Ist die Krankheit eine normale Alterserscheinung?

Über 1,2 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter der Alzheimer-Krankheit

Vorweg ist eine uralte Geschichte zu erzählen. Sie ist inzwischen über 120 Jahre alt und beginnt 1901 mit der damals 51-jährigen Frau Auguste Deter. Sie lebt zusammen mit ihrem Ehemann im Stadtteil Sachsenhausen von Frankfurt am Main, bis ihr Mann sie in die »Anstalt für Irre und Epileptische« bringt. Er kennt nach einer langen Tragödie keinen anderen Ausweg. Denn seine Frau hat sich seit Monaten total verändert. Sie kann ihren Alltag allein nicht mehr bewältigen, belästigt Mitbewohner ihres Hauses und redet wirres Zeug. Der Assistenzarzt namens Alois Alzheimer befragt die verwirrte Frau eingehend. Das Ergebnis: Auguste Deter leidet unter Vergesslichkeit und Wahnvorstellungen. Das Protokoll des Arztes, der der Krankheit schließlich den Namen gibt, liegt noch heute im Original im Frankfurter Institut für Stadtgeschichte. Soweit die Vorgeschichte.

Irrtümer über Alzheimer

Es gibt viel Verunsicherung über die Alzheimer-Krankheit. Die gemeinnützige Alzheimer Forschung Initiative (AFI) hat einige Irrtümer aufgelistet.

1. Alzheimer ist ansteckend: Es gibt keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass die Alzheimer-Krankheit beim Menschen ansteckend ist. Im Tierexperiment ist es zwar unter Laborbedingungen möglich, die Alzheimer-Krankheit zu übertragen. Diese Ergebnisse sind aber nicht auf die realen Bedingungen beim Menschen übertragbar.

2. Alzheimer-Patienten sterben an Atemnot: Menschen mit Alzheimer vergessen nicht zu atmen. Sie sterben auch nicht unmittelbar an der Alzheimer-Krankheit, sondern an Begleiterkrankungen. Im letzten Krankheitsstadium bauen Patienten auch körperlich immer mehr ab und sind schließlich rund um die Uhr pflegebedürftig. Weil das Immunsystem dadurch erheblich geschwächt ist, steigt die Anfälligkeit für Infektionskrankheiten. Viele Alzheimer-Erkrankte sterben an Atemwegsinfektionen.

3. Alzheimer ist eine normale Alterserscheinung: Diese Behauptung wird in populärwissenschaftlichen Debatten immer wieder aufgestellt. Mittlerweile ist es jedoch möglich, die Eiweiß-Ablagerungen aus Beta-Amyloid und Tau, die für die Alzheimer-Krankheit charakteristisch sind, durch bildgebende Verfahren sichtbar zu machen. Ein organisch gesundes Gehirn kann bis ins hohe Alter sehr leistungsfähig sein, auch wenn es in der Regel langsamer wird. Alzheimer dagegen ist eine Erkrankung, die diagnostiziert, behandelt und weiter erforscht werden muss.

4. Alzheimer ist noch nicht heilbar: Diese Feststellung stimmt, trotzdem kann man Alzheimer behandeln. Mit speziellen Medikamenten kann der Krankheitsverlauf verlangsamt werden und auch Begleiterscheinungen wie Depressionen oder Aggressionen lassen sich medikamentös behandeln. Nicht-medikamentöse Therapien, wie die geistige, körperliche und emotionale Mobilisierung, können die Selbständigkeit der Patienten länger erhalten.

5. Alzheimer ist vererbbar: Die Erkrankung eines Elternteiles bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Krankheit an die Kinder vererbt wird. Nur rund ein Prozent aller Alzheimer-Erkrankungen sind eindeutig erblich bedingt. Betroffene erkranken in der Regel sehr früh, zwischen dem 30. und 65. Lebensjahr. Bei 99 Prozent aller Alzheimer-Erkrankungen ist das Alter der größte Risikofaktor. Die Symptome beginnen meistens erst ab dem 65. Lebensjahr.

Zehn Risikofaktoren vorbeugen

Bis zu 40 Prozent der Alzheimer-Erkrankungen können durch Vorsorge vermieden werden. Welche Risikofaktoren sind zu beachten?

1. Bewegung: mindestens 2,5 Stunden pro Woche sind ideal.

2. Gesunde Ernährung: klassische mediterrane Ernährung, viel Obst und Gemüse, Olivenöl und Nüsse sowie Fisch statt Fleisch.

3. Soziale Kontakte: zu zweit oder in Gruppen den Geist fördern.

4. Übergewicht reduzieren: gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung helfen dabei.

5. Ausreichend Schlaf: damit das Gehirn Schadstoffe abbauen kann.

6. Nichtrauchen: Rauchen schadet auch dem Gehirn.

7. Bluthochdruck: regelmäßig kontrollieren, bei Bluthochdruck den Arzt konsultieren.

8. Diabetes: den Blutzuckerspiegel im Blick haben.

9. Depressionen: Wer längere Zeit antriebslos oder niedergeschlagen ist, sollte den Arzt informieren.

10. Schwerhörigkeit: eine nachlassende Hörfähigkeit korrigieren lassen.

Mehr Frauen als Männer betroffen

Rund zwei Drittel der 1,2 Millionen Alzheimer-Erkrankten sind weiblich. Lange ist man davon ausgegangen, dass die längere Lebenserwartung von Frauen der Grund ist, denn das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, steigt mit zunehmendem Alter. Heute geht man zunehmend davon aus, dass geschlechtsspezifische Unterschiede, besonders im Hormonhaushalt, dazu führen, dass Frauen häufiger von Alzheimer betroffen sind, denn Hormonhaushalt und Stoffwechsel von Frauen sind anders als bei Männern. Dass die weiblichen Sexualhormone, insbesondere Östrogene, die Reproduktionsfähigkeit von Frauen regeln, ist bekannt. Dass Östrogene aber auch eine wichtige Rolle für den Hirnstoffwechsel und damit für die kognitiven Prozesse im weiblichen Gehirn spielen, rückt erst langsam in den Fokus der Alzheimer-Forschung.

In den Wechseljahren ändert sich bei Frauen der Hormonhaushalt. Insbesondere die Östrogenproduktion ist stark rückläufig. Weil Östrogene nicht mehr ausreichend für die Energieversorgung und den Schutz der Nervenzellen sorgen, leiden manche Frauen unter Wechseljahresbeschwerden, die auch die Kognition betreffen können wie Gedächtnisprobleme, Vergesslichkeit und Verwirrtheit. Zum höheren Alzheimner-Erkrankungsrisiko von Frauen tragen auch Risikofaktoren wie Depressionen, Diabetes, Fettleibigkeit, Infektionen und chronische Entzündungen bei. Diese Erkrankungen erhöhen zwar auch das Alzheimer-Risiko von Männern, aber bei Frauen scheinen sich diese medizinischen Probleme stärker auf den kognitiven Verfall auszuwirken.

Arzttermin gründlich vorbereiten

Wer bei sich eine Verschlechterung des Gedächtnisses feststellt, sollte immer einen Arzt aufsuchen. Es ist wichtig, früh und professionell abzuklären, was der Auslöser der Vergesslichkeit ist, um im Falle einer Alzheimer-Erkrankung frühzeitig mit einer Therapie zu beginnen. Vor dem Arztbesuch ist eine Liste mit Symptomen aufzustellen. Außerdem ist es ratsam, ein Familienmitglied oder einen Freund um Begleitung zu bitten. Bei einer Alzheimer-Diagnose spielt das Gespräch mit einer Person, die dem Patienten nahesteht, eine wichtige Rolle.

Folgende Fragen können als Leitfaden dienen: Welche Beschwerden liegen vor? Wann begannen die Beschwerden? Um welche Tageszeit treten die Beschwerden auf? Wie lange dauern sie an? Wie oft treten die Beschwerden auf? Wodurch verbessert oder verschlechtert sich der Zustand? Welche Schlafstörungen liegen vor? Welche Medikamente werden eingenommen?

Ein Wort zu den Schlafstörungen, die als ein Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit gelten. Denn die Krankheit wird mit den beiden Eiweißen Beta-Amyloid und Tau in Zusammenhang gebracht. Eine neue Vermutung ist, dass im gesunden Gehirn diese Eiweiße im Schlaf aus dem zentralen Nervensystem gewaschen werden. Bei der Alzheimer-Krankheit ist dieser Reinigungsprozess wahrscheinlich gestört. Anhaltende Schlafstörungen erhöhen das Alzheimer-Risiko.

Sicher wohnen mit Alzheimer

Rund zwei Drittel aller Menschen mit Alzheimer werden zu Hause von Angehörigen gepflegt. Dabei ist es wichtig, den Wohnraum an die Bedürfnisse des Erkrankten anzupassen, um Gefahrensituationen einzuschränken. So sind Stolperfallen wie hohe Teppiche oder Elektrokabel auf dem Boden zu vermieden. Die Sicherheit auf Treppen kann durch Markierungen der Treppenstufen mit farbigen Klebeband oder der Montage eines Handlaufs erhöht werden. Eine auftretende Verhaltensweise bei Menschen mit Alzheimer ist das Weglaufen. Sichere Türgriffe und Alarmmatten vor der Tür sind empfehlenswert. Da der Orientierungssinn gestört ist, sollte der Betroffene nicht alleine unterwegs sein. Es ist darauf zu achten, dass sich der Patient nicht eingesperrt fühlt. Im Badezimmer verhindern Gummimatten oder rutschfeste Streifen am Dusch- oder Wannenboden Stürze genauso wie Haltegriffe an der Wand. Ein Stuhl oder Hocker in der Dusche sorgt für Sicherheit. Durch Markieren der Wasserhähne – Rot für heiß, Blau für kalt – können Verbrühungen verhindert werden. Auch ein erhöhter Sitz kann den Toilettengang erleichtern. Messer, Scheren und andere Utensilien sollten weggeschlossen werden. Entsprechende Kosten für sogenannte Wohnumfeld verbessernde Maßnahmen können von der Pflegeversicherung bezuschusst werden. Hierfür muss ein Pflegegrad vorliegen. Pro Maßnahme stehen dann bis zu 4000 Euro zur Verfügung.

Weitere Infos und kostenlose Broschüren bei der Alzheimer Forschung Initiative (AFI), Kreutzstr. 34, 40210 Düsseldorf, Tel. (0211) 86 20 660 oder unter www.alzheimer-forschung.de.

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