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Ernährt Menschen, nicht Schweine
Die Agrarlobby in der EU verschärft die globale Nahrungsmittelkrise, Getreide sollte nicht vor allem Tiere und Autotanks füttern
Als Reaktion auf die globale Getreideknappheit durch den Krieg in der Ukraine hat die EU in diesem Jahr vier Millionen Hektar sogenannter ökologischer Vorrangflächen für den Anbau von Nahrungsmitteln freigegeben. Dort dürfen nun Nahrungs- und Futterpflanzen angebaut werden – auch unter Einsatz von Düngern und Pflanzenschutzmitteln. Solche von der EU geförderten Flächen dienen eigentlich dazu, die Biodiversität in der Landwirtschaft zu erhalten und zu steigern. Außerdem wird gefordert, die vierprozentige Stilllegung von Ackerflächen auszusetzen, die ab 2023 im Rahmen der Reform der Gemeinsame Agrarpolitik in der EU gelten soll.
Ab Juli übernimmt Tschechien die EU-Ratspräsidentschaft. Der Generaldirektor für europäische Angelegenheiten der tschechischen Regierung, Štěpán Černý, hat bereits vorgeschlagen, die »Farm to Fork«-Strategie der EU für ein paar Monate zu vergessen. Es ist zu befürchten, dass unter dem Vorwand des Ukraine-Kriegs weitere Angriffe auf das Ziel erfolgen, die EU-Agrarpolitik endlich umwelt- und klimafreundlicher auszugestalten. Dabei bringen diese Vorschläge keine Lösungsbeiträge für die globale Ernährungskrise und die steigenden Nahrungsmittelpreise, sondern sind geeignet, die globale Krise weiter zu verschärfen.
Laut einer Studie der Heinrich-Böll-Stiftung könnte durch den Wegfall des EU-Stilllegungsziels die globale Getreideproduktion um 0,1 Prozent steigen, während der Ernteausfall in der Ukraine und der russische Handelsstopp das global verfügbare Getreide um vier Prozent reduziert. Der Getreidepreis würde nur um 0,1 Prozent verringert. Der Verzicht auf Flächenstilllegungen kann daher kaum den Verlust an Getreideexporten aus der Ukraine ausgleichen, zumal oft marginale Standorte als Brachflächen dienen, die sich nicht zur Getreideproduktion eignen.
62 Prozent des europäischen Getreides werden als Futter für Schweine, Rinder und Geflügel verwendet. Auch 70 Prozent der Ölsaaten (wie Sonnenblumenkerne) in der EU gehen in die Futtertröge. Circa 20 Prozent des europäischen Getreides wandert als Biotreibstoff in den Tank. Jeden Tag werden in Europa 10 000 Tonnen Weizen zu Ethanol für Autos verarbeitet – was 15 Millionen Broten entspricht. Nur 20 Prozent des Getreides gehen in Europa in die Lebensmittelproduktion.
Liegt uns die globale Ernährungssicherheit wirklich am Herzen, dann sollten wir der Erzeugung von Lebensmitteln für Menschen Priorität einräumen, nicht für Tiere und Autos. Wir produzieren global genügend Lebensmittel für alle Menschen, aber die Verteilung ist ungerecht. Wir schütten den Weizen lieber in die Tröge der Schweine, deren Fleisch nach China exportiert wird. Der Fleisch- und Milchkonsum in Europa liegt weit über dem, was als gesunde Ernährung gelten kann. Gleichzeitig verursacht diese Produktionsweise immense Umweltkosten und Treibhausgasemissionen und zerstört natürliche Ökosysteme und die Bodengesundheit. Eine Reduktion der Tierbestände auf ein Maß, für das wir Futtermittel in Form von Grünfutter und Leguminosen selbst produzieren können, und eine finanzielle Unterstützung der Landwirte für eine Produktionsumstellung würde dem Klimaschutz enorm helfen und deutlich mehr Getreide für die Menschen bereitstellen.
Die globale Ernährungssicherheit hängt von der Natur ab. Die Wiederherstellung gesunder, resilienter Agrar-Ökosysteme ist eine wichtige Voraussetzung, um die Auswirkungen des Klimawandels abzufedern und viel größere künftige Ernteausfälle zu vermeiden. Die Ernten stagnieren in der EU seit Längerem – nicht wegen Umweltvorschriften, sondern durch die Klimakrise, den Verlust von Bestäubern und die Bodendegradierung. Wir lösen die Krise der Nahrungsmittelpreise nicht, indem wir die Klima- und die Biodiversitätskrise verschärfen. Die Umweltmaßnahmen in der Gemeinsamen Agrarpolitik tragen erheblich zu mehr Resilienz und Krisenfestigkeit der Landwirtschaft bei. Deshalb wäre es fatal, gerade diese Maßnahmen zu verschieben oder zu streichen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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