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Stark-Watzinger-Affäre: Bildungsministerium legt Untersuchung vor

Der Bericht kann die Aussagen der Ex-Bildungsministerin nicht widerlegen. Özdemir will Sabine Döring nicht von Verschwiegenheitspflicht befreien

Auch nach einer internen Prüfung im Bildungsministerium ist nicht geklärt, ob Bettina Stark-Watzinger die Fördermittelprüfung in Auftrag gegeben hat.
Auch nach einer internen Prüfung im Bildungsministerium ist nicht geklärt, ob Bettina Stark-Watzinger die Fördermittelprüfung in Auftrag gegeben hat.

Das inzwischen von Cem Özdemir geleitete Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat eine interne Prüfung zu den Vorgängen rund um die sogenannte Stark-Watzinger-Affäre abgeschlossen. Das Ergebnis des elfseitigen Berichts, der »nd« vorliegt: Die Darstellung der ehemaligen Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) konnte nach Einsicht der Akten nicht widerlegt werden. Allerdings hatten die Prüfenden keine Einsicht in Teile der möglicherweise relevanten Wirechats.

Der Hintergrund: Nachdem im Mai 2024 an der Freien Universität Berlin ein propalästinensisches Protestcamp gewaltsam von der Polizei geräumt worden war, sprachen sich Hunderte Lehrende in einem offenen Brief gegen den Polizeieinsatz aus. Wie »NDR Panorama« im Juni enthüllte, wurde daraufhin im Ministerium überprüft, ob es möglich wäre, Unterzeichnern Fördergelder zu streichen – ein Auftrag, der die Wissenschaftsfreiheit verletzt und deshalb für große Kritik und einen Vertrauensverlust unter Wissenschaftlern sorgte.

Stark-Watzinger will von dem Vorgang in ihrem Ministerium nichts gewusst haben und behauptet bis heute, sie habe von dem Prüfauftrag erst im Zuge der »Panorama«-Recherche erfahren. Die Staatssekretärin Sabine Döring wurde für die Prüfung verantwortlich gemacht und daraufhin in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

In einem Brief von Juni 2024 hatte Döring BMBF-Mitarbeitenden mitgeteilt, dass sie die Prüfung des offenen Briefes in Auftrag gegeben, sich dabei aber missverständlich ausgedrückt habe. »Die Unklarheit wurde sehr zeitnah in einem weiteren Telefonat ausgeräumt, sodass dieser Aspekt dann auch kein Bestandteil der Prüfung war«, hieß es in dem Schreiben weiter.

Und in der Tat: Aus den internen Akten ließ sich bisher nicht feststellen, dass Stark-Watzinger vom Prüfauftrag wusste oder diesen veranlasste. Zu diesem Schluss kommt auch das BMBF in seiner Prüfung. »Durch die Arbeit der Internen Revision konnten die Verwaltungsabläufe im Haus so aufgearbeitet werden, dass der Ablauf der Ereignisse umfänglich nachvollziehbar ist«, teilte ein Sprecher des BMBF am Mittwoch »nd« mit. Ausgehend vom Sachverhaltsbericht der Internen Revision habe kein Fehlverhalten im Verwaltungshandeln erkannt werden können, so der Sprecher weiter.

Allerdings, so räumt der BMBF-Sprecher ein, bestätige sich, »dass zur Meinungsbildung der damaligen Hausleitung umfangreiche Kommunikation stattgefunden hat, die dem Hause nicht in Gänze zugänglich ist«. An wenigen Stellen habe eine Aufklärung des exakten Ablaufs nicht erfolgen können.

Damit dürfte die Kommunikation über den Chatanbieter »Wire« gemeint sein. Aus verschiedenen Leaks war bekannt geworden, dass Stark-Watzinger mit Vertrauten aus der BMBF-Führungsebene zu der Causa des offenen Briefes kommuniziert hatte. Veraktet wurde die Kommunikation aber trotzdem nicht. Stark-Watzinger hatte argumentiert, es handele sich um private Kommunikation und bedürfe deshalb keiner Veraktung. Genau deshalb hat auch das BMBF keinen Zugriff auf die Chats.

Im BMBF will man nun einen Schlussstrich unter die Affäre setzen. Die entscheidende Frage bleibt aber ungeklärt: Hat Stark-Watzinger selbst die Prüfung förderrechtlicher Konsequenzen für Unterzeichner des Briefes angeordnet?

Die geschasste Staatssekretärin Döring hätte vielleicht Antworten liefern können. Nach ihrer Versetzung in den einstweiligen Ruhestand wollte sie sich öffentlich zu der Sache äußern. Das BMBF verweigerte ihr dies allerdings. Als Beamtin, auch im einstweiligen Ruhestand, ist die Staatssekretärin a.D. zwar zur Verschwiegenheit verpflichtet. Stark-Watzinger hätte diese Verschwiegenheitspflicht aber aufheben können. Das zuständige Verwaltungsgericht Minden wie auch das Oberverwaltungsgericht NRW wiesen Dörings Antrag ab, also muss sie weiter schweigen.

Auch Özdemir will die Verschwiegenheitspflicht nicht aufheben, obwohl er das tun könnte. Aus dem Ministerium heißt es dazu, die Sichtweise von Staatssekretärin a.D. Döring zu den Vorgängen sei durch eine schriftliche Stellungnahme und ein mehrstündiges Gespräch mit der Internen Revision in die Erstellung des Berichtes eingeflossen. Daher sei »die öffentliche Befragung einer einzelnen Person nicht geeignet, einen größeren Erkenntnisgewinn zu erzielen«.

Özdemir habe ein ehrliches Interesse an Aufklärung, heißt es weiter aus dem Ministeriun. »Er ist der Auffassung, dass das BMBF durch das Vorgehen damals einen schweren Vertrauensschaden erlitten hat.« Dieses Vertrauen wolle er nun wieder aufbauen.

Dass ihm das mit dieser Entscheidung gelingt, ist allerdings fraglich. Zahlreiche Wissenschaftler hatten gefordert, Özdemir solle Döring ermöglichen, ihre Sicht öffentlich zu erläutern.

Dieser Text ist eine geupdatete Version eines Artikels vom 22.01.2025.

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