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EU-Milliarden an Polen unter Vorbehalt

Die EU-Kommission blockierte 35 Milliarden Euro aus Corona-Fonds – bis jetzt

  • Fabian Lambeck, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.

Die in Polen regierende Partei für Recht und Gerechtigkeit (PiS) schleift die demokratischen Institutionen des Landes. Daran gibt es keinen Zweifel. Die Presse wurde durch Übernahmen und Entlassungen bereits auf Kurs gebracht. Auch die Justiz hat man an die kurze Leine genommen: Der Verfassungsgerichtshof wurde mit genehmen Richter*innen besetzt und an den Gerichten des Landes gab es eine Entlassungswelle. Fast 500 Richter*innen und Anwält*innen mussten gehen. Eine 2018 geschaffene Disziplinarkammer überwacht die Linientreue von Richter*innen und Staatsanwält*innen. Wer nicht spurt, muss gehen.

Viele Jahre hat die EU dem Treiben in Warschau scheinbar hilflos zugesehen. Dabei hatte Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans bereits 2017 gewarnt, die Maßnahmen der Regierung in Warschau würden »die Unabhängigkeit der Justiz und die Gewaltenteilung in Polen ernsthaft gefährden«.

Die EU leitete mehrere Vertragsverletzungsverfahren ein und wandte sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der EuGH ermahnte Polen mehrfach wegen der Justizreformen und urteilte im Frühjahr 2021, dass die Disziplinarkammer gegen EU-Recht verstoße. Daraufhin erklärte das polnische Verfassungsgericht, Teile des EU-Rechts seien mit der polnischen Verfassung unvereinbar. Ein Affront. Gilt doch im Rest der Union der Grundsatz: EU-Recht steht über nationalem Recht. Weil sich Warschau weigerte, das EuGH-Urteil umzusetzen, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von einer Million Euro pro Tag verhängt. Doch Polen blieb stur.

Aber mittlerweile hat man in Brüssel einen Weg gefunden, die Rechtspopulisten unter Druck zu setzen: Geld. Konkret geht es um den Corona-Aufbaufonds »Next Generation EU«: Ein riesiges
Konjunkturprogramm, das Investitionen in grüne Technologien und saubere Energie fördern soll. Hier sind für Polen mehr als 35 Milliarden Euro an Zuschüssen und günstigen Krediten vorgesehen. Doch die Kommission blockierte die Gelder und knüpfte die Auszahlung an drei Bedingungen: Abschaffung der Disziplinarkammer, Reform der Disziplinierungsverfahren und Wiedereinstellung unrechtmäßig entlassener Juristen.

Das polnische Unterhaus machte vor wenigen Tagen den ersten Schritt und stimmte für die Auflösung der Disziplinarkammer. Das Parlament folgte damit einer Gesetzesvorlage von Präsident Andrzej Duda. Statt der Disziplinarkammer soll zukünftig eine »Kammer für berufliche Verantwortung« über die Richter*innen wachen. Viele vermuten hier einen Taschenspielertrick: neuer Name, alter Auftrag. Das Gesetz muss auch noch durch die zweite Parlamentskammer. Diese hat bereits Nachbesserungen angekündigt, es ist also noch unklar, wie das Gesetz aussehen wird.

Doch die Kommission wollte nicht mehr warten. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen reiste am Donnerstag nach Polen, um die frohe Botschaft vor Ort zu verkünden: »Die Kommission hat grünes Licht gegeben«, sagte sie und verwies zugleich auf Polens »Verpflichtungen in Form von Meilensteinen, die erfüllt werden müssen, bevor eine Zahlung erfolgen kann«. Das heißt, die Gelder aus dem Wiederaufbaufonds sollen in Tranchen ausgezahlt werden. Die erste wohl im September. Das Prozedere soll garantieren, dass die PiS-geführte Regierung keinen Rückzieher macht. Doch Zweifel bleiben. Viele Beobachter glauben, dass Warschau die Rücknahme der Justizreformen nur simuliert. Tatsächlich lässt die Vereinbarung mit Brüssel viele Schlupflöcher. So glaubt der von der Disziplinarkammer suspendierte Richter Igor Tuleya nicht, dass sich an der Situation in Polen etwas ändern wird. Auch in der Kommission sind die Zweifel groß. So sollen sich Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans, Justizkommissarin Ylva Johannson und Wettbewerbskommissarin Margarete Verstager gegen die Freigabe der Gelder ausgesprochen haben. Doch letztendlich setzte sich Präsidentin von der Leyen durch. Polen ist für die EU derzeit einfach zu wichtig.

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