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DFB-Elf mit »Supergefühl« nach ihrem Torfestival gegen Italien
Die deutschen Fußballer freuen sich nach dem 5:2 auf den Urlaub und die WM in Katar
Es kommt nicht so häufig vor zwischen Fohlenwelt und Fohlenstall, dass die Menschen in lautes Gekreische verfallen, allein weil aus der Dunkelheit plötzlich Kevin Trapp auftaucht. Aber selbst der erneut keine Minute eingesetzte Ersatztorhüter der deutschen Nationalmannschaft wurde an diesem lauen Sommerabend von den Fans in Mönchengladbach am Gitterzaun wie ein Popstar gefeiert. Die gute Stimmung konnte auch das Verkehrschaos am Borussia-Park nicht trüben. Die meisten der 44 144 Zuschauer waren zu glücklich, bei einem fast schon historischen 5:2 in der Nations League gegen eine am Ende völlig zerzauste Squadra Azzurra dabei gewesen zu sein.
Die Deutschen, sagte Italiens Nationaltrainer Roberto Mancini, hätten eine »enorme Qualität«. Die DFB-Auswahl setzte mit Blick auf die WM in Katar ein umjubeltes Ausrufezeichen. Der erste Sieg gegen Italien in regulären 90 Minuten in einem Pflichtspiel stimmte Bundestrainer Hansi Flick zufrieden wie zuversichtlich. Den »kleinen Stresstest« nach einer eigenartigen Serie von 1:1-Spielen habe man bestanden. Sogar teilweise brillant und bravourös.
Der 57-jährige reichte ein »riesiges Kompliment« an seine Mannschaft weiter, »für die Art und Weise, wie sie Fußball gespielt hat.« Ganz nebenbei baute Flick sogar Sorgenkind Leroy Sané wieder eine Brücke ins Team. Für solche Spieler sei es »einfach wichtig, dass sie Vertrauen spüren«, betonte er. Fördern und fordern hat dieser Fußballlehrer zum Grundprinzip erhoben, das schon beim FC Bayern gezogen hat. Nun bleibt vom Regenerationstrainingslager in Marbella über das Camp in Herzogenaurach und die Stationen Bologna, München, Budapest vor allem dieses Spiel in Mönchengladbach haften. Gleichzeitig ist die jüngste Leistung der Anspruch, wenn man in der Wüste Weltmeister werden will.
In dieser Form sollte die Vorrundengruppe mit Japan, Spanien und das gerade qualifizierte Costa-Rica machbar sein. Bis dahin will Flick in den beiden letzten Partien der Nations League gegen die nach dem 4:0 gegen England überraschend die Gruppe anführenden Ungarn am 23. September und vier Tage später in England an der »einen oder anderen Stellschraube« drehen. Viel Zeit bleibt nicht: Erst nach dem für Mitte November angesetzten 15. Spieltag wird die Bundesliga unterbrochen – dann folgt ein Kurzaufenthalt in Dubai mit einem Testspiel – ehe die WM startet.
Dann ist es für Flick allemal hilfreich, dass es nach derzeitigem Stand nur noch um Feinjustierungen geht. Lästige Grundsatzdebatten wie Jürgen Klinsmann vor der Heim-WM 2006 oder Löw vor den Turnieren 2010 und 2014 muss Flick nicht moderieren. Joshua Kimmich und Ilkay Gündogan vor der Pause sowie nach dem Wiederanpfiff Thomas Müller und zweimal Timo Werner sorgten dafür, dass die Tormusik vom Dancefloor-Stampfer »Kernkraft 400« gefühlt in Endlosschleife aus den Lautsprechern dröhnte. Die Ergebniskosmetik durch zwei späte Treffer von Wilfried Gnonto und Alessandro Bastoni störte am Ende niemanden.
»Wenn wir es so machen, dann werden es ganz viele Mannschaften schwer gegen uns haben«, sagte der überragende Taktgeber Gündogan. Genau wie hinter ihm Kapitän Manuel Neuer und Abwehrchef Antonio Rüdiger, neben ihm der fleißige Abräumer Kimmich und vor ihm der listige Schleicher Müller war der Meistermacher von Manchester City Teil einer funktionierenden Achse, die den Grundstein für diese Gala legte.
Mit diesem Sieg kann man mit »einem Supergefühl in den Urlaub« gehen, meinte Hansi Flick. Sein größter Verdienst in einer ungeschlagenen Premierensaison ist es, bei den Heimauftritten in Stuttgart, Hamburg, Wolfsburg, Sinsheim, München und Mönchengladbach das Publikum wieder bestens unterhalten zu haben. Egal gegen wen es geht: Länderspiele sind seit seinem Amtsantritt wieder Feiertage.
Allein Gute-Laune-Garant Müller schien der Überschwang nicht ganz geheuer. »Wir haben ein gutes Projekt am Laufen, aber noch allerhand Defizite.« Einerseits »haben wir alles, um an einem guten Tag jeden schlagen zu können«, erklärte der 32-Jährige, andererseits forderte er, dass »wir bei den fußballschlauen Dingen was draufpacken« müssen. Eine perfekte Mannschaft sei man noch nicht. Mit dieser Botschaft verabschiedete sich Müller in den verdienten Urlaub. Unter lautem Gekreische selbstverständlich.
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