Gefährlicher Kinderschutz

Transhasser*innen entdecken das Thema »Kinderschutz« für sich – denn mit unseren Schutzbedürfnissen gegenüber Kindern lässt sich Stimmung machen.

  • Jeja Klein
  • Lesedauer: 3 Min.
Die »Sendung mit der Maus« widmet sich auch dem Thema Transgeschlechtlichkeit.
Die »Sendung mit der Maus« widmet sich auch dem Thema Transgeschlechtlichkeit.

Vergangene Woche warnten fünf Gastautor*innen in der »Welt« davor, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerade dabei sei, Kinder in Deutschland zu »sexualisieren« und »umzuerziehen« . Bebildert mit der Maus aus der »Sendung mit der Maus« und einer Regenbogenfahne, beklagten die Wissenschaftler*innen rund um den Jugendpsychiater Alexander Korte, dass in Kindersendungen über Transgeschlechtlichkeit aufgeklärt wird. Korte wird seit Jahren als vermeintlicher, eine Gegenmeinung vertretender Experte durch die Feuilletons gereicht und dabei nicht müde, zu betonen, dass die Mehrheit seiner Kolleg*innen dasselbe denke wie er. Nur trauten sie sich nicht, das öffentlich zu sagen.

Zwar erklärte zuletzt im Mai der Deutsche Psychotherapeutentag, also die Bundesvertretung aller psychologischen Kinder-, Jugend- und Erwachsenenpsychotherapeut*innen, einhellig, sich hinter das von der Bundesregierung geplante Selbstbestimmungsgesetz zu stellen. Das soll endlich Transrechte stärken. Doch trotz des auch in anderen Veröffentlichungen dokumentierten Konsenses darf Korte in deutschen Zeitungen immer wieder den Eindruck einer wissenschaftlichen Community erzeugen, die sich im großen Streit um den Umgang mit transgeschlechtlichen Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen befände. Dabei war der Text in der »Welt« diesmal so unterirdisch, dass sich sogar Chefredakteur Ulf Poschardt und Springer-Chef Mathias Döpfner bemüßigt sahen, ihm öffentlich seine Qualität abzusprechen.

Die Rede von der »Sexualisierung« von Kindern erinnert nicht zufällig an die Kampagnen der AfD-nahen »Demo für Alle« , die vor einigen Jahren unter dem Motto »Frühsexualisierung« schrill gegen die Ehe für alle sowie gegen Sexualpädagogik an Schulen Sturm gelaufen ist. In einem von Korte und seinen Mitstreiter*innen begleitend zum »Welt«-Text online veröffentlichten Dossier zur angeblichen Trans-Indoktrination wurden in Medien abgebildete sexualpädagogische Materialien, die Kindern etwa die Vielfalt des Aussehens von Vulven näherbringen sollen, als »Grooming-verdächtig« bezeichnet. »Grooming« ist ein Ausdruck für die Strategie pädosexueller Täter, die sich vorgeblich für die Gefühle von Jugendlichen und Kindern interessieren, um den dabei entstehenden Kontakt für sexuelle Gewalt auszunutzen.

Der wahre Hintergrund solcher Sexualpädagogik sind jedoch alarmierende Befunde darüber, wie stark eben auch Mädchen mit pornographischen Bildern konfrontiert sind. Die haben ein genitales »Schönheitsideal« etabliert, dem sich immer weniger Betroffene gewachsen fühlen. Entsprechend sind die Zahlen von ästhetischen Operationen an Vulven geradezu explodiert – nur die Spitze eines Eisbergs an Scham für den eigenen Körper. Was das alles aber noch mit einer angeblichen Propagierung von Transgeschlechtlichkeit gegenüber Kindern im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu tun hat, lässt sich nur erschließen, wenn man die Geschichte queerfeindlicher Bewegungen kennt. Denn die haben schon immer mit der Phantasie gespielt, dass insbesondere Schwule ihren »Nachwuchs« durch Verführung und sexuellen Missbrauch von Minderjährigen rekrutieren würden.

Wie gefährlich solcher »Kinderschutz« für Kinder ist, lässt sich derzeit in den USA beobachten. Inzwischen glauben einer aktuellen Studie zufolge 42 Prozent der US-amerikanischen Wähler*innen nämlich an eine solche Verführungsthese – nur eben in Bezug auf Trans. In Texas hat entsprechend Gouverneur Greg Abbott im Februar per Direktive die Definition von Kindesmisshandlung beziehungsweise -missbrauch dahingehend geändert, dass die medizinische Unterstützung von Trans-Jugendlichen ebenfalls darunterfallen solle. Nun wurde bekannt, dass ein Junge am Tag jener Direktive versucht hat, sich das Leben zu nehmen. Nach der Notrettung und der Überweisung in eine psychiatrische Abteilung klopften dann Mitarbeiter*innen des Jugendamtes zu Hause an. Die Psychiatrie hatte, als sie von der Transgeschlechtlichkeit des eingewiesenen Jungen erfahren hatte, die Familie kurzerhand denunziert.

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