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Hohnsteiner Gedächtsnislücke
Ausstellung soll wieder an KZ-Geschichte einer Burg in der Sächsischen Schweiz erinnern
Das fröhliche Jugendleben war am 8. März 1933 endgültig vorbei. An diesem Tag rückte die SA auf Burg Hohnstein ein, die seit 1924 die größte Jugendherberge im Deutschen Reich gewesen war. Der Dresdner Landtag hatte diese Nutzung der landeseigenen Burg beschlossen, die in der Sächsischen Schweiz auf Sandsteinfelsen über dem Tal der Polenz thront und zuvor unter anderem Gefängnis gewesen war. »Man wollte einen Umbruch«, sagt Steffen Richter vom Verein »Alternatives Kultur- und Bildungszentrum« (Akubiz). Eine Ausstellung in dessen Domizil in der Pirnaer Altstadt zeigt das bunte, internationale Treiben der 1920er Jahre und dessen abruptes Ende. Die Nazis richteten auf der Burg ein »Schutzhaftlager« ein, einen Vorläufer der späteren Konzentrationslager (KZ), in dem bis August 1934 Tausende politische Gegner interniert und misshandelt wurden. 140 kamen ums Leben. Erster Insasse war mit SPD-Mitglied Konrad Hahnewald ausgerechnet der vormalige Herbergsleiter.
Die fast 30 Tafeln voller Schwarz-Weiß-Fotos, die beim Akubiz zu sehen sind, hingen bis 1995 in der Burg – als Teil einer umfangreichen Ausstellung über deren Geschichte, die bis ins Mittelalter reichte. Dann wurden sie abgenommen, verschwanden und tauchten erst kürzlich wieder auf einem Dachboden der Burg auf. In deren Mauern erinnerte in den fast drei Jahrzehnten seither kaum etwas an das düstere Kapitel. Zwar gibt es ein Mahnmal und eine Tafel vor dem Burgtor. Eine verbliebene kleine Ausstellung widmete der NS-Zeit aber nur zwei Vitrinen und »verdiente den Namen nicht«, sagt Richter. Inzwischen ist auch sie verschwunden: »Wer heute als Tourist nach Hohnstein kommt, erfährt nichts über das KZ.«
Zeitweilig drohte eine Privatisierung
In Hohnstein ist es freilich nicht nur um das Gedenken schlecht bestellt; zwischenzeitlich war auch das Schicksal der Burg offen. Diese hatte der Landkreis Sächsische Schweiz / Osterzgebirge 1996 an das Familien- und Häuserwerk der Naturfreunde Deutschland verpachtet. Das investierte zwar in die Herberge und entwickelte sie zu einem beliebten Reiseziel; allein 2016 verbuchte man 27.000 Übernachtungen. Allerdings rutschte der Träger 2007 in die Insolvenz. Nach zehn Jahren wurde das Verfahren abgeschlossen – mit der Trennung von Burg Hohnstein. Sie fiel an den Landkreis zurück, der eine solche Immobilie aber nicht betreiben wollte. Zeitweise stand daher gar eine Privatisierung im Raum. Ein Alptraum-Szenario für die Stadt, die sich ihrerseits indes mit dem Komplex ebenfalls überfordert fühlte, nicht zuletzt angesichts notwendiger Sanierungsarbeiten an Dächern, Fassaden und Mauern, die etliche Millionen Euro kosten sollen.
Nach einigem Hin und Her erklärte sich die nicht einmal 3000 Einwohner zählende Kommune 2018 aber doch bereit, eine gemeinnützige, städtische Betreibergesellschaft zu gründen. Sie kümmert sich um den Betrieb von Hotel und Herberge mit zusammen 238 Betten und erwirtschaftet eine Million Euro Umsatz im Jahr. Das Modell wurde zunächst als befristete Variante dargestellt, hat sich aber bewährt, sagt Bürgermeister Daniel Brade. Zudem hat sich Hohnstein nun sogar bereiterklärt, die Immobilie vom Landkreis zu übernehmen.
Geldzusagen reichen noch nicht für Sanierung
Abhängig ist das davon, ob die Kommune genug Fördermittel für die Sanierung erhält. Zwar gab es schon bisher einen regelrechten Geldsegen. Der Landkreis habe einen Investitionszuschuss von 2,6 Millionen Euro zugesagt, sagt Brade. Der Bund stellte im November 2019 ebenfalls 2,7 Millionen Euro Fördermittel in Aussicht. Der Freistaat schließlich wolle das Vorhaben mit bis zu 3,6 Millionen Euro fördern, hieß es bei der Unterzeichnung einer Absichtserklärung im August 2019. »Das muss aber alles noch aufgestockt werden«, sagt Brade. Eine Machbarkeitsstudie ging 2018 von Kosten für Sanierung und Ausstattung der Burg von acht Millionen Euro aus. »Das reicht bei weitem nicht«, sagt Brade, der von etwa 30 Millionen ausgeht. Kommt das Geld zusammen, soll 2024 mit den Arbeiten begonnen werden; abgeschlossen sein könnten sie 2030. Das, fügt der Rathauschef an, sei aber »eine hehre Aufgabe«.
Künftig wird die Burg neben Hotel und Herberge, Tagungsräumen und Freizeitbereich auch wieder ein Museum beherbergen. Auch dessen inhaltliche Ausgestaltung wird am Geld nicht scheitern. Im Oktober sagte Sachsen 619 000 Euro aus dem Vermögen der Parteien und Massenorganisationen der DDR zu. Für die Gestaltung der Ausstellung wurde das Leipziger Büro KOCMOC (gesprochen: Kosmos) gewonnen. Eine vielversprechende Wahl, findet Steffen Richter. Immerhin hat das Büro bei der Gestaltung der 2020 eingeweihten neuen Dauerausstellung in der Feldscheune Isenschnibbe bei Gardelegen auch schon respektable Lösungen für das Gedenken an Verbrechen der NS-Zeit gefunden. Dort wird an die Ermordung von über 1000 KZ-Häftlingen während eines Todesmarsches am 13. April 1945 erinnert.
Übergangsausstellung ist auf Spenden angewiesen
Beim Akubiz hofft man, in die Arbeit einbezogen zu werden; immerhin hat sich der Verein durch seine Recherchen und Bildungsangebote etwa in Form von Wanderseminaren intensiv wie kaum eine andere Einrichtung mit der NS-Geschichte von Hohnstein befasst. Die neue Ausstellung muss nach Angaben Brades wegen der Förderkriterien bis 2025 fertig sein. Zugleich jährt sich 2023 die Errichtung des frühen KZ zum 90. Mal. Um die damaligen Ereignisse dann angemessen darstellen zu können, hat der Betreiber mit dem Akubiz vereinbart, dass dieses eine Interims-Ausstellung erarbeitet. Die fünf Tafeln sollen im so genannten Frauen-Bunker präsentiert werden und die Zeit der Jugendburg ab 1924, die des frühen KZ in den Jahren 1933/34 sowie eines späteren Kriegsgefangenen- und Offizierslagers von 1939 bis 1945 darstellen. Die Texte befänden sich derzeit in der Endabstimmung, sagt Richter.
Um die Tafeln drucken zu können, ist der ausschließlich ehrenamtlich tätige Verein aber auf Spenden angewiesen. Ein entsprechender Aufruf wurde auf der Plattform Betterplace gestartet. Von den insgesamt nötigen 2200 Euro müssen noch 1800 Euro eingeworben werden. Bis zum Sommer 2022 soll die vorläufige Ausstellung fertig gestellt sein. Dann, sagt Steffen Richter, werde es auf Burg Hohnstein erstmals seit 1995 wieder fundierte Informationen am historischen Ort des zeitweiligen Konzentrationslagers geben.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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