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  • Berliner Schulreinigung

Zu wenig, zu langwierig, zu unverbindlich

Berliner Bündnis kritisiert Tempo und Umsetzung der Rekommunalisierung der Schulreinigung

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 5 Min.

Das Berliner «Bündnis für saubere Schulen» macht noch mal Druck. «Wir haben etwas gelernt in den vergangenen Jahren: Mit kleinen Forderungen kommt man nirgends hin, mit großen Forderungen kommen wir vielleicht ein bisschen voran, insofern wollen wir da gar nicht schüchtern sein», sagt Anne Zetsche vom Verein Schule in Not, der neben den Gewerkschaften GEW, Verdi und IG BAU wesentlicher Teil des Bündnisses ist.

Deren große Forderung: Rot-Grün-Rot soll deutlich mehr Energie an den Tag legen bei dem von der Koalition beschlossenen Vorhaben, die vor Jahrzehnten an private Putzfirmen ausgelagerte Schulreinigung ab 2023 wieder in die Hoheit des Landes oder der Bezirke zurückzuholen. Das Bündnis kämpft dabei für die Bezirkslösung, wie Zetsche und ihre Mitstreiter auf einer Veranstaltung am Mittwoch klar machen. Wie die Schulhausmeister sollten auch die Reinigungskräfte bei den Bezirken als den Trägern der öffentlichen Schulen angestellt werden.

Das Thema Schulreinigung ist bekanntlich vielerorts ein Dauerärgernis. Und das Problem liegt im System, denn das Prozedere sei immer das gleiche, sagt etwa GEW-Vorstand Ryan Plocher: «Es gibt eine Ausschreibung, der billigste Anbieter wird genommen, der billigste Anbieter stellt fest: Huch, wir haben das krass unterschätzt, oder er hat einfach gelogen, und der Anbieter wird wieder gekündigt.» Bis ein neuer Dienstleister gefunden ist, gehen bisweilen Monate ins Land. Plocher, zugleich Lehrer an der Fritz-Karsen-Schule in Neukölln, sagt daher: «Das alte System der privaten Reinigung ist gescheitert. Die Schulen sind nicht sauber. Und deshalb brauchen wir dringend eine Kehrtwende, zurück zur Reinigung in öffentlicher Hand.»

Den Anfang könnten im Laufe des kommenden Jahres die Bezirke Pankow, Tempelhof-Schöneberg und Neukölln machen, die im Zuge der Nachverhandlungen zum Doppelhaushalt 2022/2023 als «Pilotregionen» auserkoren wurden, in denen die Rekommunalisierung der Schulreinigung an jeweils rund zehn Schulen versuchsweise angegangen werden soll. Zuvor haben die drei Bezirke zwölf Monate Zeit, um entsprechende Projekt- und Zielvereinbarungen zu erarbeiten, wie an den ausgewählten Standorten die bisherige Fremd- auf eine Eigenreinigung umgestellt werden kann («nd» berichtete).

Zu langwierig, zu unverbindlich, kritisiert das «Bündnis für saubere Schulen. »Wir sind jetzt auch wirklich langsam abgegessen«, sagt Anne Zetsche von Schule in Not. Seit fast drei Jahren kämpft der Verein für die Rekommunalisierung, mehr als 25.000 Unterschriften hat er für das Vorhaben gesammelt, acht von zwölf Bezirksverordnetenversammlungen haben sich inzwischen dazu bekannt, schließlich der rot-grün-rote Koalitionsvertrag, in dem ein Einstieg in den Umstieg ab 2023 verankert ist: »Es kann doch nicht sein, dass sich jetzt Bezirke und Landesebene zwölf Monate Zeit nehmen wollen, um erst einmal Projekt- und Zielvereinbarungen zu verhandeln.«

Auch sei die Beschränkung des »Piloten« auf drei Bezirke überaus dürftig. »Allen Bezirken mit entsprechenden Beschlüssen soll die Möglichkeit zur Interessensbekundung eingeräumt werden und ihnen dann auch die entsprechenden Mittel und Unterstützung vom Land zur Verfügung gestellt werden – und zwar mit einer klaren Aussicht auf Verstetigung dieser Umstellung«, sagt Zetsche.

Die Aussichten, dass das Bündnis mit seiner Forderung durchdringt, sind gleichwohl eher schlecht. Mehr als die drei Bezirke seien auch aus hauhalterischer Sicht vorerst nicht drin, heißt es etwa aus der auf Landesebene mitregierenden Linkspartei. »Umso wichtiger ist es, dass wir mit den drei Bezirken nun ins Machen kommen, und das muss gut gemacht werden, damit in einem nächsten Schritt die Schulreinigung auch in den anderen Bezirken zurückgeholt werden kann«, sagt die Linke-Abgeordnete Hendrikje Klein zu »nd«. Die gezielt ausgewählten Bezirke – einer von der Linken, einer von den Grünen, einer von der SPD geführt – seien, so die Haushaltspolitikerin, »alle mit Freude an Bord«.

Das lässt sich von der Senatsbildungsverwaltung nicht behaupten. Hier scheint sich der Elan, das Projekt Rekommunalisierung unterstützend voranzubringen, nach wie vor in Grenzen zu halten. Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) selbst gab sich auf einer Pressekonferenz im Februar mit Blick auf das Thema ahnungslos. In ihrem Haus wiederum dominiert offenkundig maximales Desinteresse. Gefragt nach den im Doppelhaushalt eingeplanten Mitteln für das Vorhaben, berichtete Busses Senatsverwaltung dem Bildungsausschuss des Abgeordnetenhauses vor kurzem: nichts. Stattdessen wird auf ein im Sommer 2021 erstelltes Papier zu den Vor-, insbesondere aber zu den Nachteilen einer Rekommunalisierung verwiesen. Schule in Not nannte den in vielen Punkten unvollständigen und ungenauen Bericht damals ein »phänomenales Dokument der Plan- und Lustlosigkeit«.

Anne Zetsche wird am Mittwoch dann auch noch einmal deutlich: »Kinder haben ein Recht darauf, in sauberer Umgebung zu lernen. An den Schulen Beschäftigte haben ein Recht darauf, in einer sauberen Umgebung zu arbeiten. Und diejenigen, die die Schulen, also öffentliche Gebäude, reinigen, haben ein Recht auf anständige Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen.« Was daran so schwer zu begreifen sei, erschließe sich nicht.

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