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Venezuela statt Russland
Schon im Juli könnten erste Öllieferungen nach Europa erfolgen
Es hatte zuletzt schon einige Schritte der Annäherung gegeben – nun folgt ein weiterer: Die USA wollen Ölexporte aus Venezuela nach Europa wieder freigeben. Der italienische Energiekonzern Eni und das spanische Unternehmen Repsol könnten schon ab Juli venezolanisches Öl nach Europa verschiffen, um Lieferausfälle aus Russland teilweise zu kompensieren. Das berichtete kürzlich die Nachrichtenagentur Reuters.
»Wir sprechen von vielleicht einer Lieferung pro Monat und einer kleinen Menge von möglicherweise 500 000 oder einer Million Barrel Öl«, sagt Antero Alvarado, in Caracas ansässiger Energieexperte und Geschäftsführer der Beratungsfirma Gas Energy Latin America, gegenüber »nd«. »Das wird das Preispanorama auf dem Weltmarkt nicht sehr verändern. Aber es kann dazu beitragen, die Versorgung zu verbessern.«
Repsol und Eni betreiben in Venezuela das Joint Venture Cardon IV, das laut Alvarado fast 40 Prozent von Venezuelas Erdgasverbrauch deckt. Die Öllieferungen nach Europa »würden zur Bezahlung dieses Gases und zur Tilgung der durch die Gasproduktion entstandenen Schulden verwendet werden«, sagt er.
Eine der Bedingungen ist, dass das Öl nur nach Europa gehen und nicht anderswo verkauft werden darf. Washington hofft, dass Venezuela Europa helfen könnte, seine Abhängigkeit von Russland zu verringern und einen Teil der venezolanischen Lieferungen nach China umzuleiten, wohin rund 70 Prozent der Ölexporte gehen.
»Das Gewicht Russlands und Chinas ist immer noch sehr groß«, sagt Alvarado. Neben dem staatlichen Erdölkonzern Petróleos de Venezuela S.A. (PdVSA) seien große Ölförderunternehmen aus China und Russland nach wie vor die Hauptproduzenten und »spielen daher eine sehr wichtige Rolle«.
Venezuela verfügt über eine der größten Ölreserven der Welt, die Förderung jedoch ist wegen jahrelanger Misswirtschaft, Korruption und fehlenden Investitionen eingebrochen. Hinzu kommen Sanktionen der USA gegen den venezolanischen Ölsektor. Die Raffinerien des Landes sind im Laufe der Jahre so heruntergekommen, dass sie kein Benzin mehr produzieren. Und so kämpfte das Ölland Venezuela in der Coronakrise mit einem beispiellosen Kraftstoffmangel. Tanker aus dem Iran lieferten Benzin.
»Die venezolanische Ölindustrie produziert etwa 820 000 Barrel pro Tag und stagniert in etwa auf diesem Wert«, sagt Alvarado. »Wenn Venezuela dieses Produktionsniveau steigern will, muss es die Zahlungsbedingungen für Diensteistungsunternehmen verbessern, die Geschäftsbedingungen attraktiver machen und privaten Unternehmen Investitionen erlauben. Natürlich schränkt das Problem der Sanktionen die Möglichkeit einer Produktionssteigerung stark ein.«
Gemeint sind die Sanktionen der USA, die Folge eines erbitterten Machtkampfes in Venezuela sind. Nach der umstrittenen Wiederwahl von Präsident Nicolás Maduro 2018 proklamierte sich Anfang 2019 Parlamentspräsident Juan Guaidó zum Übergangsstaatschef. Mehr als 50 vor allem westliche Staaten, darunter Deutschland, erkannten Guaidó an. In diesem Zusammenhang verhängten die USA Sanktionen, insbesondere gegen den Öl- und Bankensektor. Durch die US-Strafmaßnahmen vom globalen Finanzsystem ausgeschlossen, war PdVSA gezwungen, die Organisation des Ölexports an ausländische Partner abzugeben. In den vergangenen Jahren haben beispielsweise der US-Konzern Chevron, Eni oder Russlands Rosneft venezolanisches Rohöl direkt exportiert. Seit April 2019 ging Washington unter Donald Trump dazu über, ausländische Unternehmen, die mit Venezuela zusammenarbeiten, direkt zu bestrafen. Mitte 2020 wurde dann auch das Programm »Öl gegen Schulden« eingestellt.
Der Ukraine-Krieg aber hat die Gemengelage verändert. Realpolitische Abwägungen spielen plötzlich eine Rolle. Im März reiste eine US-Delegation unter Leitung von Juan Gonzalez, Sicherheitsberater von Präsident Joe Biden für die westliche Hemisphäre, auf der Suche nach alternativen Ölquellen nach Caracas. Ende Mai dann erneuerte Washington eine Lizenz, die Chevron teilweise von den Sanktionen ausnimmt, so dass das Unternehmen weiterhin in Venezuela tätig sein kann. Hinzu kommen nun die Lieferlizenzen für Eni und Repsol. Präsident Maduro hob nun die »kleinen, aber bedeutenden Schritte« hervor, die die Vereinigten Staaten im Rahmen der Lockerung der Wirtschaftssanktionen unternommen haben.
Alvarado glaubt indes, dass das vorrangige Ziel der Maßnahmen ist, Venezuelas Präsidenten dazu zu bewegen, Gespräche mit der Opposition wieder aufzunehmen. »Diese Schritte sind gut, um der Regierung einen Vorgeschmack auf die Vorteile zu geben, die entstehen, wenn sie mit der Opposition über Bedingungen für Neuwahlen und größere Transparenz verhandelt.« Denn eine starke Erhöhung des Angebots für Europa werde nicht von heute auf morgen geschehen, sondern brauche mehr Zeit.
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