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Wie man eine Partei zerstört
Die zerstrittenen Linke-Flügel sollten sich unverzüglich in Klausur zusammenraufen, fordert Michael Brie. Wer das nicht will, solle von Bord gehen
Als die PDS nach ihrer Wahlniederlage von 2002 in eine tiefe Krise geriet, als sie auseinandergetrieben wurde durch Führungsschwäche und gegensätzliche Kräfte, waren es zwei Bedingungen, die ihr eine Chance gaben und die spätere Fusion mit der WASG ermöglichten: Die stärksten Kräfte der Partei engagierten sich, die Führungen der Landesverbände und – neben Gabriele Zimmer – vor allem Lothar Bisky, Gregor Gysi und Heinz Vietze. Es gelang, auf dem außerordentlichen Parteitag im April und Juni 2003 in Berlin und Chemnitz eine Führungsmannschaft auf der Basis einer gemeinsamen strategisch-programmatischen Orientierung aufzustellen, hinter der sich die PDS wieder versammeln konnte.
Die Partei Die Linke hat im September 2021 nicht nur 20 Prozent an Wählerstimmen verloren wie die PDS 2002, sondern fast die Hälfte. Die Mitglieder verlassen scharenweise die Partei. In den darauffolgenden Landtagswahlen dieses Jahres rückte Die Linke in die Nähe einer Splitterpartei. Bundesweite Umfragen sehen sie bei nur noch 3,5 Prozent, in Sachsen sinkt sie unter fünf Prozent. Alle reden von Existenzkrise und fordern, ein Weiter-So dürfe es nicht geben. Aber im Gegenteil wird dieses Weiter-So noch verschärft. Das Führungsvakuum reißt die Partei in den Abgrund.
Was aber machen nun jene, denen doch die Verantwortung obliegt, genau jene Aufgaben zu lösen, denen sich die PDS im Frühjahr 2003 erfolgreich stellte? Das genaue Gegenteil dessen, was damals in der PDS geschah: Anstelle einer gemeinsamen Führungsmannschaft stellen sich die sogenannten Flügel gegeneinander auf und zerrreißen den Körper der Partei endgültig. Anstelle zusammen- und nach vorne führender Dokumente werden mit alternativen Aufrufen die Differenzen zu antagonistischen Gegensätzen hochstilisiert, die in einer Partei keinen Platz haben. Schlimmer noch: Die (relativen) Schwergewichte der Partei bringen sich nur mit stark gebremster Kraft ein. Wer stark in den Ländern ist, bleibt eher in Deckung. Die Bereitschaft, sich ganz für die Bundespartei zu engagieren, fehlt. Lieber der Spatz im kleinen Haus als die Taube auf dem großen Dach. Manche, die antreten, wollen sich nicht ganz auf die Aufgabe konzentrieren, für die sie sich bewerben. Die Bundestagsfraktion fällt aus, verstärkt die Probleme noch. Es drängt sich der Eindruck auf, dass diese Partei von ihrem »Offizierskorps« schon aufgegeben ist. Es fehlt der Wille zur Macht, verstanden als unbedingter Wille, umfassende Verantwortung wahrzunehmen. Dies endet dann wie die Schlacht bei Frankenhausen 1525: Ohne Führung flieht der Haufen in Panik und die Führer werden am Ende doch geköpft.
Wie sollen die Delegierten des Parteitags auf einem Boden, der derart von Schützengräben durchzogen ist, wo die Waffen der Genossen auf den Mitgenossen als Feind gerichtet sind, wo so viele falsche Gegensätze im Raum sind, wie sollen in einer solchen Situation die Delegierten in nur gut einer Woche von jetzt an sinnvolle demokratische Entscheidungen treffen?! Wer den Parteitag der PDS in Gera im Herbst 2002 und den Göttinger Parteitag im Juni vor zehn Jahren erlebt hat, weiß, dass dies unmöglich ist. Nur Glück kann dann noch retten. Aber dies ist ein völlig unzulässiges Vabanquespiel. Mit so viel Verantwortungslosigkeit wurde selten eine linke Partei zerstört.
Es ist die unbedingten Verantwortung des »Offizierskorps«, sich gemeinsam in strikte Klausur zu begeben, hinter buchstäblich fest verschlossenen, ja vernagelten Türen, im Modus der berüchtigten Treffen der Regierungschefs der EU, für Tage und Nächte sich zusammenzuraufen, bis eine tragfähige Lösung da ist – personell und konzeptionell sowie organisatorisch, auf deren Basis eine grundsätzliche Erneuerung erfolgen kann. Die Partei Die Linke ist es wert, dass ein solcher letzter Versuch vor dem Parteitag in Erfurt gemacht und zu einem guten Ende gebracht wird. Wer dazu nicht bereit und fähig ist, sollte sich unverzüglich von Bord begeben und unwürdige Spiele beenden.
Der Philosoph Michael Brie ist Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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