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  • Umgehungsstraße Ahrensfelde

Tunnel statt Monsterstraße

Bürgerinitiativen fordern Neustart der Planungen für eine Ortsumgehung von Ahrensfelde

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.

Im Jugendzentrum Betonia in Berlin-Marzahn ist am Dienstagabend ein Modell der Umgehungsstraße B158 für den Ortskern der benachbarten brandenburgischen Gemeinde Ahrensfelde aufgebaut. Im Maßstab 1 zu 200 zeigt das Modell die geplante Trasse, die in einem Trog die Klandorfer Straße entlangführt. Nicht so genau zu erkennen sind hier die unterschiedlich hohen Lärmschutzwände zur Berliner und zur Brandenburger Seite hin. Der auf einem kurzen Abschnitt gedeckelte und so zum Tunnel gemachte Trog soll die Lösung sein für jenen Teil der Trasse, der über Berliner Territorium führt.

Weiter hinten, in der Gemarkung von Ahrensfelde, taucht die Straße auf und verläuft über einen Damm zum Berliner Autobahnring A10. Hier könnten sich die Schallwellen ungehindert ausbreiten und auch die Ohren der Anwohner der Dorfstraße erreichen, obwohl denen doch eigentlich eine Verkehrsberuhigung versprochen wurde, erläutert Bernd Allerdissen vom Förderverein Ahrensfelde. Verschärfend komme hinzu, dass auf diesem Abschnitt Tempo 100 erlaubt sein soll, im Trog sei eine Höchstgeschwindigkeit von 70 Kilometern pro Stunde vorgesehen.

Zusammen mit dem Kiezstammtisch West und anderen Bürgerinitiativen aus Marzahn und Ahrensfelde hat der Förderverein Verkehrspolitiker aus Berlin und Brandenburg zu einem runden Tisch in das Jugendzentrum eingeladen. Für Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) ist auch ein Platz reserviert, der aber frei bleibt beziehungsweise später, weil sonst nicht mehr viele Stühle frei sind, vom Berliner FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja eingenommen wird. Aber auch wenn Beermann absagte, so hat er doch die Bürgerinitiativen für den 29. August in sein Potsdamer Ministerium eingeladen, was Fritz Gläser positiv vermerkt. Man wolle dieses Gesprächsangebot annehmen, kündigt der 66-Jährige an, der seit 1985 in der Gegend wohnt und den runden Tisch moderiert.

Die Bürgerinitiativen wollen jede Chance nutzen, die 2002 in einem Raumordnungsverfahren zur Realisierung auserkorene Variante 2 der Ortsumgehung entlang der Klandorfer Straße zu kippen. Das 2011 gestartete Planfeststellungsverfahren soll abgebrochen werden. Es würde eine »Monsterstraße« entstehen, an der doch aber links und rechts Menschen leben, schimpft eine resolute ältere Dame, die selbst zu den Betroffenen gehören würde.

Der Wunsch, das schon so lange laufende Planfeststellungsverfahren abzubrechen, bedeutet aber keineswegs, dass die Bürger beim Verkehr alles so lassen wollen, wie es ist. Im Gegenteil: 20 000 Fahrzeuge pro Tag fahren gegenwärtig auf der B159 Ahrensfelde, in der Spitze sind es sogar 24 000. Bei 25 000 wäre die Belastungsgrenze einer zweispurigen Bundesstraße erreicht, rechnet Bernd Allerdissen vor. Schon 1991 habe die Gemeinde eine Umgehungsstraße beantragt. »Wir sind also nicht die Verhinderer, wir sind diejenigen, die seit 30 Jahren eine Umgehungsstraße wollen«, betont Allerdissen. Abgelehnt werde nur die Variante 2. Mit der verworfenen Variante 1, die weitgehend einer bereits zu DDR-Zeiten erwogenen Verkehrslösung entspricht, hätte man sich anfreunden können. Die Gemeindevertretung hat sich im März 2022 einstimmig dafür ausgesprochen, Variante 2 zu verwerfen und stattdessen einen durchgehenden Tunnel zu bauen.

Was das ungefähr kosten würde, möchte FDP-Fraktionschef Czaja wissen. »Das ist eine gute Frage«, gibt Allerdissen zu, kann sie aber nicht beantworten. Klar ist, dass ein Tunnel deutlich teurer wäre als Variante 2, die einst mit 24,5 Millionen Euro eingepreist war. Vor zwei Jahren wurden die Kosten auf 62 Millionen Euro geschätzt, und wegen der gestiegenen Preise seitdem könne man gut und gerne von rund 100 Millionen ausgehen, so Allerdissen.

Bei solchen Summen könnte es geschehen, dass sich in einem neu aufgerollten Planfeststellungsverfahren gegen einen Tunnel wieder die ungeliebte Variante 2 durchsetzt. Aber dieses Risiko möchten die Bürgerinitiativen eingehen. Auch eine Verzögerung um weitere zehn Jahre durch die umfangreichen Umplanungen nehmen sie in Kauf. »Hätte das 2011 stattgefunden, wären wir schon fertig«, wirbt Allerdissen, einen Neustart nicht weiter hinauszuschieben.

»Man darf nicht einfach falsch weitermachen«, bestätigt FDP-Fraktionschef Czaja. Für eine sinnvolle Umplanung sichert er Unterstützung zu. Den Trog nennt Czaja eine »Absurdität«. Seine Partei wäre für Variante 1 gewesen, sagt er, also das, was schon zu DDR-Zeiten angedacht war. »Ich hoffe, dass ich es noch erlebe, hier einmal langzufahren.« An der passenden Stelle zieht Czaja ein Blatt Papier aus der Innentasche seines Jackets und verliest, was Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) seinem Parteifreund auf Nachfrage mitgeteilt hat. Die Länder Berlin und Brandenburg sollten sich in der Sache einigen.

Dies sei ja schön und gut, kontert der Brandenburger Landtagsabgeordnete Andreas Büttner (Linke). Aber würde es der Bund auch bezahlen, wenn die Länder den teuren Tunnel wünschen?

»Verkehr ist nichts Schlimmes, auch Autoverkehr ist nichts Schlimmes«, traut sich der Landtagsabgeordnete und einstige brandenburgische Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD) einzuwerfen. Er berichtet von Umgehungsstraßen, die den Verkehr so radikal aus den Innenstädten ferngehalten haben, dass dort die Geschäfte pleitegingen, weil ihnen die Kunden fehlten. Seit 1991 auf eine Umgehungsstraße zu warten, sei übrigens so ungewöhnlich nicht. Vogelsänger nennt Beispiele: Lübben und Fürstenberg/Havel.

Immerhin sollen, was Ahrendsfelde betrifft, die Anwohner mehr mitreden dürfen. Dazu stehe etwas im Berliner Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und Linke, erinnert Kristian Ronneburg von der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Sein Koalitionspartner Stephan Machulik (SPD) ergänzt: »In vielen Fällen wissen die Bürger mehr als die Planer am Reißbrett. Darum wollen wir die Bürger mehr beteiligen.« Von den Grünen machen der Berliner Abgeordnete Stefan Ziller und Brandenburgs Landesvorsitzende Julia Schmidt den Bürgerinitiativen Hoffnung. Nur die CDU lässt durchblicken, ihr sei die Umgehungsstraße wichtiger als die Gefahr, dass nach einem Abbruch des Planfeststellungsverfahrens gar nichts mehr geschieht.

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