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Keine Mehrheit im Libanon
Parteien müssen Kompromiss im Parlament finden
Die Parlamentswahlen im Libanon haben keinen Wahlsieger hervorgebracht, die Regierungsbildung dürfte schwierig werden. Die maronitisch-christlichen Wähler haben sich mehrheitlich für die Freie Patriotische Bewegung (FPM) von Dschibran Bassil entschieden, die 22 Abgeordnetenmandate für sich gewinnen konnte; die Partei Libanesische Kräfte (LF) kam nur auf 18 Sitze. Beide Parteien vertreten die maronitischen Christen, die im konfessionellen politischen System des Libanons den Präsidenten stellen. Die Amtszeit von Staatschef Michel Aoun läuft im Oktober aus, so dass FPM-Vorsitzender Dschibran Bassil sein Nachfolger werden könnte.
Das aber könnte schwierig werden, da der Präsident vom Parlament gewählt wird, das auch eine neue Regierung bestätigen muss. Das Parlament hat 128 Abgeordnete, die nach dem konfessionellen Proporz zu je 50 Prozent Muslime (schiitische und sunnitische) und zu 50 Prozent Christen sein müssen. Um eine neue Regierung zu bilden oder auch einen neuen Präsidenten zu bestimmen, bedarf es eines Vermittlers. Dies könnte möglicherweise Drusenführer Walid Dschumblatt werden.
Mehrheitsentscheidungen sind schwer zu erreichen in der libanesischen Politik. Sie werden nicht nach politischen Programmen, sondern religiöser Zugehörigkeit geschaffen, was ein Höchstmaß an Kompromissfähigkeit voraussetzt. Keine der Parteien und Allianzen im neuen Parlament verfügt über eine Mehrheit. Die sunnitischen Muslime sind nicht mal mit einer eigenen Partei vertreten. Zu befürchten ist, dass – wie schon im Wahlkampf – sowohl die Golfstaaten als auch EU und USA versuchen werden, auf Regierungsbildung und Präsidentenwahl Einfluss zu nehmen. Ein Stillstand wäre die Folge.
Dass einige der traditionellen Parteien Sitze verloren haben, ist ein Zeichen, dass deren Wähler Kandidaten bevorzugt haben, denen sie Veränderung zutrauen. Vom Wunsch nach »neuen Gesichtern« profitierten die »Unabhängigen«, die im neuen Parlament mit zwölf Abgeordneten vertreten sein werden. Die »Unabhängigen« sind aus der Protestbewegung von 2019 hervorgegangen, stammen allerdings zum Teil aus den traditionellen Parteien. Als heterogene Gruppe mit teilweise gegenteiligen Positionen werden sie die aktuelle Politik jedoch kaum ändern können. Sie erhielten hohe Medienaufmerksamkeit und verbreiteten ihre Vorstellungen über soziale Medien – mit viel Unterstützung aus den arabischen Golfstaaten, Europa und den USA. Ihr Wahlkampf war zumindest teilweise von Anti-Hisbollah-Parolen geprägt.
Für die Wähler bleibt entscheidend, dass die unerträgliche Wirtschaftskrise überwunden wird. Am Tag nach den Wahlen wurde erneut der Benzinpreis angehoben, der Umtauschkurs für den US-Dollar stieg von 28 000 Libanesischen Pfund (LPD) auf zeitweise bis zu 30 000.
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