Emmanuel Macron setzt auf Kontinuität

Frankreichs neue Regierung zur Hälfte identisch mit der alten. Für Schlüsselpositionen wählt der Präsident rechte Politiker

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 5 Min.
Mit einer neuen Regierung will Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron auch einen neuen Kurs in seiner Politik einleiten, insbesondere in der Außen- und Verteidigungspolitik.
Mit einer neuen Regierung will Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron auch einen neuen Kurs in seiner Politik einleiten, insbesondere in der Außen- und Verteidigungspolitik.

Der gerade wiedergewählte Präsident Emmanuel Macron hatte erklärt, dass seine »zweite Amtszeit keine einfache Fortsetzung der ersten« sein solle, sondern dass er eine »neue Ära« einleiten wolle. Die Postenverteilung in der neuen Regierung zeigt jedoch, dass er vor allem auf Kontinuität setzt. Die Regierungsmannschaft, die in der Übergangszeit bis zur Parlamentswahl relativ klein ist und danach ergänzt und eventuell auch noch umgebildet wird, zählt 27 Minister und Staatssekretäre. Sie ist erstmals in der Geschichte Frankreichs ausgewogen nach Geschlechtern, mit 14 Frauen – unter Einschluss von Premierministerin Elisabeth Borne – und 14 Männern.

Mehr als die Hälfte gehörten schon der bisherigen Regierung an. Von ihnen behielten drei sogar ihr strategisch wichtiges Amt: Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire, Innenminister Gérard Darmanin und Justizminister Eric Dupont-Moretti. Die anderen wechselten das Ministerium. Entsprechend der Ankündigung von Emmanuel Macron, dass seine zweite Amtszeit im Zeichen des Umwelt- und Klimaschutzes stehen solle, wurden die Verantwortung und die Amtsbezeichnung der Premierministerin durch den Hinweis für die »ökologische Planung« ergänzt. Außerdem wurde dem Umweltministerium ein weiteres Ministerium speziell für den Energiewandel an die Seite gestellt.

Einige der neuen Regierungsmitglieder konnte Macron bei den rechtsbürgerlichen Republikanern abwerben, beispielsweise Catherine Colonna, die unter Präsident Jacques Chirac Regierungssprecherin war, oder den bisherigen Fraktionsvorsitzenden der Republikaner in der Nationalversammlung, Damien Abad. Dem steht der eher linke parteilose Soziologe Pap Ndiyae gegenüber, der Bildungsminister wurde. Er war Direktor des Pariser Museums für Einwanderung, hat über diskriminierte Minderheiten in den USA geforscht und in den Medien wiederholt Stellung genommen gegen Rassendiskriminierung und Polizeigewalt in Frankreich. Insgesamt ist die Regierung aber trotz Macrons Credo, »weder rechts noch links« zu sein, wieder ein Stück weiter nach rechts gerückt.

Zwei Schlüsselpositionen sind jetzt durch rechte Politiker besetzt: Catherine Colonna, die zuletzt Botschafterin in London war, löst als Außenministerin den international sehr respektierten Jean-Yves Le Drian ab, der dieses Amt seit 2017 ausgeübt hat und der zuvor unter dem sozialistischen Präsidenten François Hollande Verteidigungsminister war. Neuer Verteidigungsminister wurde Sébastien Lecornu, der auf diesem Posten die ehemalige Sozialistin Florence Parly ablöst. Lecornu war zuletzt Minister für Überseegebiete und saß vor dem Überwechseln ins Lager Macrons für die Republikaner im Senat.

Die Umbesetzung auf diesen beiden Schlüsselpositionen ist Ausdruck einer neuen, offensiveren Strategie in der Außen- und Verteidigungspolitik. Die ist nach Überzeugung Macrons nötig seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine und der sich dadurch verschärfenden politischen und militärischen Situation in Europa und ihren wirtschaftlichen Konsequenzen. Innenpolitisch geht es für den wiedergewählten Präsidenten jetzt darum, bei der Parlamentswahl wieder eine Mehrheit in der Nationalversammlung zu erlangen, damit auch weiterhin seine Reformen und Gesetze das Parlament passieren.

Während die rechten Republikaner keine ernstzunehmenden Gegner mehr sind und auch das rechtsextreme Rassemblement National nur in wenigen Zahl von Departements stark genug ist, um einen Abgeordnetenposten zu erringen, ist die Neue ökologische und soziale Volksunion zu Macrons Hauptgegner geworden. Dieses linke Wahlbündnis, das Jean-Luc Mélenchon und seine Bewegung La France insoumise zusammen mit Grünen, Sozialisten und Kommunisten zustande gebracht haben und das in vielen Departements stark verankert ist, könnte dem Präsidenten und seiner Regierung ernsthaft gefährlich werden. Um den Linken Wind aus den Segeln zu nehmen, will Macron jetzt im Schnellverfahren ein Paket von Sondermaßnahmen in Kraft setzen, um dem Anstieg der Inflation, der Energietarife und der Lebensmittelpreise zu begegnen und so die Kaufkraft der Löhne und Renten zu sichern.

Damit hofft Macron noch kurzfristig Einfluss nehmen zu können auf das Ergebnis der schon in drei Wochen stattfindenden Parlamentswahl. Über seine weiteren Pläne äußert sich der Präsident bislang eher vage, doch auf jeden Fall will er seine Reformpolitik fortsetzen und vor allem schon im Herbst die stark umstrittene Rentenreform durchsetzen, die in seiner ersten Amtszeit an massiven Protestaktionen gescheitert ist und die er dann unter Hinweis auf die Coronakrise vorübergehend zurückgezogen hat.

Die linke Volksunion verurteilt diesen Kurs. In der neuen Regierung würden sich »die wesentlichen Figuren der sozialen Misshandlung und der ökologischen Verantwortungslosigkeit wiederfinden«, sagte Jean-Luc Mélenchon. Wer grundlegende Änderungen erwartet hatte, könne nur enttäuscht sein. »Was vor uns steht, ist das Schlimmste, was zu erwarten war – die Kontinuität«, stellte er ironisch fest. Doch er glaubt, dass die Regierung nur einen Monat lang im Amt sein werde, »denn die dann stattfindenden Wahlen werden die Kräfteverhältnisse im Parlament grundlegend verändern, wenn sich die Wähler für die Alternative entscheiden – die Neue ökologische und soziale Volksunion«.

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