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Öffentliche Eigentumswohnungen
Stadtentwicklungssenator sieht Verkauf als mögliche Finanzierungssäule für Neubau
»Wenn wir ergänzend darüber nachdenken, Eigentum für Mieterinnen und Mieter für die eigene Wohnung möglich zu machen und das Risiko von den Mieterinnen und Mietern wegzunehmen und bei den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften zu lassen, ist das ein weiterer Finanzierungsweg«, sagt Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) zu »nd«. Er möchte also, dass Landes-Wohnungsunternehmen selbst Häuser aufteilen und Wohneinheiten verkaufen. Zwar fließe deutlich mehr Geld in die Wohnungsbauförderung. »Wir werden aber jedes finanzielle Problem nicht einfach wegsubventionieren können mit öffentlichen Geldern.«
»Der Kern bei landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sind Mietwohnungen. Wir haben aber gerade in den letzten Wochen enorme Kostensteigerungen alleine durch den Ukraine-Krieg, damit verbundene Lieferschwierigkeiten und steigende Rohstoffpreise, die die vorhandenen Kalkulationen enorm in Bedrängnis bringen«, so Geisel weiter. Er rechne nicht mit einem großen Beitrag, es sei aber »eine weitere Einnahme, und es ist vor allem für die Mieterinnen und Mieter Vermögensbildung und Alterssicherung«.
»Warum wollen wir nicht dafür sorgen, dass Mieterinnen und Mieter sich ihre eigene Wohnung leisten und damit einen Beitrag zur Finanzierung leisten und gleichzeitig eine Altersabsicherung haben und auch von diesen Entwicklungen partizipieren?«, fragt Geisel. »Jetzt einfach zu sagen: Wir wollen nicht, dass es weitere Finanzierungswege gibt, und dann werden eben keine Wohnungen gebaut, ist, glaube ich, der falsche Weg, weil die dringend benötigt werden«, unterstreicht er. Das sei »explizit im Koalitionsvertrag genannt, weshalb ich mich wundere, dass es Koalitionspartner gibt, die sich nicht an den Text des Koalitionsvertrags erinnern«, erklärt der Senator.
»Unser Koalitionsvertrag ist an mehrfacher Stelle eindeutig. Und der Koalitionsvertrag gilt. Eigentumswohnungen durch Landes-Wohnungsunternehmen sind nicht vorgesehen, im Gegenteil«, entgegnet Grünen-Mietenexpertin Katrin Schmidberger. »Wir haben uns sogar verständigt, uns im Parlament für die Verankerung eines Privatisierungsverbots von landeseigenen Wohnungen in der Berliner Verfassung einzusetzen«, so Schmidberger weiter. »Senator Geisel muss hier eine Fehlinterpretation bezüglich der kooperativen Baulandentwicklung für Private passiert sein.«
»Die Landeseigenen Wohnungsunternehmen haben zudem weder ausreichend Grundstücke, noch Personal und Planungskapazitäten, um jetzt noch wie ein privater sogenannter Entwickler in den renditegetriebenen Eigentumswohnungsmarkt einzusteigen«, ergänzt die Grünen-Politikerin. »Die Unternehmen sind nicht Accentro oder Ziegert Immobilien, sondern ihre zentrale Aufgabe ist die soziale Wohnraumversorgung.« Außerdem sei es »mehr als fraglich, dass ein solches Vorhaben wohnungswirtschaftlich funktionieren würde, denn die Eigentumswohnungen müssten sehr günstig sein, ansonsten würden ja nur Gutverdienende davon profitieren«, so Schmidberger weiter.
»Der Vorstoß des Senators ist nicht vom Koalitionsvertrag gedeckt«, sagt auch Niklas Schenker zu »nd«. »Wir hätten als Linke nie einem Vertrag zugestimmt, wenn der die Privatisierung landeseigener Grundstücke durch die Hintertür eröffnet«, unterstreicht der mietenpolitische Sprecher der Linksfraktion. Der Bau von Eigentumswohnungen gehöre »ganz sicher nicht zum sozialen Versorgungsauftrag der landeseigenen Wohnungsunternehmen«, ihr Auftrag seien »dauerhaft bezahlbare Mietwohnungen«.
»Sollten die Landes-Wohnungsunternehmen durch steigende Baukosten zusätzliche Finanzierungsquellen brauchen, dann sollte das durch Eigenkapitalzuschüsse des Landes gedeckt werden, anstatt den sozialen Versorgungsauftrag über Bord zu werfen«, sagt Niklas Schenker. Es sei auch »völlig unschlüssig, inwiefern Eigentumswohnungen so günstig gebaut werden sollen, dass sie für die Mitte der Stadt leistbar sind«.
Auch beim Berliner Mieterverein ist man wenig angetan von Andreas Geisels Idee. »Es gibt 350 000 umgewandelte Eigentumswohnungen in Berlin. Die Idee ist unnötig und überflüssig, die Umsetzung wäre eine Fehlleitung von öffentlichen Mitteln«, sagt Geschäftsführer Reiner Wild zu »nd«.
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