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Wahlergebnis stürzt Nord-SPD in Ratlosigkeit

Nach der heftigen Schlappe im hohen Norden ringen die Sozialdemokraten mit sich selbst

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Das schlechteste Wahlergebnis in ihrer Geschichte stürzt die schleswig-holsteinische SPD in eine tiefe Krise. Am Dienstag wurde die eigentlich angesetzte Wahl für den Vorsitz in der auf zwölf Abgeordnete geschrumpften neuen Landtagsfraktion so überraschend wie kurzfristig abgesagt. Unter Druck steht vor allem die Landesvorsitzende und stellvertretende Bundesvorsitzende Serpil Midyatli.

Der Absturz auf nur noch 16 Prozent bedeutet ein Minus von 11,3 Prozent und einen Verlust von gleich neun Mandaten. Die Sozialdemokraten sind im Kräfteverhältnis als nur noch drittstärkste Partei sogar hinter die Grünen zurückgefallen. Und weil nicht einmal in den bisherigen Hochburgen wie Kiel und Lübeck auch nur ein einziges Direktmandat errungen wurde, berechtigen lediglich die ersten zwölf Plätze der Landesliste für den Einzug ins Landesparlament.

Besonders die bisher stets nach oben zeigende politische Karriere Midyatlis hat nun einen deutlichen Dämpfer bekommen. Auf einer mitgliederoffenen Landesvorstandssitzung am Montagabend wurde auch darüber diskutiert, ob das Wahlergebnis auch personelle Konsequenzen nach sich ziehen müsse. An der Basis sind nicht alle damit einverstanden, dass es nach der deftigen Wahlschlappe ein »Weiter so« gibt und dass die Ursachen für den Absturz allein der Corona-Pandemie, dem Thema Ukraine oder der ungeheuren Popularität des CDU-Ministerpräsidenten Daniel Günther zugeschoben werden.

Die von Infratest dimap ermittelte Statistik zur Stimmen-Abwanderung macht das ganze Ausmaß des Wahldesasters deutlich: An die CDU gingen aus dem SPD-Lager im Vergleich zur Wahl im Jahr 2017 62 000 Stimmen. An die Grünen verlor man 36 000 Stimmen, der Südschleswigsche Wählerverband mit dem vielleicht SPD-ähnlichsten Wahlprogramm zwackte 16 000 Stimmen ab. 2000 Stimmen wanderten zur AfD. Besonders wehtun dürften auch die 28 000 Stimmen, die ans Nichtwähler-Lager gingen.

Der krachend gescheiterte Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller kündigte am Montag noch an, Midyatli erneut zur Fraktionsvorsitzenden vorschlagen zu wollen. Diese Wahl wurde nun erst einmal auf unbestimmte Zeit verschoben. Zu sehr diktiert die große Ratlosigkeit das Geschehen. Die neue Fraktion will sich nun nächste Woche erst einmal in eine Klausurtagung begeben. Außerdem hat man sich eine genaue Wahlanalyse auch mit auswärtiger Expertise auf die Fahnen geschrieben. Dabei sollte dann auch zur Sprache kommen, dass man besonders schlecht bei den 16- bis 24-jährigen Wahlberechtigten und bei den Über-45-Jährigen abgeschnitten hat.

Parteichefin Midyatli steht auch deshalb im Kreuzfeuer der Kritik, weil sie das Direktmandat auf dem Kieler Ostufer, wo seit 45 Jahren rot gewählt wurde, gegen die CDU-Außenseiterin Seyran Papo verloren hat. Im Duell der beiden in der Familie Migrationswurzeln aufweisenden Kandidatinnen verlor das SPD-Bundesvorstandsmitglied gegen den CDU-Nobody, die 2012 noch auf dem Wahlzettel für die Linke antrat.

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