Große Chancen für Schwarz-Grün

Ampel-Koalition im Westen gilt als unwahrscheinlich

Vor der Landtagswahl 2017 hatte Armin Laschet, damals Oppositionsführer in Nordrhein-Westfalen, immer wieder davon gesprochen, dass er »Ökonomie und Ökologie versöhnen« wolle. Von Beobachtern der Landespolitik wurde das fast einhellig als Signal in Richtung einer schwarz-grünen Landesregierung gedeutet. Armin Laschet, der zu einer Gruppe von CDU-Politikern gehörte, die sich schon Anfang der 1990er Jahre mit Politikern der Grünen traf, schien prädestiniert für so ein Bündnis. Mit der Wahl und vor allem danach kam dann alles anders. Laschet bildete ein schwarz-gelbes Bündnis. Die Politik seiner Koalition war so gar nicht darauf ausgelegt, Ökonomie und Ökologie zu versöhnen. Mit der Räumung des Hambacher Forstes und einem – von breiten gesellschaftlichen Gruppen als zu spät eingeschätzten – Kohleausstieg brachte die CDU klimabewusste Menschen gegen sich auf. Zu den lautstärksten Kritikern der schwarz-gelben Politik gehörten immer die Grünen.

Jetzt hört sich Hendrik Wüst, der das Amt des Ministerpräsidenten im vergangenen Herbst von Armin Laschet übernommen hat, an wie sein Vorgänger. Am Tag nach der Landtagswahl, aus der CDU und noch mehr die Grünen als große Sieger hervorgegangen sind, erklärte Wüst, dass er ein »Zukunftsbündnis« schmieden wolle, in dem »Klimaschutz und Industrie« miteinander »versöhnt« werden sollen. Wüst, der lange Jahre als konservativer Scharfmacher galt, kämpft nun für eine schwarz-grüne Koalition. Sie ist seine beste Chance, um Regierungschef zu bleiben.

Ganz billig dürfte das für die CDU nicht werden. Mit ihren 18 Prozent strahlen die Grünen ein großes Selbstbewusstsein aus. Die Partei hat hat als einzige real Wählerstimmen hinzugewonnen. Wählten 2017 noch 539 000 Menschen mit der Zweitstimme grün, sind es jetzt fast 1,3 Millionen gewesen. Die CDU konnte mit 35,7 Prozent zwar ihr Ergebnis um fast drei Prozent verbessern, verlor real allerdings über 200 000 Zweitstimmen. Bei den Erststimmen verlor sie sogar über 600 000 Wähler. Dass die Christdemokraten wieder auf Platz Eins stehen, haben sie nur der um fast zehn Prozent zurückgegangenen Wahlbeteiligung zu verdanken.

Den Grünen ist bewusst, dass sie der einzige echte Wahlsieger sind. Dementsprechend selbstbewusst tritt ihre Spitzenkandidatin Mona Neubaur auch am Tag nach der Wahl auf. Der FAZ sagte sie, in einer künftigen Regierung müsse »deutlich eine grüne Handschrift erkennbar« sein. Wie diese Handschrift aussehen soll, das gibt Neubaur auch vor. Die »Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft und Gesellschaft« steht für die Chefin der Grünen an Rhein und Ruhr ganz oben auf der Prioritätenliste. In diesem Themenfeld habe die alte Landesregierung vor allem geredet und wenig gehandelt. Für die CDU mit dem inhaltlich flexiblen Hendrik Wüst dürfte es kein Problem sein, sich in diesen Themenfeldern mit den Grünen zu einigen. Schwieriger scheint es beim Themenfeld innere Sicherheit, bei dem Grüne und CDU in den vergangenen Jahren immer wieder aneinandergerieten. In einer Koalition müssten sich beide Parteien hier wohl auf minimale Kompromisse einigen.

Bei der NRW-Wahl abgestürzt ist die FDP. Mit 5,9 Prozent musste sie am Sonntagabend sogar um den Einzug in den Landtag zittern. Am Montagmorgen machte der liberale Spitzenkandidat Joachim Stamp im WDR seinem bisherigen Koalitionspartner Hendrik Wüst Vorwürfe. Wüst habe Erfolge der FDP für sich reklamiert. Etwa die »Entfesselungspakte« aus dem Wirtschaftsministerium, die für 400 000 Jobs gesorgt hätten, oder die Einführung sogenannter Talent-Schulen. Das sei »nicht fair« gewesen. Stamp erklärte, dass er enttäuscht ist. Eine Ampel-Koalition steht für den Chef der FDP-NRW nicht zur Debatte. Außerdem werde die CDU »für den Ministerpräsidenten-Posten im Zweifelsfall sämtliche Inhalte preisgeben«, sagt er mit Blick auf ein schwarz-grünes Bündnis.

Auch bei der SPD, bei der man am Wahlabend noch angriffslustig klang und eine Ampel-Koalition als ernsthafte Option vorschlug, ist man am Tag nach der Wahl zurückhaltender. Spitzenkandidat Thomas Kutschaty erklärte zwar, dass man für Gespräche bereit stehe, gleichzeitig räumte er aber auch ein, dass Hendrik Wüst den Aufschlag für Koalitionsgespräche machen müsse. Als Knackpunkte für das schlechteste Wahlergebnis der SPD in Nordrhein-Westfalen erkannte Kutschaty vor allem zwei Dinge. Die Entlastungspakete der Bundesregierung seien noch nicht im Bewusstsein der Menschen angekommen. Das sei schlecht gewesen, weil die Preissteigerungen eine dominante Sorge waren. Das zweite Problem: die niedrige Wahlbeteiligung. Gerade die alte Stammwählerschaft der SPD aus ärmeren Stadtteilen sei nicht an die Wahlurne gegangen. Die geringe Wahlbeteiligung müsse allen Demokraten Sorgen bereiten, so Kutschaty. Intern soll es bei der SPD nach der Wahlniederlage ziemlich rumpeln. Auch öffentlich äußern SPD-Politiker ihren Ärger. Von einer Kampagne, die nie »gezündet« hat, ist die Rede. Thomas Kutschaty schloß persönliche Konsequenzen und einen Rücktritt am Montag aus.

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