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Kampf gegen Doping in Kriegszeiten

Die Wada über die Kontrollsituation in Russland und der Ukraine

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 5 Min.
Langer Dopingschatten: Der Fall der Russin Kamila Valieva ist noch immer unaufgeklärt – auch eine Folge des Krieges.
Langer Dopingschatten: Der Fall der Russin Kamila Valieva ist noch immer unaufgeklärt – auch eine Folge des Krieges.

Manchmal bringen Politiker frischen Wind in den Sport. Bei seiner Begrüßungsrede für das traditionelle Symposium der Welt-Antidoping-Agentur Wada in Lausanne sagte der von der Kantonsregierung abgesandte Politiker Philippe Leuba, Russland habe mit seinem Angriff auf die Ukraine den Olympischen Frieden gebrochen. Er forderte die Welt des Sports zu Reaktionen auf. Ihm gelang sogar der Brückenschlag zum Antidoping-Geschäft. »Sport kann die Welt besser machen, aber nur sauberer Sport kann die Welt von morgen für die Menschheit gestalten«, sagte Leuba. Natürlich, es war nur eine Sonntagsrede der Politik, gehalten an einem Sonnabend. Aber sie wies auf den großen symbolischen Einfluss hin, den der Weltsport haben kann.

Die Männer – und wenigen Frauen –, die nach ihm in die Bütt stiegen, hatten nur kleinere Brötchen im rhetorischen Gepäck. Wada-Präsident Witold Banka und Generalsekretär Olivier Niggli lobten vor allem die internen Reformkommissionen für ihre Arbeit. Klar, die haben einiges bewirkt. Die Athlet*innenvertretung in den Wada-Gremien wurde ausgebaut. Interessant ist auch die Installation einer Ethik-Kommission, die Verfehlungen von Wada-Funktionären aufklären und sie gegebenenfalls sanktionieren soll.

Für Schlagzeilen hatte vor ein paar Jahren der Fall von Tamas Ajan gesorgt. Der Sportfunktionär aus Ungarn war unter anderem Mitbegründer der Welt-Antidoping-Agentur und saß fast zwei Jahrzehnte in deren Stiftungsrat. Als starker Mann des Internationalen Gewichtheberverbandes, den er 45 Jahre lang erst als Generalsekretär und später als Präsident führte, organisierte er aber Vertuschungen von Dopingproben. Das zumindest wurde bei einer Ermittlung der US-amerikanischen Antidoping-Agentur Usada, deutlich. Ajan verabschiedete sich auf dem Höhepunkt der Vorwürfe aber einfach in den Ruhestand – und konnte juristisch nicht belangt werden. Diese Lücke ist jetzt geschlossen. Und man kann nur hoffen, dass die Existenz der Ethikommission eine abschreckende Wirkung entfaltet.

In ihrem eigentlichen Feld, der Dopingbekämpfung, erzielt die Wada nur mäßige Erfolge. Die Quote von positiven Tests liegt weiter unter der Ein-Prozent-Marke. Das mag auch daran liegen, dass der Forschungsetat nach Angaben von Präsident Banka von einstmals 6,6 Millionen Dollar auf zuletzt weniger als zwei Millionen geschrumpft ist. Für die kommenden Jahre kündigte Banka allerdings eine Erhöhung um bis zu 4,5 Millionen Dollar an. Viel ist auch das nicht für eigene Forschungsprogramme.

Als Erfolg konnte Generalsekretär Niggli immerhin verbuchen, dass der Umfang der Kontrollen nach dem pandemiebedingten Einbruch im März und April 2020 im Oktober des gleichen Jahres im Vergleich mit den Zahlen von 2019 fast wieder erreicht wurde. Seit März 2021 übertrifft die Anzahl der Trainingskontrollen regelmäßig die Werte aus der Zeit vor Corona. Die Quantität stimmte also wenigstens in der engeren Vorbereitungsphase auf die Olympischen Spiele.

Ungeklärt ist weiter die Situation der russischen Eiskunstläuferin Kamila Valieva. Ein von ihr bereits im Dezember 2021 genommener Test war bei einer Analyse sechs Wochen später während der Olympischen Winterspiele positiv aufgefallen. Nach längerem juristischen Hickhack durfte sie im Wettkampf bleiben. Als Minderjährige gilt sie laut Wada-Code als »geschützte Person« und kann deswegen weniger hart sanktioniert werden. Die von der Wada geforderte Untersuchung des Umfelds der Athletin auf Mitschuld am Dopingfall stockt aber.

Das ist auch eine Auswirkung des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Denn die wegen des Dopingskandals von 2016 ohnehin belasteten Kontakte zwischen der Welt-Antidoping-Agentur und der russischen Agentur Rusada sind aufgrund des Kriegs noch sporadischer. Niggli versicherte zwar, dass Gesprächskanäle weiter offen seien. Die nächste Überprüfungsrunde der Reformbemühungen der Rusada kann aber nur mittels Videokonferenz erfolgen. Niggli versicherte auf Nachfrage von »nd« immerhin: »Das Dopingkontrollsystem in Russland ist weiter wirksam. Die Rusada nimmt Proben von den Athleten, selbst wenn sie international nicht starten dürfen. Die Analysen werden vor allem im Labor in der Türkei vorgenommen. Flüge in die Türkei gibt es weiter. Auch Zahlungen können angewiesen werden.«

Russische Athlet*innen fallen also nicht in eine Kontrolllücke. Das gilt in noch größerem Maße für ukrainische Sportler*innen. Das dortige Antidopingsystem geriet im letzten Herbst durch »Operation Herkules« in Misskredit. Die von der Ermittlungseinheit der Wada eingeleitete Untersuchung fand heraus, dass ukrainische Athlet*innen mehrfach vor Dopingtests gewarnt wurden und dass Proben falsch beschriftet waren, sodass sie nur einer geringeren Anzahl von Analysen unterzogen wurden. Diese Analysen wurden später nachgeholt, mit negativem Ergebnis. Aber der Verdacht auf Manipulation konnte nicht ausgeräumt werden.

Banka wies während des Symposiums darauf hin, dass ukrainische Athlet*innen, die im Ausland trainieren, inzwischen auch dort getestet werden. »Wir haben 19 nationale Dopingagenturen angeschrieben und sie aufgefordert, dort lebende ukrainische Sportler*innen in ihre Testpools aufzunehmen, und wir haben von allen 19 positive Antworten erhalten. Auch einige internationale Sportfachverbände testen gegenwärtig Sportler*innen aus der Ukraine«, betonte der Wada-Präsident. Ein Schimmer von ziviler Normalität in diesem Krieg – und die Hoffnung, dass zumindest diese Kontrolllücke geschlossen ist.

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