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  • Verschwörungstheorie vom "Großen Austausch"

Rechtsterrorismus wird zur Normalität

Mit der Verschwörungstheorie vom »Großen Austausch« rechtfertigen Rechte ihren rassistischen Krieg gegen nicht-weiße Menschen, meint Natascha Strobl

  • Natascha Strobl
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist auf eine schreckliche Art beeindruckend, wie sehr sich der Ablauf der rechtsterroristischen Terroranschläge ähnelt. Erst vergangene Woche wurde in Essen ein rechtsextremer Terroranschlag eines Teenagers vereitelt. Am Wochenende waren die Behörden in Buffalo (USA) zu spät. Die Täter sind junge Männer. Sie hinterlassen ein Manifest, das in entsprechenden Online-Räumen fleißig geteilt wird. Sie bieten einen Livestream während ihrer Tat, als sei sie ein Computerspiel, an dem alle teilhaben können. Und nicht zuletzt ist die ideologische Begründung der Tat der »Große Austausch«.

Der »Große Austausch« ist eine Verschwörungserzählung, die der französische Faschist Renaud Camus seit Anfang der 2010er Jahre schriftlich ausgeführt hatte. Popularisiert hat sie aber die Identitäre Bewegung in den Jahren 2015/16. Zur Zeit der großen Fluchtbewegungen stellten sie die Idee des »Großen Austauschs« den greifbaren Fakten gegenüber.

Natascha Strobl
Natascha Strobl ist Politikwissenschaftlerin und Autorin aus Wien. Auf Twitter schreibt sie Ad Hoc-Analysen zu rechtsextremer Sprache und faschistischen Ideologien, für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »Rechte Umtriebe«. Darin widmet sie sich der Neuen und Alten Rechten und allem, was sich rechts der sogenannten Mitte rumtreibt. Alle Texte auf dasnd.de/umtriebe.

Die Vorstellungen hinter dieser Verschwörungserzählung sind diese: Ein einst mächtiges, angestammtes europäisches Volk wurde dekadent und verweichlicht. Schuld daran sind Hedonismus, Drogen und popkulturelle Ablenkungen. Den Todesstoß aber gab der Feminismus, denn er hat bewirkt, dass Frauen keine völkisch wünschenswerten Kinder mehr bekommen. Der Feminismus hat den weißen Frauen Flausen in den Kopf gesetzt und jetzt haben sie Jobs und sind finanziell unabhängig. Der erste Vorwurf der Austausch-Verschwörung richtet sich also immer gegen den Feminismus.

Im streng binären Denken des völkischen Rechtsextremismus ist die Reproduktion des Volkes Aufgabe von Frauen, sie müssen möglichst viel möglichst wünschenswerten Nachwuchs in die Welt setzen. Nicht, weil sie möchten oder es in die Familienplanung passt, sondern weil sie sich in einem Krieg der Geburtenraten gegen die, die als völkisch nicht wünschenswert gesehen werden, befinden. Diese nicht Wünschenswerten werden vor allem rassistisch markiert, aber auch nach Klassenzugehörigkeit bzw. in Verbindung dieser beiden Kategorien. Während weiße Frauen zu wenige Kinder bekommen, so bekommen nicht-weiße Frauen (und hier vor allem schwarze und muslimische Frauen) in diesem Denken zu viele Kinder. Die Obsession mit Geburtenraten ist integraler Bestandteil des Austausch-Denkens. Der Hass auf Frauen ebenso. Frauen und Feminismus sind der innere Feind in diesem Krieg. Und die extreme Rechte rüstet sich geistig und physisch zu einem globalen Krieg entlang völkisch definierter Grenzen.

Der äußere Feind und damit die zweite Komponente sind diffus skizzierte global (oder wie sie es schreiben: globalistisch) agierende unglaublich mächtige Kräfte. Wenn ein Name und ein Gesicht genannt und gezeigt wird, dann ist es das des Investors George Soros, der das Mastermind hinter allem sein soll. Diese nahezu omnipotenten Kräfte agieren aus purem Hass auf die angestammten europäischen bzw. weißen Bevölkerungen. Es ist nicht schwer zu sehen, was hinter diesen Erzählungen steckt: Die Idee einer Weltverschwörung der heimatlosen Juden gegen die starken und mit ihrer Heimat verbundenen europäischen Völker. Das ist die Erzählung des modernen Antisemitismus, der aus Juden und Jüdinnen mächtige, aber bösartige und feige Verschwörer*innen macht.

Die dritte Komponente in dieser Erzählung sind jene, gegen die Weiße, Europäer… angeblich ausgetauscht werden. Das sind Menschenmassen, die in einer rassistischen Unterscheidung als »anders« definiert werden. Das betrifft vor allem Muslime und Schwarze, aber auch Latinos oder asiatische Menschen. Diese »Anderen« lassen sich beliebig erweitern. Sie werden zu einer einheitlichen Masse geformt. Diese riesige Masse an »Anderen« ist im Austausch-Denken eine Armee, die Individuen in ihr Kombatanten in einem Krieg. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Kinder oder ältere Kirchengeherinnen handelt, für die Austauschs-Fanatiker*innen sind sie Soldat*innen. Und zwar Soldat*innen, die angreifen.

Rechtsterroristen glauben also, sie handelten aus Notwehr, weil sie angegriffen werden in einem Krieg, der längst begonnen hat und in dem sie der Übermacht einer Armee und einer globalen Verschwörung gegenüber stehen.

Das ist es, was dieses Verschwörungsdenken so gefährlich macht – die Eskalation zur massenhaften Gewalt, zum Terror ist extrem kurz. Umso wichtiger ist es, diese Verschwörungserzählungen immer als das zu benennen, was sie sind und ihnen keinerlei Legitimation zu geben: Der »Große Austausch« ist die faschistische Imagination und Legitimation für einen weltweiten rassistischen Krieg zur vermeintlichen Verteidigung einer ebenso imaginierten weißen Kultur.

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