• Berlin
  • Polizeikritische Kunstaktion

Plakatieren gegen die »Pozilei«

Zum Polizeikongress taucht Satire-Werbung gegen rechte Netzwerke in der Behörde auf

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 3 Min.
An einem S-Bahnhof prangert ein Satire-Plakat die rechtsextremen Netzwerke in der Polizeibehörde an.
An einem S-Bahnhof prangert ein Satire-Plakat die rechtsextremen Netzwerke in der Polizeibehörde an.

»Wir sind Nazi-Netzwerk, nur größer«, steht auf dem Plakat, dahinter das Foto eines militärisch ausgerüsteten Polizisten. Die Gestaltung kommt Werbung der Berliner Polizei sehr nahe – dass es sich um Satire handelt, verrät spätestens der Schreibfehler »Pozilei« neben dem Logo.

Am Mittwoch sind Dutzende solcher Plakate im Rahmen einer Adbusting-Aktion aufgetaucht. Adbusting steht für »Busting« (kaputt machen) und »Advertisment« (Werbung) und beschreibt die aktivistische Kunstform, für politische Botschaften Werbeplakate zu verändern oder auszutauschen. Anlässlich des zweitägigen Polizeikongresses in Berlin, der am Donnerstag endete, prangert die aktuelle Fake-Werbung rechtsextreme Netzwerke in der Behörde an. Der sogenannte Kongress gleicht eher einer Messe für Sicherheits- und Rüstungstechnik und hat in den vergangenen Jahren kritischen Medien die Akkreditierung verweigert.

Die Gruppe »110%subversiv« bekennt sich zu der Aktion. Ein*e Sprecher*in mit dem Pseudonym Benjamin Pendro erklärt, dass ein Drittel der insgesamt 60 Poster in Messenähe aufgehängt worden sei, um die dorthin angereisten Polizist*innen, Politiker*innen und Sicherheitsexpert*innen zu »ärgern«. Die anderen zwei Drittel habe die Gruppe an S‑Bahnhöfen angebracht, um möglichst viele Menschen zu erreichen.

Der Sprecher der Berliner Polizeigewerkschaft GdP, er heißt tatsächlich Benjamin Jendro, zeigte sich in einer Mitteilung von Mittwoch wenig begeistert: »Die Plakate sind perfide, denn sie offenbaren ein Schubladendenken und diffamieren all unsere Kolleginnen und Kollegen«, so Jendro. Zugleich räumte er ein, dass es durchaus Fälle gebe, »in denen Polizisten rechtswidrig Gewalt anwenden oder extremistisches Gedankengut präsentieren.« Dafür sei aber in der Berliner Polizei »kein Millimeter Platz«. Die Polizei versucht derweil, die Poster schnellstmöglich zu entfernen, wie die Pressestelle auf nd-Anfrage mitteilt. Das Landeskriminalamt ermittle wegen Verleumdung und Verletzung des Kunsturheberrechts, schließlich sei das Logo der Polizei verwendet worden. »Damit wurde der Anschein erweckt, es handele sich um ein Plakat von uns«, so die Polizeisprecherin.

Pendro von »110%subversiv« fürchtet keine strafrechtliche Verfolgung. Den Vorwurf, Urheberrecht verletzt zu haben, hält Pendro für besonders abwegig: »Das ist völliger Quatsch. Wenn man Behörden veralbert, darf man deren Logos klauen so viel man will.« Mohamad El-Ghazi, Professor für Strafrecht an der Uni Trier, stimmt der Einschätzung zu – die Meinungs- und Kunstfreiheit stehe hier über dem Urheberrecht. Auch den Verleumdungsvorwurf kann er nicht nachvollziehen: »Dass bei der Polizei Nazis arbeiten, ist eine Meinung, keine ehrrührige Tatsachenbehauptung«, sagt er zu »nd«. Höchstens die einfache Beleidigung käme in Betracht, ein vergleichbar milder Straftatbestand.

Tatsächlich zogen Adbusting-Aktionen in den vergangenen Jahren viel Aufmerksamkeit der Ermittler*innen auf sich. 2018 landete eine ähnliche Satire-Plakatierung gegen den Polizeikongress im Bericht des Bundesverfassungsschutzes, 2019 führte die Verfolgung gar zu Hausdurchsuchungen in Berlin. Verschiedene Versuche von Staatsanwaltschaften, Adbusting unter anderem mit Vorwürfen wie schwerem Diebstahl, Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung zu bestrafen, scheiterten vor Gericht. »Die Staatsanwaltschaft hat keinen Bock mehr«, so Pendro. »Die haben mittlerweile geschnallt, dass sie nichts machen können.« Es herrsche deshalb »Narrenfreiheit« – nur vor direktem gewaltvollen Einschreiten der Polizei hätten die Aktivist*innen derzeit Angst.

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