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Wie der Wind auch weht

Prominente Bundespolitiker besuchen die Konferenz Republica, die angepasster ist als früher

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 4 Min.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht auf der Republica 2022. Foto: dpa/Annette Riedl
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) spricht auf der Republica 2022. Foto: dpa/Annette Riedl

Seit 2007 gibt es die Republica nun schon. Anfangs besuchten ein paar Hundert Interessierte aus der Blogger*innen-Szene die Konferenz für digitale und zivilgesellschaftliche Themen. Mittlerweile ist die Republica zu einer Marke geworden, die sich in diesem Jahr an zwei Berliner Standorten präsentiert. Während der Festsaal Kreuzberg als kleiner Veranstaltungsort noch für den alten Geist des Widerständigen und Kritischen steht, ist die Arena Berlin für ein Massenpublikum ausgelegt. Genug Platz also für die mehr als 400 Veranstaltungen und rund 700 Sprecher*innen.

Das Programm ist wie immer breit gefächert – von kritisch-aktuell bis bunt-verspielt: Da geht es um ernste Themen wie die geplante Chat-Kontrolle oder die Demokratisierung öffentlich-rechtlicher Medien, gleichzeitig aber laufen Workshops zu Videospielen, und abends darf Karaoke gesungen werden. Eine »Ideenwerkstatt für produktiven Zukunftsoptimismus« soll jenen Fatalismus angehen, der von den Gesellschaften des Westens Besitz ergriffen hat. Die Macher*innen der Konferenz um Netzpolitik-Gründer Markus Beckedahl rechnen mit mehr als 10 000 Besucher*innen.

In den vergangenen zwei Jahren war die Republica pandemiebedingt eine reine Online-Veranstaltung. Doch in diesem Jahr ist persönliches Erscheinen wieder Pflicht. Und so hatten sich Prominente aus Politik, Kultur und Wissenschaft angekündigt, unter ihnen Bundeskanzler Olaf Scholz, der am Donnerstag in seiner Rede nach der Rolle Deutschlands in einer sich wandelnden Welt suchte. Es war nicht sein erster Besuch auf einer Republica, denn bereits als Bundesfinanzminister war Scholz hier zu Gast.

Doch diesmal war die große Weltpolitik seine Bühne: Den Angriff Russlands auf die Ukraine bezeichnete er in seiner Rede als Zeitenwende. »Niemand kann sich abkoppeln vom Rest der Welt«, warnte er. Das gelte für die analoge Welt, etwa beim Klimawandel oder bei der Armutsbekämpfung, und erst recht für die digitale Welt. Scholz sprach sich dagegen aus, »digitale Technologien als geopolitisches Machtinstrument zu missbrauchen«, nur um wenig später selbst zu fordern, dass Deutschland seine eigene digitale Souveränität stärken müsse. Deshalb solle man prüfen, welche Technologien strategisch so wichtig seien, dass sie nicht an Dritte weitergegeben werden, etwa Mikrochips.

Der Sozialdemokrat sprach sich zudem für eine »verantwortungsvolle Datenökonomie« zum Wohl von Gesellschaft und Wirtschaft aus. Die Botschaft war klar: Wir brauchen mehr Daten der Bürger*innen, mit denen wir junge, hungrige Start-ups füttern können. Irgendwie passte die Rede des Kanzlers zum diesjährigen Motto der Veranstaltung: »Any Way the Wind Blows«. Ein Wortspiel, das man mit »Wie der Wind auch weht« oder »Der Wind weht, wo er will« übersetzen könnte.

Doch irgendwie scheint klar, wohin der Wind unsere Daten wehen wird. Wir werden weiter die Server großer und kleiner Digitalunternehmen mit unseren persönlichen Informationen füttern. Die Angst vor Überwachung, die die ersten Republica-Konferenzen noch dominierte, wird von anderen Ängsten überlagert, etwa Krieg oder Klimawandel.

Die Republica ist mittlerweile tatsächlich eine Konferenz der Bundesrepublik. Das zeigt auch ein Blick auf die Liste der Standbetreiber, die hier eigene Inhalte anbieten. Das Bundesinnenministerium, früher der Feind aller Aktivist*innen, darf sich dort mit einem bunten Programm präsentieren. Kontroverse Themen wie den Einsatz von Spionagesoftware durch Bundesbehörden klammert man dort lieber aus. Dabei wäre mit Claudio Guarneri ein durchaus sachkundiger Gesprächspartner als Gast vor Ort gewesen. Der Italiener arbeitet für das Security Lab von Amnesty International, das erstmals nachweisen konnte, dass die Spionagesoftware Pegasus gezielt gegen Dissident*innen eingesetzt wird.

Pegasus wird mittlerweile auch von deutschen Nachrichtendiensten und vom Bundeskriminalamt genutzt. Eine Menge Gesprächsstoff für eine größere Diskussion. Aber stattdessen will das
Innenministerium lieber über digitale Bafög-Anträge und Elterngeld reden. Zudem soll die Präsenz vor Ort wohl auch der Anwerbung von Fachpersonal dienen. Schließlich brauchen die dem BMI untergeordneten Behörden ausgebildete IT-Fachkräfte dringender denn je.

Hat sich die Republica verändert – oder doch eher das Umfeld? Ist der Staat mittlerweile eher ein Verbündeter im Kampf gegen Datenkraken wie Google oder Meta? Gegen diese These spricht, dass sich auf der Konferenz auch Konzerne präsentieren können, die mit Daten ihr Geld verdienen, etwa der Software-Gigant SAP. Eine Konferenz also mit großem Unterhaltungswert und äußerst unklarer Botschaft. Oder um es mit den Worten der Veranstalter*innen zu sagen: »Any Way the Wind Blows ist eine Verneigung vor der Poesie des Irrationalen, das uns so menschlich macht: Vertrauen, Liebe, Hoffnung, Spaß!«

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