Endlich in den Westen?

Der Rekordmeister der DDR spielt in der Relegation gegen den VfB Oldenburg um den erstmaligen Aufstieg in den Profifußball

Näher als Christian Benbennek brachte noch kein Trainer den BFC Dynamo an den Profifußball.
Näher als Christian Benbennek brachte noch kein Trainer den BFC Dynamo an den Profifußball.

Die Verweildauer eines Trainers ist in vielen Fällen ein Indikator der sportlichen Entwicklung der jeweiligen Vereine. Meist gilt: je länger, desto erfolgreicher. Bei Christian Benbennek ist es genau so. Seit drei Jahren coacht der 49-Jährige nunmehr die Mannschaft des BFC Dynamo, im Fußball mittlerweile eine lange Zeit. Im Durchschnitt der letzten 20 Bundesligajahre überstand ein Trainer nicht mal zwei Jahre, in unteren Spielklassen ist es nicht viel anders. Allein in der Regionalliga Nordost wechselten in dieser Saison neun Vereine den Trainer. Der BFC nicht – er feierte mit Benbennek die Meisterschaft.

Am Ziel sind die Berliner aus Hohenschönhausen damit aber noch nicht. In zwei Relegationsspielen gegen den Meister der Regionalliga Nord geht es um den Aufstieg in die 3. Liga. An diesem Sonnabend empfängt der BFC im Hinspiel den VfB Oldenburg. 5000 Zuschauer sind im Sportforum für diese Partie zugelassen, Dynamo hofft auf ein ausverkauftes Stadion.

Christian Benbennek nimmt alles so, wie es kommt. »Wir beschäftigen uns nur damit, was wir selbst ändern können«, sagt er im Gespräch mit »nd«. Wenn er könnte, würde er einiges ändern. »Ein Meister?«, fragt Benbennek mit raunender Stimme und fordert: »Ein Meister muss direkt aufsteigen!« Er hoffe, dass dieses grundsätzliche Problem mit nur vier Aufsteigern aus fünf Regionalligen vom Deutschen Fußball-Bund in Zukunft anders und fairer gelöst werde. Aber auch im Hier und Jetzt ist er mit einigem nicht einverstanden. Beispielsweise mit der intransparenten Festlegung, dass der BFC in der Relegation zuerst ein Heimspiel hat. Oder damit, dass die Oldenburger in dieser Saison mit 28 Ligaspielen zehn weniger als sein Team hatten und zuletzt im Spielrhythmus bleiben konnten. Während der VfB sein letztes Pflichtspiel vor einer Woche hatte, musste Benbennek versuchen, die »nötige Spannung« in einer zweiwöchigen Spielpause hochzuhalten. »Die Verbände sollten gleiche Voraussetzungen schaffen«, meint er.

All das beschäftigt Benbennek. Aber er sagt: »Es spielt jetzt keine Rolle.« Darf es nicht. Vor allem von der Mannschaft will der Trainer alles fernhalten, was den Fokus von den beiden wichtigsten Spielen der Nachwendegeschichte lenken könnte. Denn tatsächlich ist der BFC Dynamo fast 33 Jahre nach dem Mauerfall noch nie zu einem Ligaspiel im Westen Deutschlands angetreten. Sportlich hat der Dauermeister der DDR bislang nicht den Sprung über die Grenzen des Gebietes geschafft, das er einst so dominiert hatte. Und als wäre das nicht schon genug Ironie der Fußballgeschichte, könnte er es ausgerechnet jetzt schaffen, nachdem gerade der FC Bayern München Dynamos Rekord von zehn Meistertiteln in Folge eingestellt hat.

Auf große Gegner traf der BFC immer mal wieder im DFB-Pokal. In insgesamt sechs Heimspielen in den vergangenen elf Jahren blieb es mit den Niederlagen in der ersten Runde gegen den 1. FC Kaiserslautern, den FSV Frankfurt, Schalke 04, den 1. FC Köln und zweimal gegen den VfB Stuttgart nur bei Berührungen mit dem Profifußball. Dort anzukommen, versuchte der Verein bislang vergeblich. So nah dran wie jetzt mit Christian Benbennek war er noch nie. Er ist damit nicht nur einer der erfolgreichsten Trainer des BFC. Länger als er war nach der Wende auch nur der ehemalige Meistertrainer Jürgen Bogs im Amt, als er von 1990 bis 1993 sein Glück in Hohenschönhausen noch mal vergeblich gesucht hatte.

Wenn Benbennek sagt, dass »die Rückkehr in den Profifußball für den Verein eine ganz wichtige Nummer« wäre, spricht er über mehr als drei Jahrzehnte. Bildlich vergleicht er einen Aufstieg in die 3. Liga mit dem »elften Meisterstern«. Den Anfang seiner Zeit beim BFC im Sommer 2019 beschreibt er so: »Es sollte eine andere Spielphilosophie entstehen, Fußball, der die Fans mitnimmt.« Seitdem versucht Dynamo, die Gegner früh zu attackieren sowie schnell und direkt nach vorn zu spielen. Der Zuschauerschnitt in dieser Saison hat sich mit rund 1700 zur letzten vergleichbaren, vor Corona liegenden Spielzeit 2018/2019 fast verdreifacht. Zum Spitzenspiel gegen Carl Zeiss Jena waren im April fast 3300 Fans im Sportforum.

Den Plan, im ersten Jahr nicht abzusteigen, hatte Benbennek mit Platz sechs übererfüllt. Den Sieg im Berliner Pokal in der darauffolgenden Saison, sieht er als »Fundament« für den Erfolg in der aktuellen Spielzeit. Damals sei seine Mannschaft in einer sehr herausfordernden Situation zusammengewachsen. Das wird oft als Erfolgsfaktor genannt. Benbennek will es nicht als Phrase verstanden wissen. Er sagt: »Ich bin schon lange Trainer, solch ein Team habe ich aber noch nie erlebt.« Ihn beeindruckt neben dem starken Zusammenhalt vor allem der »ehrliche Umgang miteinander«. Entstanden sei der besondere Charakter in der monatelangen coronabedingten Spielpause mit extrem schwierigen Trainingsbedingungen und einem Sieg im Endspiel gegen den Berliner AK mit einer eigentlich in jeder Hinsicht geschwächten Mannschaft.

»Ich bin Fußballtrainer«, betont Benbennek. Weil es ihn ärgert, dass der Sport, wenn es in den Medien um den BFC Dynamo geht, selten eine Rolle spielt. Der gebürtige Niedersachse sagt selbst, dass er bei einem »speziellen Klub« arbeitet, »aufgrund der Vergangenheit«. Auch jetzt wird in der Berichterstattung über die Berliner beispielsweise vom »Schmuddelkind des Fußballs« oder den »Schiebermeister« und »ehemaligen Stasi-Klub« geschrieben. Neulich sei er auch wieder mal angesprochen worden, erzählt Benbennek. »Ach seid ihr wieder da, habt ihr jetzt auch den Schiri bestochen?«

Der Trainer verteidigt sein Team. Es sei diesen Spielern gegenüber ungerecht, sie in den Sumpf der Geschichte zu ziehen. Benbennek arbeitet somit auch »für eine positive Zukunft des gesamten Vereins«. Da, wo er es am besten kann – auf dem Fußballplatz. Wenn er hofft, ein »neues Image erspielen« zu können, weiß er auch, dass dafür die Bereitschaft vorhanden sein müsse, Klischees nicht mehr zu bedienen. Diese Hoffnung verbindet er umso mehr mit dem möglichen sportlichen Aufstieg.

Auf den bisherigen Weg dahin ist der Trainer hörbar stolz. »Nach 38 Spieltagen in einer Liga mit Jena, Chemnitz, Cottbus oder Lok Leipzig oben zu stehen, das ist super.« All diese Vereine wollten in dieser Saison dahin, wo der BFC jetzt steht. Für manche ist der Aufstieg aus der Regionalliga aus wirtschaftlicher Sicht fast ein Muss. Für Dynamo ist es nun die Chance, erstmals im Profifußball zu landen. »Die 3. Liga ist ein Quantensprung«, weiß Benbennek. Er kennt diese für Vereine komplizierte Schnittstelle von seinen Stationen in Babelsberg, Havelse und Aachen. Erfahrungen im Erstligafußball konnte er als Trainer beim SV Ried in Österreich sammeln.

Dynamos Relegationsgegner Oldenburg weiß auch, wie hoch der Deutsche Fußball-Bund die Latte für einen Aufstieg in seine höchste Spielklasse legt. Der VfB muss bis zum 31. Mai ein Ausweichstadion benennen, weil die eigene Spielstätte am Marschweg den Anforderungen nicht genügt. Allein die »Medienrichtlinien für die Teilnehmer der 3. Liga« hat der Verband auf 32 Seiten festgeschrieben. Der BFC muss zusätzlich zum geplanten Drittligaetat von vier Millionen Euro bis zum 1. Juni eine Bürgschaft in Höhe von 900 000 Euro hinterlegen. Mit einem Spendenaufruf samt zusätzlicher Hilfe der drei Hauptsponsoren hatte der Verein bis Freitagnachmittag knapp 720 000 Euro eingesammelt. Nicht nur der sportliche Ausgang ist also ungewiss. Für Christian Benbennek zählt bei allem nur eins: »Wichtig ist, dass alle das wollen.«

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