Flaniermeile ohne Fahrräder

Autoverkehr rund um die Friedrichstraße konnte bei Verkehrsversuch reduziert werden

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 5 Min.

Der Verkehrsversuch Friedrichstraße ist ein Erfolg. Seit der Ende August 2020 erfolgten Sperrung des rund 500 Meter langen Abschnitts zwischen Französischer und Leipziger Straße für den motorisierten Individualverkehr sind insgesamt weniger Autos unterwegs. Zwar hat sich vor allem die Charlottenstraße als Ausweichstrecke etabliert, aber selbst die ebenfalls parallel verlaufende Mauer- und Charlottenstraße eingerechnet, hat der motorisierte Verkehr unter dem Strich abgenommen. Das ergibt sich aus der am Montagabend vorgestellten Auswertung der Ergebnisse dieses Tests.

Auch mehr Fußgänger waren in den Sommermonaten 2021 als im August 2020 unterwegs. Außerdem hat der Radverkehr unterm Strich, wieder auch unter Berücksichtigung der Parallelstraßen, deutlich zugenommen. 82 Prozent der Befragten Passanten wünschen sich eine dauerhafte Sperrung für Autos. Die lokale Wirtschaft, vor allem der Handel, ist nach wie vor gespalten. Bereits vor dem Verkehrsversuch war die Mehrheit unzufrieden mit der Situation - sie ist es geblieben.

Allerdings, so heißt es auch, hätten die Konflikte zwischen Rad- und Fußverkehr deutlich zugenommen. Darum soll die sogenannte Safety Lane und mit ihr der Radverkehr weichen. »Der Verkehrsversuch hat erwiesen, dass der gelb markierte Fahrradstreifen die Fußgänger*innen daran hindert, den Raum so zu nutzen, wie wir es uns gewünscht haben«, erklärt Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch. Stattdessen soll die parallele Charlottenstraße zur Fahrradstraße, der Auto-Durchgangsverkehr dort ebenfalls verbannt werden.

»Ich finde es wirklich sehr bedauerlich, dass beim Verkehrsversuch nun die Safety Lane für Radfahrer raus ist«, sagt Stefan Lehmkühler vom Verkehrswendeverein Changing Cities zu »nd«. »Andererseits gibt es nun zwei Straßen für eine«, sagt er. Er meint die Charlottenstraße, die nun Fahrradstraße werden soll. Das Grünen-Mitglied ist einer der Väter des Projekts, das später auf den Namen Flaniermeile getauft worden ist. Außerdem einer der wenigen Anwohner in dem größtenteils von Büros geprägten Quartier.

Die FDP ist weiterhin kein Fan der Verkehrswende. »Die von der Sperrung der Friedrichstraße verursachten Probleme können nicht mit einer weiteren Sperrung gelöst werden«, erklärt Felix Reifschneider, verkehrspolitischer Sprecher der Liberalen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. »Tatsächlich wird der Autoverkehr nur in andere Straßen verlagert«, behauptet er, die Ergebnisse der Sperrung der Friedrichstraße ignorierend. Denn der Autoverkehr hat insgesamt abgenommen. Er will, dass geprüft wird, die Charlotten- und die Glinkastraße in gegenläufige Einbahnstraßen zu verwandeln. »Zudem könnte die Friedrichstraße als Shared Space gestaltet werden, in dem Fahrrad-, Auto- und Lieferverkehr zu bestimmten Zeiten zugelassen ist, ohne dass der Charakter einer Fußgängerzone verloren geht«, so der Vorschlag von Reifschneider. Bekanntlich beklagten die Kritiker, auch bei der CDU, die »Radautobahn«, die Fußgänger am Flanieren hindere.

Für die künftige Gestaltung der Flaniermeile ist eine breite Beteiligung geplant, die Mobilitätsverwaltung will einen Gestaltungswettbewerb ausschreiben. »Ein genauer Zeitpunkt des Baubeginns steht noch nicht fest, sondern ist abhängig von den vorgelagerten Verfahren«, heißt es von der Verwaltung. Der Fahrradclub ADFC weist auf Twitter darauf hin, dass die Umleitung des Radverkehrs in die Charlottenstraße nur gelingen wird, wenn diese zeitgleich umgebaut wird und »Autos auf der neuen Route Gast bleiben«.

»Hier in der Friedrichstraße haben wir nun die echte Chance, ein Paradies für Fußgängerinnen und Fußgänger zu schaffen. Dies stößt bei vielen Geschäftsleuten auf Ablehnung, was auch an der bisherigen Umsetzung liegt«, sagt Kristian Ronneburg zu »nd«. Der Verkehrsexperte der Linksfraktion befürwortet daher den geplanten Gestaltungswettbewerb. »Es wäre unlogisch, wenn autofreie Straßen, wie wir sie aus anderen europäischen Metropolen kennen, nicht auch in Berlin zum Erfolg, auch der lokalen Wirtschaft, führen würden«, so Ronneburg weiter.

Unzufriedenheit gibt es auch an der Schönhauser Allee. 2023 soll beidseitig zwischen Danziger und Gleimstraße auf 720 Metern Länge die als Parkstreifen genutzte rechte Spur zum Radweg werden. »Wir nehmen den ruhenden Verkehr raus, damit der momentan wirklich mörderische Radverkehr in der Schönhauser Allee sicherer wird. Damit es nicht zu so vielen Kollisionen mit Fußgängern kommt und auch die Gehwege breiter werden«, sagt Mobilitätssenatorin Bettina Jarsch (Grüne) zu »nd«. Die mittlere Spur neben dem Straßenbahngleis soll zu gewissen Tageszeiten als Lieferzone dienen. »Optimal ÖPNV-feindlich« nennt der Berliner Fahrgastverband IGEB die Lösung, da die Straßenbahn sich ihre Spur weiter mit Autos teilen muss und »weiter ausgebremst« werde. »Es geht immer darum, dass der Radverkehr der erste Sieger ist und der ÖPNV erst dann folgt«, beklagt IGEB-Sprecher Jens Wieseke gegenüber »nd«.

»Wenn wir wirklich wollen, dass nirgendwo mehr Stau entsteht, dann müssen es weniger Autos werden. Um diese Wahrheit kommen wir bei alldem, was wir tun, nicht drumherum«, verteidigt Jarasch die in der Vorwoche vorgestellte Planungen. Mit Ampelschaltungen werde dafür gesorgt, »dass nicht die Straßenbahn im Stau steht, sondern dass die Autos gegebenenfalls dahinter warten müssen«, verspricht sie. »Es wird durch den breiten Radweg für die Tram nicht besser, aber auch nicht schlechter werden, denn das ist Alltag in der Schönhauser Allee«, so Jarasch weiter. Hier stellt sie keine Änderungen in Aussicht.

»Verbesserungen für den Radverkehr sind an der Schönhauser Allee dringend notwendig, jedoch darf das nicht dazu führen, dass die Straßenbahn ausgebremst wird«, sagt auch Linke-Verkehrsexperte Kristian Ronneburg. Das Konzept sei »nicht zu Ende gedacht«, kritisiert er. »Eine Verkehrswende in Berlin wird es ohne Straßenbahn nicht geben können, das muss auch die Senatsverwaltung endlich verstehen«, erklärt der Linke-Politiker.

Anders sieht es an der Torstraße in Mitte aus. »Die Planung schaue ich mir mit meiner Staatssekretärin Meike Niedbal noch einmal ganz genau an«, verspricht Jarasch. Ihr Parteifreund, der studierte Verkehrsplaner Stefan Lehmkühler, hatte kürzlich gegenüber »nd« »schwerwiegende Planungsfehler« moniert und einen Alternativentwurf vorgelegt, der Lieferanten, Rettungsfahrzeuge und den Busverkehr besser berücksichtigt.

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