- Wirtschaft und Umwelt
- Tierhaltungskennzeichnung
Staatliches Label für Fleisch soll kommen
Bundeslandwirtschaftminister stellt Eckpunkte für Tierhaltungskennzeichnung vor
Angebundene Kühe, die sich nicht einmal umdrehen oder kratzen können, zusammengepferchte Hühner, Schweine, die stundenlang auf Tiertransporten ausharren müssen – das unnötige Leid der Nutztiere in Deutschland wird seit Jahren kritisiert. Ein staatliches Tierwohl-Label soll für Verbraucherinnen und Verbraucher erkennbar machen, aus welcher Haltungsform das Fleisch im Supermarkt kommt. Auch das wird seit langem diskutiert und wurde bereits von mehreren Bundeslandwirtschaftsministerinnen und -ministern angekündigt. Zuletzt wollte Julia Klöckner (CDU) ein solches Label einführen. Doch das scheiterte. Klöckner wollte lediglich ein unverbindliches Tierwohl-Label auf freiwilliger Basis einführen und bekam dafür im vergangenen Jahr im Bundestag keine Mehrheit. Freiwillige Kennzeichnungen mit unterschiedlich hohen Standards in der Tierhaltung, die Verbrauchern eine Orientierung geben sollen, existieren bereits seit Jahren.
Nun gibt es einen neuen Anlauf: Am Dienstag stellte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) Eckpunkte für das geplante Label vor. Es ist ein fünfstufiges Modell vorgesehen, mit den Haltungsformen Stall, Stall und Platz, Frischluftstall, Auslauf/Freiland sowie Bio. Sie unterschieden sich vor allem darin, wie viel Platz die Tiere haben, wie artgerecht sie gehalten werden. So soll für Verbraucherinnen und Verbraucher mehr Transparenz geschaffen werden. In die schlechteste Haltungsform Stall wird Fleisch eingruppiert, das von Tieren stammt, deren Haltung lediglich die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt. Özdemir kritisierte, das staatliche Tierwohl-Label sei von den Vorgängerregierungen trotz eines breiten gesellschaftlichen Konsenses für bessere Haltungsbedingungen auf die lange Bank geschoben worden. Er will noch in diesem Jahr die verbindliche Tierhaltungskennzeichnung einführen, jedoch zunächst nur für Schweinefleisch.
Neben dem Label ist auch ein Förderkonzept für den Umbau von Ställen geplant, ebenso bessere Regelungen im Tierschutzrecht und Anpassungen im Bau- und Genehmigungsrecht. »Landwirtinnen und Landwirte können gesellschaftlichen Erwartungen nach mehr Tierwohl und Klimaschutz nur dann gerecht werden, wenn die Rahmenbedingungen es ihnen ermöglichen«, erklärte Özdemir am Dienstag. »Im Bundeshaushalt ist bereits eine Milliarde Euro für die Startphase des Umbaus eingeplant«, so der Minister. Jedoch räumte er ein, dass dieser Betrag nicht ausreiche. Für die weitergehende Finanzierung gebe es innerhalb der Koalition aber noch »Klärungsbedarf«, so der Minister. Eine Expertenkommission hatte Vorschläge wie eine höhere Mehrwertsteuer oder eine Tierwohlabgabe auf tierische Produkte erarbeitet.
Bereits im April hatten 18 Organisationen, unter anderem Foodwatch, die geplante Tierhaltungskennzeichnung in einem offenen Brief an Özdemir kritisiert. »Das Tierhaltungslabel ist ein Täuschungslabel«, sagte Matthias Wolfschmidt, internationaler Strategiedirektor von foodwatch. Die Organisationen kritisieren die Kennzeichnung zudem als ein Abwälzen der Verantwortung auf die Konsumenten. Greenpeace-Agrarexperte Martin Hofstetter stellte am Dienstag fest: »Aspekte wie Transport, Schlachtung oder Tiergesundheit werden überhaupt nicht berücksichtigt.« Außerdem beklagte er, dass die Kennzeichnung weder für Wurst, Schinken noch für verarbeitete Tiefkühlware gilt. Rolf Sommer Bereichsleiter Landwirtschaft des WWF kritisierte, die Eckpunkte setzten »kaum Anreize für die Beendigung niedriger Qualitätsstufen bei der Herstellung tierischer Lebensmittel«.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.