Tesla braucht Wasser – Herrensee auch

Naturschützer beantragen Berufung gegen Urteil zur Wasserförderung für die Autofabrik

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.

3,8 Millionen Kubikmeter Grundwasser pro Jahr darf der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) an seinem Wasserwerk Eggersdorf heben. Das sind 1,7 Millionen Kubikmeter mehr als früher. Das Landesumweltamt duldet dies im Moment. Im Jahr 2020 hatte das Amt die Genehmigung erteilt. So sollte der WSE in die Lage versetzt werden, die Tesla-Autofabrik in Grünheide zu beliefern. Am 22. März startete der US-Konzern in Grünheide die Serienproduktion seiner Elektroautos. Kurz zuvor, am 4. März, hatte das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) die Genehmigung für die erhöhte Grundwasserentnahme gekippt. Begründung: Die Öffentlichkeit sei nicht wie erforderlich beteiligt worden. Aber das kann nachgeholt werden – und wird auch gegenwärtig nachgeholt. Die Frist zur Abgabe von Stellungnahmen ist mittlerweile verstrichen. Das Landesumweltamt muss die Einwände sichten und darüber befinden. Wenn das geschehen ist, gibt es voraussichtlich doch noch eine gültige Genehmigung für erhöhte Wasserfördermengen.

Darum wollen die Naturschützer, die gegen die Genehmigung geklagt hatten, ihren »vermeintlichen Sieg« – so formuliert es ihr Rechtsanwalt Thorsten Deppner am Dienstag – so nicht stehen lassen. Sie beantragen, dass doch eine Berufung gegen das Urteil zugelassen wird. Der 26-seitige Antrag sei am Montag an das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg abgegangen, sagt Deppner. Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) selbst hatte nicht erlaubt, Berufung gegen das Urteil einzulegen. Da kann dem Naturschutzbund (Nabu) und der Grünen Liga jetzt nur noch die höhere Instanz des Oberverwaltungsgerichts helfen.

Der Naturschutz und die Autofabrik
  • Das Naturschutzgebiet Herrensee, Lange Dammwiesen und Barnim-Hänge ist
    1081,9 Hektar groß.
  • Im Gebiet leben Fischotter, Rotbauchunke, Kammmolch, Goldener Scheckenfalter sowie die Schmale und die Bauchige Windelschnecke. Das sind mehr oder weniger bedrohte, zum Teil auch stark gefährdete Tierarten.
  • Das Schutzgebiet zeichnet sich laut Bundesamt für Naturschutz aus durch eine reich gegliederte Schmelzwasserrinne des Barnim mit dem überwiegend naturnahen Annafließ, dem stark verlandeten Herrensee, mehreren wertvollen, orchideenreichen Feuchtwiesen, Feucht- und Moorwäldern sowie Laubmischwäldern.
  • Der Bau der Tesla-Fabrik in Grünheide (Oder-Spree) für Elektroautos startete Anfang 2020. Am 22. März 2022 wurde die Fabrik eröffnet. Eine Batteriefabrik wird dem Standort noch hinzugefügt. Die Errichtung in Rekordzeit gelang auch mittels zunächst nur vorläufiger Genehmigungen. af

    Die Gründe, die Anwalt Deppner für ein Berufungsverfahren geltend machen kann, sind nach seinen Angaben auf fünf Punkte begrenzt. »Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit« der Entscheidung und eine »grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache« gehören dazu, auch eventuelle »Verfahrensmängel«. In dem 26-seitigen Berufungsantrag werden Ausführungen zu allen fünf Punkten gemacht, erläutert Deppner. Die beiden Naturschutzverbände bedauern, dass das Verwaltungsgericht nicht ihrer Argumentation folgte und eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die Wasserentnahme verlangte. Darum versuchen sie ihr Glück nun beim Oberverwaltungsgericht. Denn sie befürchten schwere Schäden für Flora und Fauna im Naturschutzgebiet Herrensee, Lange Dammwiesen und Barnim-Hänge. Dort wächst unter anderem das Sumpf-Läusekraut (Pedicularis palustris), das in Deutschland unter Artenschutz steht. Fallen die Feuchtwiesen im Naturschutzgebiet wegen der erhöhten Wasserförderung trocken, könnte es damit vorbei sein.

    Das Umweltamt sehe das anders, informiert Deppner. Das Amt meine, es werde nur der untere Grundwasserleiter angezapft, der gegen den oberen Grundwasserleiter durch eine Schicht Mergel abgedichtet sei. Außerdem sei genug Druck im Grundwasser, um es an die Oberfläche zu bringen. Damit sei eine Gefährdung offensichtlich ausgeschlossen. Bei der Rate der Grundwasserneubildung sei jedoch der Klimawandel nicht berücksichtigt worden, so Deppner. Will heißen: Bei höheren Temperaturen muss mit mehr Verdunstung und größerer Trockenheit gerechnet werden.

    »Es kann nicht sein, dass diese Fragen, die uns irgendwann und zwar relativ schnell beschäftigen werden, in diesem Prozess nicht berücksichtigt werden«, findet Michael Ganschow, Geschäftsführer der Grünen Liga Brandenburg. »Es ist ziemlich dringend, dass wir diesen Schritt gehen«, sagt Ganschow über den eingereichten Antrag auf Berufung. »Es geht um die kommenden Generationen.«

    Marten Lange-Siebenthaler vom Nabu Fürstenwalde ergänzt: »Es geht um die Frage, inwieweit wir das für die Zukunft verantworten können.« Für das betroffene Naturschutzgebiet Herrensee, Lange Dammwiesen und Barnim-Hänge seien so gut wie keine Messstellen vorhanden. Es sei also keineswegs offensichtlich, dass eine Beeinträchtigung dieses Schutzgebiets durch die erhöhte Fördermenge ausgeschlossen werden könne.

    Wann mit einer Entscheidung über eine Berufung zu rechnen sei? »Ein zeitlicher Rahmen ist nicht absehbar«, sagt Anwalt Deppner. Mit der Vermutung, es werde Monate dauern, liege man sicher nicht falsch.

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