudem sind weder die Initiative noch der im Haus mit einem Büro vertretene Verein »Neue Chance«, welcher die neuen Bewohner*innen betreut, Träger der Kältehilfe. Sie verfolgen einen Housing First-Ansatz, der Wohnungslose über die bedingungslose Bereitstellung von Wohnraum unterstützten soll.

Der Plattenbau aus den 1980er-Jahren mit über 100 Wohneinheiten ist seit mehreren Jahren Gegenstand einer Auseinandersetzung zwischen Bezirksamt, Eigentümer und einer Handvoll verbliebenen Altmieter*innen. Weite Teile des Gebäudes stehen leer, der Eigentümer möchte dort einen Luxusneubau errichten. Bisher weigerte sich das Bezirksamt jedoch, eine Abrissgenehmigung zu erteilen, da es den Wohnraum als »schützenswert« erklärt hat.

Ersatzwohnraum möglich

In diesem Falle sieht das Berliner Zweckentfremdungsverbot die Schaffung von Ersatzwohnraum zu 7,92 Euro nettokalt pro Quadratmeter vor. Das Verwaltungsgericht hat im konkreten Fall noch nicht entschieden.

Ein kürzlich vom Bezirk an die Altmieter*innen geschickter Brief deutet jedoch eine baldige Einigung per Vergleich an. Vorgesehen ist laut Vergleichsangebot ein Neubau mit 30 Prozent Wohnraum zu 6,50 bis 8,50 Euro pro Quadratmeter. Altmieter*innen sollen für bis zu zehn Jahre zu den derzeitigen Konditionen in dem Gebäude verbleiben können, alternativ wird eine Abfindung von 1000 Euro pro Quadratmeter angeboten.

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