Änderungen für die Änderung

Mit seinem Hochschulgesetz will das Land Berlin eine Vorreiterrolle einnehmen. Nun hat der Senat einen neuen Entwurf vorlegen müssen

"Ich finde es bezeichnend, dass diejenigen mit sicheren Stellen darüber reden, wie schwierig die Umsetzung dieser Gesetzesnovelle doch ist", sagt der Student Gabriel Tiedje im Ausschuss für Wissenschaft und Forschung des Berliner Abgeordnetenhauses am Montag. Das Mitglied des Allgemeinen Studierendenausschusses (Asta) an der Technischen Universität Berlin klingt frustriert: "Dass die Uni-Leitungen nicht willig sind, Lösungen zu finden, hat man ja schon in den letzten zehn Jahren gesehen."

Der Grund für Tiedjes Enttäuschung: Nach wie vor zeigen sich Berliner Hochschulleitungen unzufrieden mit dem, was ihnen Ende der vergangenen Wahlperiode vom Land vorgelegt wurde. Mit einer Änderung des Berliner Hochschulgesetzes wollte die damals noch rot-rot-grüne Koalition unter anderem für mehr Festanstellungen für aufstrebende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sorgen. Vertreterinnen und Vertreter Berliner Universitäten aber halten die Vorgaben für zu unkonkret. Nun hat der Senat im Wissenschaftsausschuss einen ersten Entwurf zur erneuten Änderung vorgelegt.

"Grundsätzlich halten wir die Novelle für sinnvoll, notwendig und eilig", sagt Günter M. Ziegler, Professor und Präsident der Freien Universität Berlin im Bildungsausschuss. Nach wie vor sei der Regelungsbedarf, was die Umsetzung des Gesetzes angehe, umfangreich. Nur mit umfassenden Lösungsansätzen lasse sich dem laut Ziegler beikommen – "wenn wir den Anspruch haben, es richtig zu machen".

Im Fokus der Debatte steht insbesondere die sogenannte Anschlusszusage, die es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern mit befristeten Vertragsverhältnissen ermöglichen soll, eine anschließende unbefristete Beschäftigung frühzeitig zu vereinbaren. Mit seiner erneuten Änderung will der Senat unter anderem konkretisieren, dass dies ausschließlich für Haushaltsstellen gelten soll. Unklarheiten im Gesetzestext hatten zuvor dazu geführt, dass Universitäten die Verlängerung genau jener Stellen zwischenzeitlich aussetzten. Politikerinnen und Politiker der Koalition sprechen von einem Einstellungsstopp.

Vor Gericht allerdings wird nach wie vor diskutiert, ob das Berliner Hochschulgesetz als verfassungswidrig betrachtet werden muss oder nicht. Während die inzwischen zurückgetretene Präsidentin der Humboldt-Universität, Sabine Kunst, vor das Bundesverfassungsgericht zog, bemühen sich die Hauptstadtfraktionen von CDU und FDP vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof. In beiden Fällen wird – ähnlich wie einst beim Mietendeckel – die Kompetenz des Landes angezweifelt, die rechtlichen Vorgaben über die Strenge des Bundesgesetzes hinaus zu verschärfen.

"Wichtig ist, dass dieses Gesetz in seiner Substanz Bestand hat", sagt Tobias Schulze, wissenschaftspolitischer Sprecher der Berliner Linksfraktion, zu "nd". Den gerichtlichen Auseinandersetzungen sehe man gelassen entgegen: "Es geht hier um die Frage, was nach der Befristung kommt – und dort hat das Land zweifellos Gesetzgebungskompetenz." Schulze erhofft sich von der Regelung nicht nur massive Erleichterungen für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterhalb der Professur, den sogenannten Mittelbau. Er rechnet auch mit einer Signalwirkung des Gesetzes über Berlin hinaus.

Unterstützung erhält das Gesetz auch vom Berliner Landesverband der Bildungsgewerkschaft GEW. Laura Haßler wirft in einer Mitteilung einzelnen Universitäten vor, lediglich Privilegien der Professorenschaft bewahren zu wollen. "Kein Unternehmen würde es sich leisten, die besten Köpfe regelmäßig auf die Straße zu setzen", sagt die Leiterin des Vorstandsbereichs Hochschulen der GEW Berlin. Zugleich seien aber weitere Änderungen nötig, um für Rechtssicherheit zu sorgen. Gemeinsam mit Gewerkschaftsvertretungen demonstrierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Montag vor dem Abgeordnetenhaus. Sie befürchten, dass der Berliner Senat vor dem Widerstand der Universitäten einknickt und das Hochschulgesetz bedeutend entschärft.

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