Als die Roten bessere Grüne waren

Ihre Rekordergebnisse erzielte Brandenburgs Linke in ihrer Zeit als treibende politische Kraft im Naturschutz

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Umweltpolitisch sehe ich aktuell keinen Punkt, warum man Die Linke wählen sollte«, sagt Axel Kruschat. Dem Landesgeschäftsführer des brandenburgischen Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fehlt auf Landesebene eine klare Positionierung der Partei zum Jagdgesetz. Sie verstecke sich hinter der Forderung nach einem Runden Tisch und sei derzeit nicht in der Lage, ein eigenes umweltpolitisches Profil zu entwickeln. »Da gab es mal deutlich bessere Zeiten«, sagt Kruschat. Vorhaltungen, er sehe das nicht richtig, kontert er mit dem Hinweis: »Die Arbeit der Landtagsfraktionen in Sachen Umweltpolitik zu verfolgen, ist mein täglich Brot.«

Den Vorwurf möchte der Landtagsabgeordnete Thomas Domres (Linke) so nicht auf sich sitzen lassen. Er hatte einen Runden Tisch vorgeschlagen, um eine Lösung für den Streit um ein neues Jagdgesetz zu finden. Ziel sei, den Wildverbiss zu verringern und damit den Waldumbau zu erleichtern, erläutert er. »Das war schlecht vorbereitet.« Dem Ressort von Umweltminister Axel Vogel (Grüne) sei es nicht gelungen, »darzulegen, dass die vorgeschlagenen Regelungen, die massive Einschnitte in das bisherige System der Jagdausübung mit sich gebracht hätten, diesem Ziel gerecht werden«.

Laut Gesetzentwurf sollten künftig Waldbesitzer schon ab zehn Hektar Forst das Jagdrecht erhalten. Bislang bekommen sie es grundsätzlich erst ab 150 Hektar und mit Ausnahmegenehmigung ab 75 Hektar. Hinter der Änderung stand das Ziel, dass mehr Wild geschossen wird. Denn die Wilddichte ist zu hoch. Die Tiere fressen alle jungen Triebe weg. Eine natürliche Verjüngung der Wälder ist so nicht mehr möglich und Pflanzungen müssen mit Zäunen geschützt werden. Umweltverbände begrüßten den Gesetzentwurf, Jäger liefen mit Ausnahme des Ökologischen Jagdverbandes dagegen Sturm. SPD und CDU als Koalitionspartner von Axel Vogels Grünen zogen die Notbremse. Der Gesetzentwurf soll nun erst noch überarbeitet werden, bevor er ins Kabinett geht. »Aufgrund der Notwendigkeit eines beschleunigten Waldumbaus darf die Jagdgesetznovelle aber nicht auf die lange Bank geschoben werden«, sagt der Abgeordnete Domres. Darum hat er eine breite Beteiligungsoffensive mit einer »Debatte auf Augenhöhe« gefordert.

Axel Kruschat steht indes nicht allein mit seiner Einschätzung, Brandenburgs Linke habe in Sachen Naturschutz stark nachgelassen. Auch René Schuster von der Grünen Liga sieht das so. Schuster gehörte der Linkspartei von 2006 bis 2019 sogar an, ab 2014 allerdings »nur noch als Karteileiche«, wie er sagt. »Die Regierungsbeteiligung hat viel kaputtgemacht«, sagt Brandenburgs bekanntester Braunkohlegegner. »Davon hat sich Die Linke nie wieder erholt.«

Von 2009 bis 2019 wurde Brandenburg von einer rot-roten Koalition regiert. Bei dem 2008 gestarteten Volksbegehren »Keine neuen Tagebaue« kämpfte die Partei noch Seite an Seite mit den Umweltverbänden und ermöglichte die Kampagne mit Geld und Personal. Doch ein Jahr später konnten sich die Sozialisten mit ihrer Forderung nach einem Verzicht auf neue Tagebaue bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD nicht durchsetzen. 2014 ebnete ein rot-rotes Kabinett den Weg für den neuen Tagebau Welzow-Süd II. Auf diese Grube verzichtete die Lausitzer Energie AG dann erst im Januar 2021 in ihrem Revierkonzept.

Ihren Höhepunkt als anerkannte Naturschutzpartei hatte die alte PDS Mitte der 2000er Jahre, als mit Dagmar Enkelmann eine Umweltexpertin und Vegetarierin die Landtagsfraktion führte. Mit ihr als Spitzenkandidatin sah es im Sommer 2004 in den Umfragen so aus, als könnten die Sozialisten die SPD schlagen. Erst auf den letzten Metern vor der Landtagswahl am 19. September jenen Jahres zog die SPD mit einem auf den beliebten Ministerpräsidenten Matthias Platzeck zugeschnittenen Wahlkampf noch vorbei und entschied das Rennen mit 32 zu 28 Prozent der Stimmen für sich. Bei der Landtagswahl 2009 kam Brandenburgs Linke den 28 Prozent noch einmal sehr nahe. Ab da ging es steil bergab, bis auf 10,7 Prozent bei der Wahl 2019. Die jüngste Meinungsumfrage verspricht dem Landesverband sogar nur sieben Prozent.

Der einstige Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) mahnte immer wieder, die Partei solle sich auf ihr Kerngeschäft, die soziale Gerechtigkeit, konzentrieren, anstatt zu versuchen, grüner als die Grünen zu sein. Das Argument hat etwas für sich. Aber ihre größten Erfolge feierten die Sozialisten doch in der Zeit, als sie ihre grüne Phase hatten. Damals spielten die Grünen in Brandenburg keine Rolle. Zwischen 1994 und 2009 war die Ökopartei nicht im Landtag vertreten. Ein akzeptierter Partner der Umweltverbände war stattdessen die oppositionelle PDS beziehungsweise dann Linkspartei, die gegen die Magnetschwebebahn Transrapid von Berlin nach Hamburg kämpfte, gegen den Ausbau der Havel und gegen den Großflughafen Schönefeld. Die Verbindung von Umwelt- und Sozialpolitik, von der heute viel geredet wird, die gab es damals. So setzte sich die Partei für ein Sozialticket für Bus und Bahn ein.

Das steht der ehemaligen Landesvorsitzenden und Landtagsabgeordneten Anita Tack noch gut vor Augen. »Wir hatten eine sehr aktive Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt, die der Partei immer wieder die Notwendigkeit von sozialistischer Umweltpolitik erklärte«, erinnert sich Tack, die später, von 2009 bis 2014 dann auch Umweltministerin war. »Es war ein schwerer Erkenntnisprozess in der Partei, auch deshalb, weil wir eine dominante wirtschaftspolitische Lobby in der Landtagsfraktion hatten.«

Welche Bedeutung eine überzeugende Naturschutzpolitik angesichts der nicht mehr zu übersehenden Klimakrise hat, ist dem heutigen Linksfraktionschef Sebastian Walter wohl bewusst. Das Soziale dürfe nicht gegen den Naturschutz ausgespielt werden, sagt er. Ohne eine intakte Umwelt sei schließlich kein normales Leben möglich. »Es wird uns kein grün angestrichener Kapitalismus retten«, erklärt der 31-Jährige, wo er den Unterschied seiner Partei zu den Positionen der Grünen sieht. »Deshalb brauchen wir eine sozial-ökologische Wende.« Diese Wende werde nur gelingen, »wenn ich die Menschen überzeuge, dass es nicht auf ihre Kosten geschieht«. Der Politiker weiß: »Wenn du deine Rechnungen kaum noch bezahlen kannst, ist es doch nicht deine erste Sorge, woher das Gas kommt.« Im persönlichen Gespräch ist Walter durchaus in der Lage, sogar bei der Bewegung Fridays for Future engagierten Schülern klarzumachen, dass Die Linke die besseren Rezepte habe als die Grünen. Das hat er im Landtagswahlkampf 2019 bewiesen, als er sich eine halbe Stunde mit zwei 15-Jährigen in der Neuruppiner Innenstadt zusammensetzte.

Allerdings muss man bei einer Landtagswahl in Brandenburg mindestens 16 Jahre alt sein, um abstimmen zu dürfen. 2019 landeten die Grünen erstmals bei einer Landtagswahl in Brandenburg vor den Sozialisten – mit einem hauchdünnen Vorsprung von 0,1 Prozentpunkten.

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