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Vier Tage Nahost mit Robert Habeck
Bundeswirtschaftsminister wirbt für mehr Energie-Zusammenarbeit mit dem arabischen Raum
In Tel Aviv traf Habeck in seiner Funktion als deutscher Vize-Kanzler mit Premierminister Naftali Bennet und Außenminister Jair Lapid zusammen. Schwerpunkt der Gespräche seien die »Zusammenarbeit im Bereich von Energie, Klima und Wirtschaft« gewesen, so das Büro von Bennet. Der Bundeswirtschaftsminister sagte vor Journalisten, es sei darum gegangen, wie »Israel an die Infrastruktur der Nachbarländer« angeschlossen und Kreisläufe zusammengeschlossen werden könnten und ob es »für deutsche und europäische Firmen die Möglichkeit gibt, dort einzusteigen«. Noch seien nicht »alle Aufträge vergeben«.
Thema seien auch die großen Gasfelder Israels im Mittelmeer gewesen, berichteten Korrespondenten vor Ort. Israelisches Gas könne Deutschlands Abhängigkeit von Russland verringern helfen, heißt es, doch Israel ist für die Verflüssigung seines Gases auf Anlagen in Ägypten angewiesen, müsste das Gas also über Ägypten nach Deutschland exportieren. Das MedEast-Projekt, mit dem durch Pipelines unter dem Mittelmeer hindurch israelisches Gas direkt nach Europa transportiert werden sollte, liegt nach dem Rückzug der USA bis auf Weiteres auf Eis.
Die Konflikte im Nahen Osten erschweren die Energie-Zusammenarbeit. Israel und der nördliche Nachbar Libanon befinden sich seit 20 Jahren im Streit um die Grenzlinien von Gasfeldern im östlichen Mittelmeer. In den letzten Tagen eskalierte der Streit. Nachdem Israel ein Bohrschiff in ein umstrittenes Gasfeld geschickt hatte, um das Gasfeld anzuschließen, drohte die libanesische Regierung Israel. Die Hisbollah erklärte, sie warte eine Entscheidung der Armeeführung ab, wie mit dem illegalen Eindringen des Bohrschiffs umgegangen werden solle.
Bundeswirtschaftsminister Habeck denkt perspektivisch an die Errichtung gemeinsamer Solarfelder und Windparks im Mittelmeer, die die Konflikte zwischen Israel und seinen Nachbarn Palästina und Libanon beilegen könnten. »Grüner Strom« könnte zudem Meeresentsalzungsanlagen betreiben, um den akuten Wassermangel zu überwinden.
Nach einem Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem am Dienstagmorgen reiste Habeck nach Ramallah weiter, wo er dem Ministerpräsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde Mohammed Schtayyeh Unterstützung für den Ausbau der Solarenergie in den Flüchtlingslagern zusagte. Schtayyeh dankte der Bundesregierung, die zu den wichtigsten Geldgebern der Palästinenser gehöre, und forderte von Deutschland mehr Druck auf Israel, damit es seine repressive Besatzungspolitik einstelle, insbesondere in Ostjerusalem. Habeck erwiderte diplomatisch, aber erwartbar, Deutschland halte an der Zwei-Staaten-Lösung fest und wolle Bedingungen schaffen für eine politische Lösung.
In Amman traf der Bundeswirtschaftsminister mit dem jordanischen König Abdullah II zusammen. Jordanien sei stolz über die »strategische Partnerschaft« mit Deutschland und hoffe auf deren Ausbau »auf allen Ebenen, besonders bei Investitionen in erneuerbare Energie«, hieß es in einer Erklärung des Königspalastes. Zu Habecks Pflichtprogramm gehörte der Besuch in einem Lager für syrische Flüchtlinge und auf dem jordanischen Luftwaffenstützpunkt in Al-Azraq, 100 Kilometer östlich von Amman, wo 150 Bundeswehrsoldaten stationiert sind für den Kampf gegen die Terrororganisation IS.
Am Mittwochabend eröffnete er in Anwesenheit des jordanischen Kronprinzen Hussein den zweitägigen »Mena-Europa Dialog über die Zukunft von Energie«. Vertreter von 20 Staaten aus der arabischen Welt und Europa nahmen an dem Treffen in Sweimeh am Toten Meer teil, bei dem es vor allem um wirtschaftliche Möglichkeiten beim Ausbau »grüner Energie« und um Ausbau, Vernetzung und die Neuaufstellung regionaler und europäischer Stromnetze ging. Diese Ziele stehen ganz im Einklang mit einer Studie der aus dem Bundeshaushalt finanzierten Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin vom September 2021. Schon der Titel »Geopolitik des Stroms« impliziert, dass Stromnetze »Einflusskanäle und Machtsphären« etablieren. Deutschland und die EU müssten ihre »Strom-Außenpolitik entwickeln«, »um das europäische Stromnetz (…) zu erweitern.« Dabei wandelten sich Regionen wie der Nahe Osten »von Peripherien in neue Verbindungsräume«, wo die EU mit China, Russland, dem Iran und der Türkei »um Einfluss bei der Neukonfiguration der Stromnetze« konkurriere.
Zwar müssten Jordanien und die Region insgesamt zunächst die eigenen Märkte bedienen. »Aber wenn es möglich ist, hier in dieser sonnenreichen Region Strom zu produzieren und ihn nach Europa zu bringen über eine Kabelverbindung übers Mittelmeer« oder wenn mit Hilfe von Sonnenenergie produzierter Wasserstoff nach Europa gebracht werden könne, »dann freue ich mich darüber sehr«, sagte Habeck. »Es gibt eine Riesennachfrage in Deutschland, in Europa nach grünem Wasserstoff beziehungsweise nach günstigem solarem Strom.«
Deutschland, Jordanien und weitere Staaten der Region unterzeichneten bei der Konferenz eine gemeinsame Erklärung. Darin verabreden sie unter anderem, Möglichkeiten zu erkunden für eine Stärkung der Energieleitungen zwischen der EU und dem Nahen Osten sowie. Sie wollen zudem die Bedingungen für die Produktion von grünem, CO2-frei produziertem Wasserstoff vorantreiben. Zu den Erstunterzeichnern gehörten auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Libyen, Ägypten, Österreich und Tschechien, das bald die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt. Jordanien habe viel Sonne und wolle künftig mehr Energie exportieren, sagte Jordaniens Energieminister Salih Al-Kharabschah.
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