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Bis zur letzten Gräte
Die Vereinten Nationen wollen auf ihrer Ozean-Konferenz Lösungen für die Rettung der Meere finden
Der Verband Deutscher Reeder (VDR) hat seinen Mitgliedern empfohlen, die Routen ihrer Frachtschiffe zu ändern, um Pottwale in griechischen Gewässern und Blauwale vor Sri Lanka zu schützen. Der VDR ist damit der erste nationale Verband seiner Art, der das Risiko von Kollisionen mit den bedrohten Säugetieren verringern will.
Der Beschluss wurde in der vergangenen Woche gefasst, nachdem eine Gruppe unter Führung der Umweltschutzorganisationen Ocean Care und International Fund for Animal Welfare mit wissenschaftlichen Informationen an den Reederverband herangetreten war. »Wir haben den Vorschlag der NGOs offen aufgenommen und mit unseren Mitgliedern diskutiert«, sagt Martin Kröger, Hauptgeschäftsführer des VDR: »Das Echo war eindeutig: Zum Schutz der Wale sind wir alle gern bereit, dort einen kleinen Umweg zu fahren.«
Dem kleinen Schritt der Reeder soll ein großer auf der Ozean-Konferenz der Vereinten Nationen folgen, die am Montag in Lissabon beginnt. Auf dem Programm steht die ganze Themenpalette: von der Bedeutung der Meere für das Klima, der Einleitung von Pestiziden durch die Landwirtschaft bis zum Plastikmüll in der Nahrungskette. Ermutigende Signale sendete pünktlich zum Konferenzbeginn ausgerechnet die politisch schon totgesagte Welthandelsorganisation WTO. Als »historischen Schritt« bezeichnete Fischereiexpertin Heike Vesper vom Umweltverband WWF den Beschluss, der im Kern eine Eingrenzung von für die Meeresumwelt schädlichen Fischerei-Subventionen vorsieht.
Nahezu zwanzig Jahre lang rangen die 164 Mitgliedstaaten der WTO um ein Fischereiabkommen. Wer es nun unterschreibt, verpflichtet sich, die illegale Fischerei zu verfolgen. Und Subventionen für die eigenen Flotten oder Kleinfischer abzubauen, falls sich Fischbestände als gefährdet erweisen. Wirtschaften auf Kosten der Natur wird zum ersten Mal ganz direkt als Preisdumping behandelt, was Schiedsgerichte der Welthandelsorganisation verurteilen könnten.
Ein Appell des kolumbianischen Botschafters bei der WTO in Genf, Santiago Wills, gilt zugleich für die einwöchige UN-Konferenz: »Unsere Ozeane bedecken 70 Prozent des Planeten, stellen 80 Prozent der Artenvielfalt, ernähren Milliarden Menschen. Es ist unser Job, dies für kommende Generationen zu bewahren.« Die Staaten sollten nicht gegeneinander verhandeln, »sondern gegen die gnadenlose Erschöpfung der globalen Fischbestände«, fordert Wills.
Was leichter gesagt ist, als getan. Während im Globalen Norden Fisch eher als Delikatesse verspeist wird, ist er in vielen, vor allem ärmeren Ländern ein überlebenswichtiges Grundnahrungsmittel. Was dann als »illegale Fischerei« angesehen wird, welche von Naturschützern besonders scharf kritisiert wird, liegt oft im Auge des Betrachters. Vor allem Indien hatte sich deswegen lange verweigert – Beschlüsse in der WTO müssen einstimmig gefasst werden – und beharrte erfolgreich auf Übergangsfristen für die ärmsten der Armen.
Vor sieben Jahren hatte die UN ihre Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG) beschlossen. »SDG 14« zielt darauf, gegen die Überfischung der Meere vorzugehen. Nun sollen über das WTO-Fischereiabkommen »schädliche Subventionen« für Treibstoffe, für die industrielle Fischerei in der Tiefsee und in fremden Hoheitsgewässern – wie sie auch EU-Länder betreiben – weltweit abgeschafft werden. Und auch Subventionen gegen »illegale Fischerei« stehen nun auf dem Index.
Von der UN-Meereskonferenz wird erwartet, dass sie zusätzlichen Druck auf die Staaten erzeugt, die Maßnahmen auch umzusetzen. In fünf Jahren soll die globale Praxis von der WTO überprüft werden. Dabei ist dies lediglich ein erster Schritt. »Die Verhandlungen über das Abkommen waren überaus schwierig«, gibt der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Udo Philipp, zu. »Ein Teilbereich der Subventionen musste noch ausgeklammert werden.« Doch immerhin sei es gelungen, einen für alle WTO-Mitglieder tragbaren Kompromiss zu finden und damit einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit in der globalen Fischerei zu leisten. Das sei auch ein wichtiges Signal für die Handlungsfähigkeit der WTO – auf die seit der Wahl Joe Bidens zum US-Präsidenten westliche Länder wieder großen Wert legen.
Wie die deutschen Reeder will die Versicherungswirtschaft einen (kleinen) Beitrag zur UN-Meereskonferenz leisten. Die deutschen Transportversicherer wollen erreichen, dass Kunststoff-Pellets künftig weltweit als Gefahrgut deklariert werden. »Als Gefahrgut würde das Plastik für den Seetransport besser verpackt, zudem würden entsprechende Container unter Deck verstaut«, erklärt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Das minimiere das Risiko eines Ladungsverlustes. Dazu müsste die Weltschifffahrtsorganisation IMO, die weltweit die Regeln für den Schiffsverkehr festlegt, Plastik in ihren Gefahren-Code aufnehmen. Dem müssten die meisten ihrer 175 Mitgliedsländer zustimmen. Auch in der IMO mahlen die Mühlen langsam, aber sie mahlen.
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