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Julian Assange kämpft um sein Leben
Ehefrau Stella Moris: »Ich fürchte, am Ende werden wir die Minuten und die Sekunden zählen«
Ende März gingen die Fotos einer strahlenden Stella Moris um die Welt: Damals gaben die Anwältin und der Wikileaks-Gründer Julian Assange sich in einem Gefängnis in London das Jawort. Fotos des Bräutigams gab es nicht – das Leben des Australiers wird von der Öffentlichkeit abgeschottet.
In einem persönlichen Bericht für den australischen Sender ABC schilderte Moris, die Assange ursprünglich als Anwältin vertreten hat, die Verfassung ihres Ehemannes nun in recht drastischen Worten: Ihr Mann würde »innerhalb einer drei mal zwei Meter großen Zelle in Belmarsh, Großbritanniens härtestem Gefängnis, um sein Leben kämpfen«, sagt sie darin.
Julian Assange droht die Auslieferung an die USA. Dort wird ihm Spionage vorgeworfen, nachdem er mit Wikileaks mutmaßliche Kriegsverbrechen der US-Streitkräfte öffentlich gemacht hatte. Die maximale Gefängnisstrafe dafür lautet 175 Jahre. »Als seine Frau befürchte ich, dass er bis zu seinem Tod in der tiefsten, dunkelsten Ecke des US-Gefängnissystems begraben wird«, so Moris. Sie ist nicht die einzige: Während einer Anhörung zur Auslieferung im vergangenen Jahr blockierte ein britischer Richter die Überstellung in die USA, nachdem auch er fürchtete, die dortigen harschen Bedingungen könnten dazu führen, dass sich Assange das Leben nehmen würde.
Als würde er im Todestrakt sitzen
»Am 3. Juli wird Julian 51«, erzählt Moris. Es sei das vierte Jahr, in dem er seinen Geburtstag allein in einer Zelle verbringe, ohne je verurteilt worden zu sein. »Unsere Kinder – der fünfjährige Gabriel und der dreijährige Max – haben nur in der brutalen Umgebung des Belmarsh-Gefängnisses Erinnerungen an ihren Vater.« Sollte Assange ausgeliefert werden, ist laut Moris unklar, ob die Kinder den Vater jemals wiedersehen können. »Wir wissen nicht, ob wir ihn besuchen oder gar mit ihm telefonieren können.« Sollte die Auslieferung zustande kommen, würden sich die US-Behörden das Recht vorbehalten, »Julian so grausamen Bedingungen auszusetzen, dass wahrscheinlich niemand in seiner Position überleben wird«, urteilte die Anwältin.
»Es ist für Julian und mich unmöglich, dem Gefühl zu entgehen, dass er im Todestrakt sitzt.« Im Moment würden die Kinder und sie ihn einmal pro Woche im Gefängnis besuchen. »Aber wie lange noch? Noch ein paar Monate, ein paar Wochen, ein paar Tage und dann nur noch ein paar Stunden? Ich fürchte, am Ende werden wir die Minuten und die Sekunden zählen«, so Moris.
Harsche Bedingungen
In ihrem Beitrag schilderte Moris auch, was die Kinder und sie bei ihren Besuchen im Gefängnis durchmachen: So müssten sie jedes Mal an Stacheldraht und mehreren Sicherheitskontrollen vorbei, um den Ehemann und Vater zu erreichen. Wärter würden in ihren Mündern, hinter ihren Ohren und unter ihren Füßen nach Gegenständen suchen, die sie ins Gefängnis schmuggeln könnten. Die Gefängnishunde würden sie von Kopf bis Fuß beschnüffeln. In der vergangenen Woche habe ein Wärter selbst die Gänseblümchen beschlagnahmt, die einer der Söhne für den Vater gepflückt hatte. Offiziell darf sich die Familie zu Beginn und am Ende des Besuchs umarmen und über den Tisch hinweg an den Händen halten. Küsse seien offiziell nicht erlaubt, beschreibt Moris, doch Julian und sie würden diese Regel einfach ignorieren.
Trotz der aufreibenden Situation versucht das Paar laut Moris, eine positive Atmosphäre für die Kinder aufrechtzuerhalten. »Die Kinder lieben es, ihren Papa zu besuchen« , meinte sie und zählte auf: »Julian liest ihnen Geschichten vor.« Einer der Söhne, Gabriel, teile die Faszination seines Vaters für Zahlen. »Julian bringt ihnen raffinierte Tricks bei: Wie man eine Orange am besten schält, wie man Chips öffnet, ohne etwas vom Inhalt rauszustreuen.« Diese Dinge würden sich für die meisten Menschen nach Kleinigkeiten anhören, für sie seien es aber »kostbare gemeinsame Momente«.
Behandlung »widerspricht demokratischen Werten«
Am Ende zeigt sich Moris »zuversichtlich«, dass die Geschichte ihrem Mann Recht geben werde, aber ihnen laufe die Zeit davon: »Im Oktober erlitt er einen Mini-Schlaganfall«, berichtete sie. Es gebe nicht mehr viel Weiteres, das sein Körper noch ertragen könne. Außerdem äußerte sie den Wunsch, dass die australische Regierung mehr unternimmt, um ihren Mann bei seinem Kampf zu unterstützen. »Weil seine Behandlung demokratischen Werten widerspricht«, und weiter: »Weil unsere Kinder ihn brauchen, aber vor allem, weil er es verdient hat, nach Hause zu kommen.«
Tatsächlich besteht seit dem Regierungswechsel in Australien im Mai wieder mehr Hoffnung für Assange. Nachdem die liberalkonservative Koalition unter Scott Morrison eine Niederlage erlitten hat, ist nun – nach neun Jahren – mit der Labor-Party wieder eine Politikerriege an der Macht, die Assange wohlgesonnener ist. Der neue Premierminister Anthony Albanese könnte die USA in der Tat dazu drängen, das Verfahren gegen Assange einzustellen. Denn der Politiker hatte erst im Dezember 2021 gesagt, er könne nicht nachvollziehen, »welchem Zweck die anhaltende Verfolgung von Herrn Assange« diene und dass »genug genug« sei.
Seit Albanese Regierungschef ist, hat er sich jedoch nicht wirklich in die Karten schauen lassen. Seine einzige öffentliche Aussage zu dem Fall war bisher: »Meine Position ist, dass nicht alle außenpolitischen Angelegenheiten mit einem Megafon ausposaunt werden sollten.«
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