Inflation, Baby!

Alles wird teurer: Essen, Miete, Mobilität. Die Konsument*innen können keine Preise erhöhen, auch nicht ihr Gehalt. Sabine Nuss fordert radikale Preiskontrollen.

  • Sabine Nuss
  • Lesedauer: 3 Min.
Mehr Rendite für die Aktionär*innen, weniger Essen für die Mieter*innen: Rolf Buch, Vorstandsvorsitzender von Vonovia, will die Miete erhöhen.
Mehr Rendite für die Aktionär*innen, weniger Essen für die Mieter*innen: Rolf Buch, Vorstandsvorsitzender von Vonovia, will die Miete erhöhen.

»Wir können nicht so tun, als wenn die Inflation an den Mieten vorbeigeht«, sagte Vonovia-Chef Rolf Buch am Mittwoch gegenüber dem Handelsblatt. Er kündigte damit an, was im Grunde zu erwarten war: Wohnen bei Vonovia wird teurer werden. Noch teurer. Der Konzern ist mit seinen 565 000 Wohnungen Deutschlands größtes Immobilienunternehmen. Das Geschäftsmodell ist schlicht, wie in Marktwirtschaften üblich: Das Bedürfnis der einen wird zum Mittel der Bereicherung der anderen.

Vonovia kann nicht klagen. Die Gewinnkurve steigt in der Tendenz und jüngst wurde eine leichte Erhöhung der Dividende beschlossen. Es sind die in die Zukunft gerichteten Erwartungen, die ein Unternehmen wertvoll machen. Je weniger die Politik gewillt ist, diese Erwartungen zu enttäuschen, desto rosiger die Aussichten. Und da können sich die Immobilienkonzerne derzeit beruhigt zurücklehnen. Insbesondere in Berlin. Der Volksentscheid für die Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne, initiiert von der Kampagne Deutsche Wohnen & Co enteignen, ist zwar von den Wähler*innen mit deutlicher Mehrheit befürwortet worden, doch die regierende Sozialdemokratie erweckt den Eindruck, lieber einer Vergesellschaftung als den geheiligten Investoren Steine in den Weg legen zu wollen.

Die Aussichten auf weitere Gewinne und Dividenden sind vor diesem Hintergrund nicht die schlechtesten. Wenn nicht die derzeit galoppierende Inflation wäre, die diesem ganzen Spiel einen Strich durch die Rechnung zu machen droht. Die durchschnittliche Vonovia-Miete ist im ersten Quartal diesen Jahres auf 7,40 Euro pro Quadratmeter gestiegen. 3,1 Prozent mehr als im Jahr vorher. Das liegt unterhalb der Inflationsrate von derzeit fast acht Prozent. Mit anderen Worten: Inflation, Baby: Die Rendite ist in Gefahr. Nun dürfte Vonovia keine Ausnahme sein. Ein bekanntes Online-Immobilienportal schätzt laut »FAZ« für die kommenden zwölf Monate Mietsteigerungen von sechs bis sieben Prozent, und das bei einem sowieso schon angespannten Mietenmarkt.

Die, die diese Entwicklungen am meisten trifft, sind übrigens – Überraschung – wie immer jene, die kein Privateigentum an Grund und Boden haben und auch keines an Investitionsgütern. Sie haben lediglich persönliches Eigentum, sie konsumieren, verbrauchen und gebrauchen, zum Beispiel Wohnungen zur Miete. Man erkennt sie daran, dass sie selbst keine Preise erhöhen können. Sie können lediglich ohnmächtig zusehen, wie alles immer teurer wird. Im Falle von Wohnen ist diese in den herrschenden Eigentumsverhältnissen eingeschriebene Machtlosigkeit verheerend: Wohnen ist lebensnotwendig, niemand kann freiwillig sagen: Och, ist mir zu teuer, dann wohn› ich halt nicht. Obdachlosigkeit ist kein Ergebnis einer mündigen Kaufentscheidung. Langfristig sollte Wohnen dem fahrlässig anarchischen Markt vollständig entzogen werden, weil es ein existenziell lebenswichtiges Gut ist. Zum Beispiel durch Vergesellschaftung – der erfolgreiche Volksentscheid gibt die Legitimation.

Kurzfristig sollte man vielleicht mal mit einem Mythos aufräumen: Inflation ist kein Naturphänomen, wie ein Gewitter, welches über uns kommt. Inflation ist das Ergebnis von menschlichen Entscheidungen, wenn jemand sagt, das mach ich jetzt teurer. Die Gründe dafür sind vielfältig. Aber: Entscheidungen kann man rückgängig machen. Ein Gewitter nicht. Daher wäre nun eine radikale Preiskontrolle gefragt. Man könnte sich dabei orientieren an Ludwig Erhard. Aufgrund exorbitant gestiegener Preise erließ er unter dem Druck von Massenprotesten verschiedene Maßnahmen, die mehr oder weniger starke Effekte von Preisbindungen hatten. Sein Lieblingskind, die freie Marktwirtschaft, sollte nicht in Verruf geraten. Aber soweit muss man gar nicht zurück gehen. Mietpreisbindungen gab es immer wieder. Und die, die unter der Inflation am wenigsten leiden, können sich wiederum beruhigen: Preiskontrollen retten den Markt. Sie heben ihn nicht auf.

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