Neue Unterstützung für die Ukraine

G7-Staaten sagen der Ukraine mehr Geld, Waffen und Sanktionen zu

  • Daniel Säwert
  • Lesedauer: 4 Min.

In der Mittagssonne des Voralpenlandes setzte Olaf Scholz am Montag sein freundlichstes Lächeln auf, um den Teilnehmer*innen des G7-Gipfels auf Schloss Elmau für die versammelte Presse die Hand zu schütteln. Die Hand Wolodymyr Selenskyjs blieb an diesem Tag vom Bundeskanzler unberührt. Für kurze Zeit ging das Gerücht um, der ukrainische Präsident könnte Kiew verlassen und sich persönlich mit den Staats- und Regierungschefs der führenden westlichen Industrieländer treffen. Stattdessen forderte Selenskyj die G7-Staaten in einem nicht öffentlichen Videogespräch zu einer Kraftanstrengung auf, um den Krieg noch in diesem Jahr zu beenden und »alles zu tun«, um dieses Ziel zu erreichen. Die Fortsetzung des Krieges über den Winter würde die Ukraine vor große Probleme stellen, schreibt die Nachrichtenagentur AFP.

Um den Krieg zu beenden, forderte Selenskyj von den G7-Staaten die Verschärfung der Sanktionen. Dabei gehe es in erster Linie um die Deckelung für russisches Erdöl. Außerdem drängte der ukrainische Präsident auf reale Sicherheitsgarantien für sein Land, die Lieferung von modernen Raketenabwehrsystemen und anderen Waffen sowie Hilfe beim Wiederaufbau der Ukraine.

Nach der Videokonferenz bedankte sich das Büro Selenskyjs auf Telegram für die finanzielle und militärische Hilfe. »Die Ukraine spürt die Unterstützung der G7-Staaten«, heißt es weiter. Aus Sicht der Gipfelteilnehmer habe Selenskyj eine »sehr starke Botschaft« übermittelt, zitiert die AFP aus G7-Kreisen. Der Druck dürfe nicht verringert und Russland müsse weiterhin mit »massiven« Strafmaßnahmen belegt werden. Bundeskanzler Scholz kündigte eine weitere Verschärfung des Kurses gegenüber Russland an. »Wir werden den Druck auf Putin weiter erhöhen«, schrieb Scholz am Montag auf Twitter. »Dieser Krieg muss enden.«

In einer Erklärung sprachen die G7-Staats-und Regierungschefs der Ukraine zeitlich unbegrenzte Unterstützung zu. Man werde die Regierung in Kiew unterstützen, »solange es nötig ist«. Auch die Störungen bei den Getreideexporten wurden angesprochen. Russland müsse »seine Angriffe auf die Landwirtschafts- und Verkehrsinfrastruktur ohne Vorbedingung einstellen«, heißt es in der Erklärung. Es müsse die Ausfuhr von ukrainischen Agrarerzeugnissen per Schiff über das Schwarze Meer ermöglichen. Zudem wurde Moskau aufgefordert, nach Russland gebrachten Ukrainern die Rückkehr in die Ukraine zu ermöglichen. Laut russischen Angaben sind seit Kriegsbeginn fast zwei Millionen Menschen aus der Ukraine ins Nachbarland geflohen. Kiew selbst spricht von 1,7 Millionen und wirft Moskau vor, die Menschen regelrecht entführt zu haben. In Russland spricht man hingegen von einer humanitären Geste. Überprüfen lassen sich die Angaben nur bedingt, zudem versuchen Ukrainer auch über Russland in die Europäische Union zu gelangen.

Für das laufende Jahr versprachen die G7-Staaten der Ukraine Haushaltshilfen von 29,5 Milliarden US-Dollar. Diese Unterstützung werde »dringend benötigt« und fließt zusätzlich zu den 60 Milliarden US-Dollar, die von 2014 bis 2021 als Wirtschaftshilfe nach Kiew gingen.

Die USA kündigten unterdessen neue Sanktionen gegen den russischen Verteidigungssektor an. Auf seiner Homepage schreibt das Weiße Haus, man werde blockierende Sanktionen gegen große russische Staatsunternehmen erlassen, um die Lieferkette zur Verteidigungsversorgung »aggressiv anzugreifen«. Auch Forschungsinstitutionen im Rüstungsbereich sind betroffen. Zudem sollen neue Zölle auf 570 Warengruppen mit einem Wert von 2,3 Milliarden US-Dollar erhoben und die Einfuhr von Gold in die USA verboten werden. Das Edelmetall ist nach Energierohstoffen die zweitgrößte Einnahmequelle Russlands. Die USA hoffen, damit die russische Wirtschaft bedeutend zu schwächen. Auch Japan schloss sich dem Gold-Embargo an. Moskau reagierte mit persönlichen Sanktionen gegen 43 Kanadier*innen.

Am Montagmorgen berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg vom ersten Zahlungsausfall Russlands seit 100 Jahren. Moskau hatte zuvor Eurobonds im Wert von 100 Millionen US-Dollar nicht in Devisen zurückgezahlt. Bloomberg sieht darin die »Kulmination der Sanktionen«. Laut Kreml-Sprecher Dmitri Peskow seien Dritte Schuld, wenn das Geld nicht angekommen sei. Russland habe genügend Reserven, um Anleihen zu begleichen.

In Kiew traf am Mittag überraschend die moldauische Präsidentin Maia Sandu ein. Moldau erhielt gemeinsam mit der Ukraine in der vergangenen Woche den Status des EU-Beitrittskandidaten. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine wächst in Moldau die Befürchtung vor einem russischen Eingreifen im eigenen Land, insbesondere vor dem Hintergund des Transnistrien-Konflikts. Der Besuch Sandus in der ukrainischen Hauptstadt war vor einigen Tagen angekündigt worden, ohne ein konkretes Datum zu nennen. Bevor die moldauische Präsidentin mit ihrem Amtskollegen zusammenkam, besuchte sie die Kiewer Vororte Butscha, Borodjanka und Irpin, die einen Monat lang von russischen Streitkräften besetzt und stark zerstört worden waren. »Wir haben mit Moldau nicht nur eine gemeinsame Grenze, sondern auch Werte und Ziele«, bedankte sich Selenskyj mit einem Telegram-Video für den Besuch aus dem Nachbarland.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!